WirtschaftsWoche: Eine komplette Mahlzeit, ersetzt durch eine Trinkflasche oder angerührt aus Pulver. Woher stammt diese Idee?
Noel Bollmann: Uns ist in unseren vorherigen Jobs offensichtlich geworden, wie wenig Zeit wir haben. Ernährung lag uns am Herzen, aber die Alternativen waren immer einfacher – wenn auch schlechter: Der Döner um die Ecke oder der Snack-Automat auf der Etage. Warum muss die richtige Ernährung an stressigen Tagen so ein kompliziertes Thema sein? So ist die Idee entstanden. Und die Zahlen haben sich zum Glück auch gefügt.
Und wem soll das schmecken?
Benjamin Kremer: Ursprünglich dachten wir, dass Y-Food ein Produkt für Investmentbanker und Unternehmensberater, so wie uns selbst, ist. Wir sehen, dass diese Gruppen das auch nutzen. Aber sie machen nur einen kleinen Teil der Kunden aus. Sie bilden den Durchschnitt der Gesellschaft ab: Die Krankenschwester ist dabei, die sich für die Nachtschicht versorgt. Der Lkw-Fahrer, der ansonsten nur an Raststätten mit Fast-Food-Restaurants vorbeikommt. Außendienstler ebenso wie vielbeschäftigte Mütter. Alle vereint durch das Problem, ab und zu wirklich stressige Tage zu haben, aber sich nicht ungesund ernähren zu wollen.
2017 haben Sie die Firma gegründet. Für 2022 hatten Sie sich vorgenommen, 100 Millionen Euro Umsatz zu machen. Hat das geklappt?
Bollmann: Wir haben unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Wir sind bei ungefähr 120 Millionen Euro Umsatz gelandet. Und gerade sehen wir noch nicht, dass sich dieses Wachstum verlangsamt.
Kremer: Der nächste Schritt wird es sein, unsere Marke noch bekannter zu machen und emotional aufzuladen. Dann haben wir die Chance, das nächste Red Bull aufzubauen.
Zu den Personen
Noel Bollmann und Benjamin Kremer, zuvor in der Finanzbranche tätig, gründeten Y-Food 2017 in München. Die Gründer waren 2018 in der „Höhe der Löwen“ zu sehen. Das Start-up sammelte in den vergangenen Jahren etwa 20 Millionen Euro in zwei Finanzierungsrunden ein. Heute arbeiten über 200 Mitarbeiter für das Unternehmen. Und die Expansion soll noch viel weiter gehen, sagen die beiden.
Wie soll das gelingen?
Kremer: Wenn man sich Red Bull anschaut, hat man eine sehr bekannte und emotional aufgeladene Marke, mit der jeder ein Lebensgefühl verbindet. Das ist auch unsere Zielsetzung. In Deutschland sind wir schon auf einem sehr guten Weg. Jetzt geht es darum, uns auch international zu einer bekannten Marke zu machen.
Große Hoffnungen stecken Sie dabei in den US-Markt. Wie läuft es da?
Bollmann: Wir bauen in den USA unsere eigene Lieferkette auf. Das macht es einfacher aus regulatorischer Sicht, aus logistischer Sicht und auch aus Nachhaltigkeitsgründen. Wir sind zudem schon in ersten Konsumententests – denn für den US-Markt sind wir dabei, eigene Rezepturen zu entwickeln. Wir sehen da riesiges Potenzial. Aber deshalb muss der Start dort auch gut vorbereitet sein, da wollen wir nichts übereilen.
Was sind die Pläne für das gerade begonnene Jahr?
Kremer: Unser Umsatz hat sich im Vergleich zum Vorjahr knapp verdoppelt. Unser Anspruch ist es, in ähnlich hoher Geschwindigkeit voranzuschreiten. Wir sehen da noch lange keine Grenze erreicht, aktuell geht es in allen Bereichen voran: Sowohl im deutschen Handel als auch im Direktvertrieb Online. Und international sind wir ebenfalls stark gewachsen.
Große Konsumgüterkonzerne schauen neugieriger auf neue Marken im Lebensmittelbereich – Nestlé hat etwa vor einem knappen Jahr Ankerkraut übernommen. Klingelt bei Ihnen oft das Telefon?
Bollmann: Wir sind eine attraktive Firma, also kriegen wir auch einige Anfragen. Ob Zusammenarbeit mit einem größeren Partner, oder einem perspektivischen Börsengang irgendwann: Wir gucken uns alles an, aber aktuell konzentrieren wir uns vor allem auf unser Wachstum.
Kremer: Unser großer Vorteil ist, dass wir seit geraumer Zeit profitabel arbeiten. Dadurch sind wir nicht abhängig von Finanzspritzen. Das ermöglicht es uns, langfristiger zu denken.
Ihre Produkte finden sich sowohl in Supermarktregalen als auch im eigenen Online-Shop. Wie gelingt die Balance?
Kremer: Tatsächlich haben wir einen sehr ausgewogenen Mix aus beiden Verkaufskanälen. Und wir erleben mittlerweile auch viele Synergien. Wenn wir digitale Kampagnen fahren, wirkt sich das auch auf die Verkäufe im Handel aus. Wenn die Menschen unsere Produkte im Netz sehen, schlagen sie vielleicht nicht sofort zu – aber dafür später im Supermarkt.
Wie schlägt sich die Inflation auf Ihr Produkt durch?
Kremer: Das ist ein großes Thema. Unsere Herstellungskosten sind massiv gestiegen. Wir mussten die Preise um etwa elf Prozent erhöhen – das deckt aber bei weitem nicht unsere zusätzlichen Ausgaben. Wir müssen genau darauf achten, wie sich die Kosten entwickeln. Das aktuelle Umfeld ist sehr herausfordernd.
Aber an den ehrgeizigen Wachstumsplänen halten Sie trotzdem fest?
Bollmann: Der größte Konkurrent für uns ist die Unwissenheit vieler Menschen, dass es unsere Produktkategorie gibt. Viel von dem Wachstum soll daher kommen, dass wir weiter in den Mainstream gehen.
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