Aktienmärkte unter Druck Darum müssen Anleger mit weiteren Verlusten rechnen

Quelle: dpa

Die Aktienkurse schwächeln, viele Anleger fragen sich, wann der Boden erreicht ist. Eine Auswertung von Börsenindikatoren zeigt: Es dürfte weiter abwärts gehen.

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Für Anleger verläuft das Jahr 2022 bisher alles andere als erfreulich. Wo eine Post-Corona-Erholung die Aktienkurse hätte in die Höhe treiben sollen, regieren nun Krieg, Inflation, Zinsangst und Lieferkettenchaos. Die Folge: Börsenbarometer wie der Dax, der US-amerikanische S&P 500 und der Weltaktienindex MSCI World liegen seit Jahresbeginn deutlich im Minus.

Ist der Boden schon erreicht? Oder fallen die Kurse noch tiefer? Makroökonomische Entwicklungen wie das vielerorts schwächelnde Wirtschaftswachstum sind schwer zu deuten. Denn es ist unklar, wie stark sie bereits in die Aktienkurse eingepreist sind. Doch um die Lage an den Märkten einzuschätzen, kann man noch andere Hilfsmittel heranziehen. Stimmungs- und technische Indikatoren liefern Hinweise darauf, wie es jetzt um die Börsen bestellt ist – und ob Anleger die gefallenen Kurse schon zum Einstieg nutzen sollten.

Eine Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gibt einen Hinweis auf die Stimmung am Markt. Das Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut befragt jeden Monat rund 300 Expertinnen und Experten von Banken, Versicherern und Unternehmen nach ihrer Meinung zur Wirtschaftsentwicklung. Die Ergebnisse von April sind ernüchternd: Die Stimmung unter Anlageprofis hat sich im vergangenen Monat gegenüber März noch einmal deutlich verschlechtert.

von Martin Gerth, Matthias Hohensee

Die Befragten gehen mehrheitlich davon aus, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland miserabel ist und sich weiter eintrüben wird. Sie halten sogar eine Rezession für wahrscheinlich. Auch für China und die USA zeigen sie sich pessimistisch. Lediglich bei der Inflationserwartung gaben sich die Befragten im April etwas zuversichtlicher: Weniger von ihnen rechneten damit, dass die Teuerung weiter steigt.

Zinswende bedroht Techaktien

Für Aktienanleger sind die eingetrübten Konjunkturerwartungen ein Warnsignal. Auch die Annahmen zur Inflation sind eher nachteilig: Die Teilnehmer der ZEW-Umfrage sehen die Inflationsentwicklung entspannter, weil sie mit steigenden Zinsen in den USA und in der Eurozone rechnen. Diese Entwicklung dürfte aber einzelne Segmente des Aktienmarkts weiter belasten. So hat die angelaufene Zinswende in den Vereinigten Staaten bereits die Kurse von US-Techaktien abstürzen lassen.

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Ein weiterer Stimmungsindikator mahnt ebenfalls zur Vorsicht: der Fear & Greed Index von CNN Business. Er zeigt an, ob Anleger eher ängstlich oder eher gierig sind, ob sie bei Aktien bedenkenlos zugreifen oder in risikoärmere Anlagen flüchten. Der Index kombiniert sieben Kennzahlen, darunter die Schwankungsbreite der Aktienkurse, die Nachfrage nach Anleihen und das Verhältnis zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen am Aktienmarkt.

Dem Index zufolge sind Anleger zurzeit weit davon entfernt, die gefallenen Aktienkurse zum Einstieg oder Nachkaufen zu nutzen – er steht klar auf „ängstlich“. Der ungünstigste Indexstand, „extreme fear“, ist nicht weit entfernt. Kein Wunder: Gleich mehrere der Komponenten, aus denen sich der CNN-Index zusammensetzt, zeichnen ein düsteres Bild. So notiert etwa der S&P 500 rund neun Prozent unter seinem 125-Tage-Durchschnitt.

Aktien entwickeln sich zwar momentan besser als Anleihen – eine Entwicklung, die den Index ein Stück weit stützt. Das liegt allerdings weniger daran, dass sich die Aktienkurse zuletzt gut entwickelt hätten (das haben sie nicht), und mehr daran, dass die steigenden Zinsen in den USA und die anstehende Zinswende in Europa die Kurse vieler Anleihen haben abstürzen lassen. Die sicheren Häfen bieten keinen Schutz mehr. Das macht die Brecher auf hoher See nicht weniger gefährlich.

Ein Grund für die Zurückhaltung der Anleger dürfte sein, dass viele Aktien trotz der jüngsten Korrektur noch immer teuer sind. Darauf deutet jedenfalls der Buffett-Indikator hin, benannt nach Star-Investor Warren Buffett. Er errechnet sich aus dem Wert der öffentlich gehandelten Aktien eines Landes geteilt durch das Bruttoinlandsprodukt.

Im Idealfall halten sich Marktkapitalisierung und Wirtschaftsleistung die Waage. Ist die Marktkapitalisierung größer als der Wert der Gesamtproduktion und steht der Indikator deshalb bei einem Prozentwert von über hundert, deutet das auf Überbewertungen hin.

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Keine Trendwende in Sicht

Aktuell steht der Buffett-Indikator für die USA bei 179 Prozent. Trotz eines kräftigen Rückgangs seit dem Allzeithoch zu Jahresbeginn ist der Wert sowohl absolut als auch im historischen Vergleich immer noch sehr hoch. Das deutet darauf hin, dass die Korrektur an den Aktienmärkten womöglich noch nicht abgeschlossen ist.

Für weiter fallende Kurse steht auch ein technischer Indikator. Die Advance/Decline-Linie zeigt in Form einer Zeitreihe die kumulierte tägliche Differenz zwischen fallenden und steigenden Aktien in einem Markt. Zeigt die Linie nach oben, gibt es mehr steigende als fallende Titel – und umgekehrt. Interessant ist die A/D-Linie, wenn man sie in Bezug zum dazugehörigen Aktienindex setzt.

Steigt die Linie, während der Index fällt, wird dieser bald nach oben drehen. Zeigt der Index aufwärts, während die Linie mehr fallende als steigende Aktien anzeigt, ist ein Knick nach unten zu erwarten. Derzeit sieht es demnach düster aus: Der A/D-Linie zufolge ist keine Markterholung in Sicht. Beim S&P 500, dem Nasdaq 100, dem FTSE All Share und dem Dax gehen die Linien gemeinsam mit den Indizes selbst nach unten.

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Zwar können Positivnachrichten die Aktienkurse immer wieder kurzzeitig nach oben treiben. Das Gesamtbild aber ist trübe. Wer in Aktien investiert ist, muss wohl erst einmal mit weiteren Verlusten rechnen. Und wer auf eine Chance zum Einstieg wartet, könnte gut daran tun, noch etwas länger zu warten.

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