CO2-neutrale Grills? „Wir dachten erst, die Chinesen zeigen uns einen Vogel“

Keine grüne Sache: Noch immer grillen die meisten Deutschen am liebsten mit Holzkohle, Gasgrills wie dieser folgen erst auf dem dritten Platz – noch hinter Elektrogrills. Quelle: imago images

Ein Grillunternehmer aus Hessen kompensiert die Kohlendioxidemissionen, die bei Produktion, Transport und Betrieb seiner Gasgrills entstehen. Was das kostet und was er von Kunden hält, die am Ende doch billige Steaks auf den Grill werfen.

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Wer Joachim Weber fragt, was er als Unternehmer für die Umwelt tut, kommt danach ziemlich lange nicht mehr zu Wort: Schon seit acht Jahren, so erzählt er, fahre er in einem Elektroauto umher, damals sei das ja noch „Hexenwerk“ gewesen. Jährlich lade er selbst erzeugten Strom für 40.000 Kilometer in das Gefährt. Seine privaten Immobilen, sagt Weber, versorgten sich selbst mit Strom und Wärme. Einen Windpark habe er mit aufgebaut – und die meisten seiner Firmengebäude hätten eine Solaranlage auf dem Dach. Ach ja: Wollen sich seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen vollelektrischen Volkswagen ID.3 kaufen, beteiligt sich der Firmenchef an den Kosten.

Dabei verdient Weber sein Geld in einer auf den ersten Blick ziemlich schmutzigen Branche: Er leitet die Grillfürst GmbH mit Sitz im hessischen Bad Hersfeld, vertreibt im Online-Shop und in seinen Fachhandelfilialen Gasgrills, Smoker, Pelettgrills, Grillkamine und Outdoor-Küchen - teils im Wert Tausender Euro. Grillfürst produziert auch selbst.

Und mit seiner neuesten Aktion passt Weber ebenso wenig in die Branche wie mit seinem privaten Engagement: Seit dem Beginn dieses Monats vertreibt Weber laut eigener Aussage CO2-neutrale Gasgrills der Eigenmarke Grillfürst. Gasgrills? CO2-neutral?

„Grillen wird grün“ – so bewirbt Weber die Aktion auf der Homepage. Tatsächlich ändert sich an den Grills selbst vorerst: nichts. Vielmehr will Weber das Kohlenstoffdioxid (CO2), das während der Produktion, des Transports und auch des Betriebs der Grills frei wird, mit CO2-Zertifikaten kompensieren. Der ganze Prozess schadet dem Klima damit ebenso viel wie vorher auch. Nur: „Das CO2, das wir der Natur zumuten, wollen wir ihr an anderer Stelle wieder entziehen“, sagt Weber, der das Projekt als „Zwischenschritt“ beschreibt und die Zertifikate für den Aufbau eines Windparks in China, seinem Produktionsstandort, erwirbt. „Wir werden unsere Grills nicht von heute auf morgen komplett klimaneutral produzieren können“, sagt Weber.

Und doch geht der Geschäftsmann mit der Aktion einen ersten Schritt. Der Druck von Politik und Konsumenten wird schließlich immer größer. Und auch Weber meint: „Nachhaltigkeit ist mitten in unserem Alltag angekommen. Sie hat Jugendbewegungen hervorgebracht und Wahlen entschieden.“

Damit sein Vorhaben mehr als nur plumpes Marketing ist, hat Weber sich Unterstützung des Genfer Unternehmens SGS geholt, das den CO2-Ausstoß beziffern kann und dafür die Produktion analysierte. „Die Mitarbeiter“, berichtet Weber, „waren auch an unserem Produktionsstandort in China und haben dort mit unserem Produzenten zusammengearbeitet. Wir dachten erst, die Chinesen zeigen uns einen Vogel, wenn wir jetzt das ausgestoßene CO2 messen wollen.“ Doch sie seien sehr kooperativ gewesen.

