Werner knallhart
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Vapiano: Früher schickimicki, heute irgendwie von gestern

Die Pizza- und Pastakette Vapiano schreibt rote Zahlen. Das mag irgendwie betriebswirtschaftliche Gründe haben. Unser Kolumnist aber glaubt: Die Vapiano-Idee hat sich einfach überlebt. So manche Kantine bietet mittlerweile mehr.

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Das Motto von Vapiano lautet: Chi va piano, va sano e va lontano“. Für eine deutsche Systemgastronomie-Kette ist das ein ganz schön langes italienisches Motto. Grob übersetzt heißt es: Wer langsam durchs Leben geht, geht gesund und weit.

Und in der Tat kommt einem das Leben bei Vapiano sehr langsam vor. Aber finden die Kunden das gut?

Schauen wir kurz auf die Fakten: Das Geschäft von Vapiano schwächelt. Unter dem Strich ist die Kette mit ihren weltweit rund 220 Filialen in die roten Zahlen geschliddert. Besonders schlecht läuft es in Schweden.

Und als halber Schwede möchte ich behaupten: kein Wunder! Denn die Schweden sind sehr trendbewusste Leute. Sie machen gerne mit, was gerade hip ist. Wer mitmacht, gehört dazu: Jeanslänge, Frisuren, Essgewohnheiten. Moden gehen wie Wellen über das Land. Der schwedische Markt ist sozusagen der Elchtest für Vapiano: Sind wir noch auf der Höhe der Zeit? Wohlmöglich sind die Schweden da nicht ganz überzeugt.

Aber auch mit dem deutschen Anteil in mir bilde ich mir ein zu merken: Vapiano ist so was von Nullerjahre. Ich war vergangenes Wochenende zum ersten Mal seit Jahren wieder da. Rein beruflich – für diese Kolumne. Mit einem WiWo-Kollegen. Und diesen Besuch setze ich echt von der Steuer ab. Denn das war wirklich weder privat noch ein Vergnügen für uns. Erlauben Sie mir nach meiner neuen Erfahrung eine Analyse: Ist Vapiano fit für die 20er-Jahre? Nun, ich möchte es mal so ausdrücken:

Nein.

Denn: All die Sperenzien, die den Besuch schon immer zu einem recht ungemütlichen Gerenne, Gewarte und Rumgestehe gemacht haben, sind heute wirklich nichts Besonderes mehr. Die Zumutungen überwiegen. Das sage ich jetzt für mich persönlich und gestatte jedem, es anders zu sehen. Aber an irgendwas muss es ja liegen, dass Vapiano nicht mehr so kann, wie es will…

Das Vapiano-Konzept ist ja zunächst einmal Selbstbedienung. Das funktioniert so auch bei McDonald's und Starbucks. Kein Ding. Aber: Bei Vapiano muss man sich etliche Male anstellen. An verschiedenen Fenstern holt sich der Gast das Essen seiner Wahl ab. Am Pasta-Fenster, am Pizza-Fenster, an der Salattheke, Getränke zum Teil direkt am jeweiligen Schalter, zum Teil an der Bar. Für die Pizza bekommt man ein Gerät, das vibriert, wenn sie fertig ist.

Und das dauert alles! Da stehen dann sechs Leute vor mir an der Salattheke und in fünf Minuten werden nur zwei von denen bedient. Weil anders als etwa bei der ebenfalls deutschen Salatthekenkette Dean & David die Salatangebote nicht über den Köpfen der Angestellten hinten an der Wand abgebildet sind, sondern nur auf Speisekarten an den Theken nachzulesen sind, fangen viele Kunden eben erst an, über ihre Auswahl nachzudenken, wenn sie dran sind und die Karte in die Hand bekommen. Und die anderen stehen sich in ihren Winterjacken die Beine in den leeren Bauch.

Vapiano-Filiale Hamburg Quelle: imago images

Ich habe schließlich nach über sieben Minuten Stillstand aufgegeben und mich neu angestellt. Diesmal an der Pastatheke. Mein Kollege wollte Pizza. „Wir sehen uns.“

Also wählte ich: die ganz neuen Nudeln aus Zucchini. Die Zoodles. „Hamwa nicht heute.“
Dann halt Dinkel-Fusilli. „Hammwa auch nicht. Nur das, was im Regal steht.“
Also dann eben Dinkel-Spaghetti. Meinem Wunsch „Den Räucherlachs bitte nicht ganz durchbraten“ konnte leider nicht entsprochen werden, er brutzelte vor meinen Augen im Fett, bis er braun wurde, denn parallel wurde schon die Familie hinter mir bedient: „Was wollen Sie?“
Die Familie wollte unter anderem Pasta für Kinder und Apfelschorle.

Ich wollte ein alkoholfreies Bier und ein Glas Weißwein. „Das Bier könnse hier haben, aber Wein nur an der Bar.“
„Aha.“
Dann wieder für hinter mir: „Und was wollten Sie nochmal trinken?“
„Ap!Fel!Schor!Le!“

Wer in der Gruppe loszieht, sieht einander erstmal eine Zeitlang nicht wieder. Zum Glück gibt es WhatsApp. Man bleibt in Kontakt. Größter Vapiano-Nachteil seit jeher: Das, was beim Kochen von unterschiedlichen Gerichten die große Kunst ist, nämlich dass alles für alle gleichzeitig fertig wird, Pizza, Salat, Pasta, Getränke. Das klappt bei anderen Fastfoodketten viel besser als bei Vapiano. Bei Vapiano klappt es nämlich gar nicht.

