Unternehmensziel Diversity "Vielfalt wird glattgebügelt statt wertgeschätzt"

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Auf MINT haben auch Männer keine Lust

Die Argumente der Unternehmen – gerade in den klassischen Männerdomänen Automobil, Maschinenbau, Chemie, Finanzen – sind ja auch bestechend: In Branchen, in denen ohnehin kaum eine Frau arbeiten will, liegt die Auswahl weiblicher Führungskräfte nahe Null. Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht hat das 2014 schön zusammengefasst, als er sagte: "Es wäre kein Dienst an der Mitbestimmung, wenn aufgrund der pauschalen 30-Prozent-Quote Frauen in den Aufsichtsrat einziehen würden, die diesen Rückhalt in der Belegschaft nicht haben."

In den MINT-Fächern sind Frauen ohnehin kaum zu finden. Bei Karin Vosseberg, Professorin für IT-Systemintegration und Software Engineering an der Hochschule Bremerhaven, sitzen manchmal nur ein bis zwei Frauen in der Vorlesung. "Wir haben jeweils 40 Informatik- und 40 Wirtschaftsinformatikstudenten, vielleicht zehn Prozent sind Frauen", sagt sie. Und bei den IT-Ausbildungsberufen stagniert der Anteil weiblicher Azubis sogar bei acht Prozent. Wobei die IT-Branche ein generelles und kein rein weibliches Nachwuchsproblem hat, wie Angelika Dammann sagt. „Junge Leute nutzen Technologien, aber Elektrotechnik oder Informatik studieren wollen sie nicht – auch die Männer nicht“, so Dammann.

Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?

Aber an Frauen fehlt es eben auch in Berufen, die viele junge Frauen studieren und die weniger mit Technik zu tun haben. Sie fehlen beispielsweise auch in den oberen Etagen des öffentlichen Sektors, wie eine Kurzstudie der Beratungsgesellschaft Kienbaum zeigt. Demnach liegt beispielsweise der Anteil von Frauen in der sächsischen Landesregierung bei 22 Prozent. Und selbst in Rechtsberufen gibt es keine Führungsfrauen. Zwar sind mehr als die Hälfte der Juraabsolventen Frauen, der Anteil an Partnerinnen und Eigentümerinnen von Großkanzleien beträgt jedoch nur neun Prozent, praktizierende Rechtsanwälte sind zu 67 Prozent Männer und auch Associates in Großkanzleien sind zu 62 Prozent männlich. Also liegt es vielleicht doch nicht nur an der Berufswahl.

Doch bisher funktioniert es in vielen Unternehmen ja auch ganz gut ohne die vielgepredigte Vielfalt. „Aus Sicht einer Führungskraft stellt sich natürlich die Frage: Warum soll ich denn mehr Frauen einstellen, wenn es doch gut läuft, so wie es ist?“, sagt Dammann. „Hinzu kommen die strukturellen Barrieren: Wenn die Kollegin in den Mutterschutz beziehungsweise die Elternzeit geht, fällt die Planstelle weg und wir nicht nachbesetzt und wenn ich eine Frau in Teilzeit einstelle, habe ich nur eine halbe Stelle.“

Strukturelles ließe sich zwar ändern, aber dafür müsste sich in den amtierenden Führungsköpfen einiges ändern. Danach sieht es aber bislang noch nicht aus. Oder wie Sattelberger sagt: „Wenn Fremdartigkeit in ein Unternehmen kommt, wird sie assimiliert oder herausgedrängt.“ Fragt sich nur, wie lange Unternehmen sich diesen Luxus noch leisten können.

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