Die Zahlen, die SGS zusammengetragen hat, zeigen Erkenntnisse, die sich sonst nur grob überschlagen lassen: Wie viel die Produktion der Grills der Umwelt tatsächlich abverlangt – und was finanziell auf Unternehmen zukommt, die sich um zumindest etwas mehr Nachhaltigkeit bemühen.

Weber kompensiert die CO2-Emissionen für die Grills der Eigenmarke Grillfürst, die in den Jahren 2021 und 2022 in China produziert wurden: Insgesamt sind das 29.857 Stück. Bei der Fertigung entstehen im Schnitt 550 Kilogramm CO2 pro Grill. Hinzu kommen 24,1 Kilogramm CO2 für den Transport eines jeden Grills mit dem Schiff nach Deutschland. Zwar hat Weber bereits probiert, die Grills umweltfreundlicher mit dem Zug aus China in seine Lager und Filialen zu bringen. „Über Russland, den Kaukasus, die Ukraine, Belarus und Polen nach Deutschland. Diese Route können wir aufgrund des Krieges in der Ukraine nicht nutzen“, sagt er.

Neben Produktion und Transport will Weber auch noch den Betrieb zum Teil kompensieren. Und so sind beim Kauf auch drei Gasflaschen, also 33 Kilogramm Gas, Teil der Aktion. Werden sie verbrannt, stoßen Grillfans 77,9 Kilogramm CO2 aus. Jede neue Flasche, die Kunden bei Grillfürst kaufen, will Weber zusätzlich kompensieren. Nicht enthalten sind demnach der Transport des Grills aus dem Lager oder der Filiale zum Kunden sowie das Grillgut, das auf dem Rost landet.



Nimmt man nun Produktion, Transport und ein Jahr Betrieb zusammen, stößt ein Grill im Schnitt 650 Kilogramm CO2 aus. Die knapp 30.000 Grills, die Grillfürst in den vergangenen beiden Jahren produziert hat, sind also insgesamt für rund 19.500 Tonnen CO2 verantwortlich.

Um das zu verdeutlichen: Ein VW Golf der aktuellen Generation müsste im Schnitt 6372 Kilometer zurücklegen, um ähnlich viel CO2 in die Luft zu blasen, wie Produktion, Transport und Betrieb eines Grills in Anspruch nehmen. Also in etwa so weit wie von Amsterdam nach Neu-Delhi.

Wird der Umwelt im Gegenzug an anderer Stelle geholfen, zieht das sicherlich bei vielen Konsumenten. Doch Weber ist immer noch Unternehmer. Und so bleibt die Frage: Was kostet ihn das Engagement? Und was erhofft er sich?

Die Kosten für die Zertifikate beziffert er mit drei bis fünf Prozent des Kaufpreises der Grills. Die Preise will Weber aber nicht anheben. Sein Kalkül: „Für die drei bis fünf Prozent, die wir mehr bezahlen, gewinnen wir hoffentlich mindestens drei bis fünf Prozent neue Kunden – wenn nicht sogar mehr.“ Für einen Grillfürst G750E kostet Weber die Kompensation gut 72 Euro.

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Noch nachhaltiger wäre es, in Deutschland zu produzieren, Elektrogrills auszuliefern, die im Idealfall mit Ökostrom betrieben werden – und ab und an auf Fleisch auf dem Grill zu verzichten. Zumindest an Elektrogrills arbeitet Weber schon. Derzeit entwickelt Grillfürst eigene Prototypen. „Aktuell ist es in der Szene noch verpönt, weil die Leistung eines Elektrogrills nur mit der Leistung eines Gasbrenners mithalten kann. Und große Gasgrills haben meist vier, fünf oder mehr Brenner. In ein paar Jahren sind Elektrogrills absoluter Standard“, meint Weber. Und in einem eigenen Magazin sollen bald noch mehr Beiträge zu „Fleischalternativen, vegetarischem und veganem Grillen“ folgen, verspricht er. „Grillen ist vielseitig und umfasst nicht mehr nur Steaks und Würstchen.“

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