Coaching Die zweifelhaften Methoden vieler Karriereberater

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Coaching: Mehr als 25 Berufsverbände in Deutschland Quelle: Cooper - Fotolia.com

Immerhin: In vielen Unternehmen übernehmen die fest angestellten Weiterbildungsbeauftragten die Coach-Auswahl. Sie stellen Pools zusammen, in die nur aufgenommen wird, wer als geeignet gilt.

Das allerdings definiert jedes Unternehmen für sich anders. Klaus Jakobi ist bei der Handelskette Metro für die Personalentwicklung zuständig und nennt sich selbst „Head of Metro University“. Sein Faible für das Coaching erklärt er mit „self development“ und „accelerated development“. Vereinfacht gesagt: Weil der Druck auf Führungskräfte steigt, hilft ihnen der Coach in einer Art „Hygienefunktion“ dabei, diesen besser auszuhalten. Nur klingt das freilich nicht so spektakulär wie „accelerated development“.

Sabine Riede von der Sekteninformationsstelle in Nordrhein-Westfalen kennt die Risiken und Nebenwirkungen des Pseudo-Coachens. Sie hat erlebt, wie die Parole „Du kannst alles schaffen, du musst es nur wollen“ Führungskräfte in Schuldgefühle und gar Depressionen trieb. Oder Unternehmer in den finanziellen Ruin.

Wer bewacht die Wächter?

Doch wie soll man den Verantwortlichen eine Berufslizenz entziehen, die es gar nicht gibt? Namen schwarzer Schafe wollen die Sektenberatungen nicht nennen. Als allzu klagewütig haben sie entsprechende Standesvertreter in den vergangenen Jahren erlebt. Denn ein Coach lebt nun mal von seiner Reputation – die er sich entweder ehrlich verdient oder luftig zusammengeschrieben hat.

Nicht wenige der potenziellen Kontrollinstanzen ziehen sich entsprechend darauf zurück, „präventiv“ zu arbeiten und aufzuklären: die Sektenberatungsstellen genauso wie die Industrie- und Handelskammern, die Coaching-Verbände oder die Stiftung Warentest. Dem Einzelnen bleibt also nur, bei der Wahl seines Coaches genau hinzuschauen.

Quis custodiet ipsos custodes? Wer bewacht die Wächter? Das fragten sich auch die Mitglieder der International Coach Federation, die zum Jahrestreffen ihres Verbandes jüngst in ein Düsseldorfer Kongress-Hotel pilgerten. Es gab Häppchen, Branchen-Trends und -Tratsch auszutauschen. Irgendwann kam dann Slatco Sterzenbach auf die Bühne. Er hielt einen Vortrag über „Lebenskraft hoch zehn“.

Sterzenbach ist siebenfacher „Ironman“ und begnadeter Redner. Er versteht es, seinem Publikum einzuheizen. In Düsseldorf hatten einige der etwa 80 Anwesenden gar Tränen der Rührung in den Augen. Etwa als Sterzenbach von dem 42-jährigen Manager erzählte, der im Armani-Anzug und mit Rolex am Handgelenk ins Krankenhaus eingeliefert wird – Herzinfarkt. Oder als er sein Publikum fragte, was in ihrer Grabrede erzählt werden soll. Dazwischen gab er Tipps zu gesunder Lebensweise, zur körperlichen und seelischen Balance. Alles gut, alles nicht falsch – aber alles schon tausendmal gehört. Die Coaches applaudierten begeistert.

Das Leben ist nun mal kompliziert. Umso schöner, wenn einem in all den Irrungen und Wirrungen auch mal eine Schlange den richtigen Weg weisen kann. Oder ein Triathlet. Vor dieser Versuchung ist selbst ein Coach nicht sicher.

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