Wer hatte eigentlich ganz am Anfang den Einfall, dass Firmenweihnachtsfeiern zu etwas gut sind? Dieser Mensch muss Gastronom gewesen sein. Restaurants profitieren vom Firmenweihnachtsfeier-Trend wie verrückt.
Aber wer profitiert sonst? Na gut, okay: Tausende Personalabteilungen können jubeln. Denn wer weiß, wozu man die Peinlichkeiten irgendwann noch mal gebrauchen kann? Weihnachtsfeiern machen uns in Zukunft erpressbar.
„Chef, ich würde mit Ihnen gerne über mehr Gehalt sprechen. Äh - ist das so witzig?“
„Nein, entschuldigen Sie, Frau Stapper, aber immer wenn ich Sie sehe, muss ich lachen. Für mich sind und bleiben Sie Miss Weihnachtsfeier 2017. Zu schade, dass Sie sich nicht mehr erinnern können. Aber gucken Sie mal in Ihre Personalakte. Liest sich herrlich!“
Wie kommt es, dass wir die Risiken von Firmenweihnachtsfeiern nicht wittern? Macht uns das Fest der Nächstenliebe leichtgläubig? Ich denke nein. Die meisten sind da abgebrüht. Neulich sagte mir ein Freund: „Nächste Woche Donnerstag kann ich nicht. Da hab ich mit meinem Laden Weihnachtsfeier.“
„Hä? Übernächste Woche ist Pfingsten.“
„Ja, wir machen das immer im Frühling. Da kriegt man leichter Tische und es ist nicht so kalt beim Rauchen.“
Das ist ziemlich clever. Denn Feiern am Jahresende verführen zum Exzess. Weihnachtsfeiern läuten psychologisch betrachtet ja geradezu eine Endzeitstimmung ein: Danke für das zurück liegende Jahr, wir können stolz auf uns sein, der Erfolg der Firma ist unser gemeinsamer Erfolg, das wollen wir heute feiern. Mit anderen Worten: Es ist alles erledigt. Jetzt ist also eh alles egal. Das Büffet ist eröffnet. Prost!
Die Dos and Don‘ts auf der betrieblichen Weihnachtsfeier
Der lockere Rahmen der Weihnachtsfeier ist perfekt geeignet, um den Chef mal etwas unbefangener kennenzulernen und eventuell ein paar gemeinsame Hobbys aufzudecken. Gegenseitiges Interesse tut der Stimmung nicht nur während der Feier gut, sondern reicht auch bis in den Büroalltag hinein.
Quelle: Coach und Psychologin Irena Burkhard sowie Psychologe Reyk-Peter Klett
Wer sich den neuen Kollegen schnappt und mit allen anderen bekannt macht, kann davon auf verschiedenen Ebenen profitieren. Es vereinfacht nicht nur die Kommunikation im Team, sondern wird auch dem Chef auffallen und nimmt ihm eine Menge Arbeit ab.
Auf der Weihnachtsfeier kann endlich alles nachgeholt werden, was im Büroalltag oft keine Zeit findet. Dazu gehören zum Beispiel lockeres Plaudern und gemeinsames Anstoßen. Das schafft Nähe, stärkt den Teamgeist und beugt Missverständnissen bei der Arbeit vor.
Die eigene politische Meinung ist ein absolutes Tabu-Thema, denn auf der Weihnachtsfeier geht es darum, Spaß zu haben und den Teamgeist zu pushen. Auch private Probleme bleiben bitte zu Hause – sonst vergeht nicht nur einem selbst, sondern auch allen anderen die Feierlaune.
Eine Weihnachtsfeier bedeutet Lob und Anerkennung, die ruhig angenommen werden dürfen. Wer nicht erscheint, fällt negativ auf und zeigt Desinteresse am Unternehmen.
Klatsch und Tratsch gehören bei einer Weihnachtsfeier dazu und vertiefen die Beziehungen im Team. Aber nicht übertreiben – Lästereien sind fehl am Platz und stören den Bürofrieden.
Auch wenn die Weihnachtsfeier eine lockere Veranstaltung ist, handelt es sich dabei nach wie vor um ein Event vom Arbeitgeber. Das Outfit sollte weder zu freizügig noch zu leger gewählt werden. Also weder die Jogginghose noch das extrem kurze Minikleid sind angebracht. Ein Cocktailkleid darf es durchaus sein. Und auch Männer müssen nicht im Frack mit Fliege erscheinen – Hemd und Sakko wären hier die Empfehlung.
Verlagerte man die Weihnachtsfeiern auf den Januar (es muss ja nicht gleich Pfingsten sein) und würde man die Feiern etwa „Startschuss 2018“ nennen, dann wären sie keine Bilanz, sondern ein Aufbruch. Kein Grund also für Alkoholvergiftungen. Teamgeist statt Rudelsaufen. Aber Teambuilding ist im christlichen Abendland für die meisten eben nicht Anlass zum Feiern genug.
Trotzdem werden viele Kollegen jetzt wohl erwidern: „Was laberst du, Mann? Natürlich schweißt so ´ne Party vor Weihnachten uns zusammen, Mann!“
Und in der Tat trägt die klassische deutsche Firmenweihnachtsfeier zum Teambuilding bei - allerdings per Kollateralschaden. Auf Kosten Einzelner. Das einigende Motto: Wir anderen sind uns doch alle einig, dass wir uns niemals so gehen lassen dürfen.
Diese Anekdoten-Lieferanten gelten dann zwar als die Stars der Weihnachtsfeier, als Ikonen des guten Betriebsklimas. Aber wer will schon, dass die Belegschaft über einen selbst als eine ihrer Ikonen redet wie: „Als Thomas am Glühweinstand dem Chef die Unterhose von hinten aus dem Anzug bis zum Rücken hoch gezogen hat, war das 2014 oder 2015?“
Oder so ähnlich. Aber seien wir ehrlich: Die Qualität einer Weihnachtsfeier wird am darauf folgenden Montag in der Kaffeeküche genau an diesen kleinen Fauxpas gemessen.
Die folgenden Geschichten passieren so und ähnlich im Dezember doch in allen Winkeln Deutschlands (und sind so - zum Schutz der Betroffenen abgewandelt - passiert, wie ich selber erlebt habe oder mir von Freunden und Kollegen habe berichten lassen):
Da sind der aufstrebende Kai (30) aus Sales und der alte Hase Norbert (55) aus dem Einkauf, der das moderne Uni-Gewäsch des Sales-Bengels schon seit Monaten nicht mehr ertragen kann, und den jungen Kollegen zur Feier des Tages in den Weihnachtsbaum schubst, was dieser mit einem gezielten Schlag auf die Nase des „reaktionären Opas“ quittiert, worauf der im Suff 110 anruft.
Da sind der Ressortleiter Jürgen (44) und die Personalchefin Judith (42), die sich nach Espresso mit Amaretto und diversen Grappas innig küssen, während ihre Partner zuhause auf die Kinder aufpassen.
Die Öko-Frau Ulla (36) aus der Presseabteilung mit ihren legendären hochgeschlossenen Strickpullis, die erst noch ruft „wieso glaubt mir keiner, dass ich Tattoos habe“ und vor dem Geschäftsführer ihr Sweatshirt bis zum Nacken hochzieht, um ihm den Tiger zu zeigen, den sie sich vergangenen Herbst auf Ko Samui über das Arschgeweih hat stechen lassen.