Gemeinsam an einem Tisch sitzen und essen, wie es in Italien ja nun wunderbare Tradition und Lebensart ist, ist bei Vapiano nicht vorgesehen und nur zufällig möglich.

Wie hippe Foodcourts in alten Markthallen

Als ich meine Nudeln fast aufgegessen hatte („Fang an, sonst wird es ja kalt“), vibrierte bei meinem Kollegen die Pizza-Disk. Und er wetzte los. Dann kam er mit seinem Abendessen zurück: „Geil! Auf der Theke standen vier Pizzen rum. Und erst wusste keiner, für wen welche war.“

„Hmm“, ich wischte mir mit der Serviette über den Mund. Also, ich war satt: „Guten Appetit.“

Und jetzt kommt´s! Bitte suchen Sie sich festen Halt. Denn natürlich könnte jeder Vapiano-Fan einwenden: Auf jedem dieser hippen Foodcourts in alten Kreuzberger Markthallen oder im Dachgeschoss eines Einkaufszentrums in Bielefeld, auf jedem Foodmarket zusammengestellt aus schwarz lackierten Oldtimerlieferwagen mit großem Seitenfenster und Menükarten im Kreidetafellook – überall dort läuft es doch nicht anders. Jeder pickt sich seine leckeren sieben Sachen zusammen und man trifft sich an einem vorher ausgemachten Tisch.

Und genau das ist es! Das ist der Grund, warum Vapiano mit seinem aktuellen Konzept aus meiner Sicht seine beste Zeit hinter sich hat. Denn auf einem Foodcourt oder auf einem Foodmarket bietet jeder an seinem Verkaufsstand genau das an, was er am besten kann. In jedem alten Bulli steht ein Experte, der mit Herzblut seine Spezialität verkauft: Käsefondue aus Holland hier, türkisch-spanisch-koreanische Fusion-Tapas dort, Craftbeer mit Tannenharzaroma aus Hildesheim da hinten, Fallobst-Applecrumble mit veganer Hafermilcheiscreme da vorne. Um sich hier die Lieblingsgerichte auszusuchen, MUSS man ja von hier nach da nach dort wandern. Da ist laufen, suchen, warten, tragen, telefonieren einfach Programm.

Aber bei Vapiano? Die haben da Pizza, Nudeln und Salat. Das gibt es in jedem italienischen Restaurant. Nur dort kommt alles gemeinsam auf den Tisch. Das Vapiano-Konzept mit dem auf Markthalle gemachten Schnickschnack bringt deshalb keinen Vorteil. Die Macher von Vapiano werden hier sicher widersprechen. Aber die einzelnen Stände sind eben keine Spezialitätenstände, an denen der Milchbauer, der Käserei-Inhaber, die Imkerin, die Kaffeerösterin ihre eigenen Produkte verkaufen. Vapiano ist einfach ein umständliches Restaurant mit freundlicher Optik, in dem die Gäste die Arbeit von Kellnern machen. Und alles läuft chaotischer als etwa bei McDonald's, wo alles auf einem Tablett rauskommt.

Welche Kette macht die beste Pizza?

All die Töpfe mit Basilikum, der Olivenbaum und die italienischen Texte an der Wand täuschen nicht darüber hinweg: Va piano (gehe langsam) geht auf Kosten der Gemütlichkeit, der Geselligkeit, des Genusses. Ob die Chefs von Vapiano bei internen Treffen hinter verschlossenen Türen wirklich zueinander sagen: „Pizza und Pasta von uns schmecken besser als der Durchschnitt“? Mein Kollege und ich als Testesser würden sagen: Für eine Kette, die sich auf Pizza und Pasta spezialisiert hat, war das Essen auffällig unspektakulärer Standard – und zu wenig für den ganzen Aufwand.

Und Olivenbäumchen und Kräutertöpfe finden wir Deutschen heute selbst in unseren Kantinen, in denen wir mit unserem Tablett wie bei Vapiano von der Pastastation zur Salatgondel tingeln. Einziger Unterschied: Es gibt keinen Alkohol und man bezahlt in der Kantine vorm Essen.

Insofern ist das seit langem nicht mehr innovative Vapiano-Buchungskartensystem ein wichtiges Unterscheidungskriterium. Man zahlt das auf der Karte gesammelt gebuchte Essen am Ausgang beim Gehen. Früher hui, heute in Zeiten von Google Pay und Apple Pay nichts Dolles mehr.

Auf der Vapiano-Website bewirbt das Unternehmen seine App. Als Teil der Vapiano-People-Community kann man dank der App die Gerichte vom Tisch aus bestellen. Soso! Zweifelt da jemand am eigenen Konzept des Rennens und Wartens? Als besonderer Service für die Stammkundschaft:
„Getränke und Dolci von der Bar kannst Du dir sogar an den Tisch bringen lassen.“ Siehe da: Vapiano hat erkannt, was selbst junge Kunden wünschen. Weniger Stress. Wer sich (zumindest mit Kleinigkeiten) gemütlich direkt am Tisch versorgen lassen will, braucht bei Vapiano allerdings eine App.

Wem das alles zu umständlich erscheint, dem empfehle ich den Italiener um die Ecke.

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