




Den „Traumschiff“-Anlegern steht das Wasser bis zum Hals: 50 Millionen Euro haben sie der Beteiligungsgesellschaft der MS Deutschland über eine Anleihe geborgt, als Sicherheit wurde ihnen das Schiff versprochen. 100 Millionen Dollar sei das wert, hieß es vor zwei Jahren. Heute ist die Gesellschaft insolvent, das Schiff kaum für 100 Millionen zu verkaufen, und zu allem Überfluss ist sich der vorläufige Insolvenzverwalter auch noch sicher: Das Schiff wurde nicht wirksam als Sicherheit für die Anleihegläubiger bestellt, es gehört ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht.
Für „Traumschiff“-Anleger kein Trost, aber: Sie sind nicht allein. Immer wieder ködern Emittenten von Mittelstandsanleihen Anleger mit trügerischen Sicherheiten.
Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt einmal jährlich im Auftrag von pro aurum die Deutschen nach ihren Anlagestrategien. Hier die Ergebnisse vom Juni 2015 - im Vergleich zu den Vorjahren. Zuerst wurden den Bürgern fünf Geldanlagen genannt, mit der Bitte, anzugeben, welche davon aus ihrer Sicht derzeit am besten als langfristige Geldanlage mit mindestens drei Jahren Laufzeit geeignet ist.
Gold platziert sich zum fünften Mal in Folge an erster Stelle, diesmal allerdings deutlicher vor Aktien, die seit 2011 Zuwächse erzielten, aber aktuell in der Anlegergunst gesunken sind: 30 Prozent der Bürger würden sich heute für Gold entscheiden, weil sie vermuten, dass diese Anlage nach mindestens drei Jahren Laufzeit im Vergleich zu den vier anderen Geldanlagen den meisten Gewinn bringt. Gold konnte somit um zwei Prozentpunkte zulegen.
Nur noch 23 Prozent halten Aktien für besonders lukrativ, wenn es um langfristige Geldanlagen geht. Im Vorjahr hatte dieser Wert mit 27 Prozent offenbar einen Gipfel erreicht.
Es folgen Fondsanteile mit zwölf Prozent. Fonds sind in der Gunst der Anleger wieder leicht gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 hatte dieser Wert mit 13 Prozent noch ein Hoch erreicht, war aber 2014 auf elf Prozent zurückgefallen.
Fest- beziehungsweise Termingeld hielten sieben Prozent der Befragten für die lukrativste langfristige Geldanlage. Seit 2011 ist diese Anlageklasse deutlich ins Hintertreffen geraten, damals glaubten noch 22 Prozent der Befragten, Termin- und Festgelder würden auf drei Jahre betrachtet den meisten Gewinn abwerfen.
Drei Prozent nannten Anleihen als aussichtsreichste Anlageklasse, im Vorjahr waren es nur zwei Prozent. Anleihen spielen somit für Privatanleger praktisch keine Rolle. Ernüchternd: Knapp jeder vierte Bürger (24 Prozent) kann nicht sagen, welche dieser Anlagen am besten geeignet wäre, um langfristig möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Angaben "weiß nicht" oder "keine davon" kamen bereits in den Vorjahren ähnlich häufig vor.
Aktuell bangen Anleihekäufer des Elektrogroßhändlers Penell um fünf Millionen Euro. Als Sicherheit dient ihnen das Kupferkabel-Lager des Unternehmens. Doch eine Überprüfung der Bestände, so Penell, habe ergeben, dass die Kabel nicht, wie behauptet, neun Millionen Euro, sondern deutlich weniger wert seien. Die Ratingagentur Feri hat die Anleihe auf CC („höchstes Ausfallrisiko“) herabgestuft. Die Wertberichtigung bedrohe das Eigenkapital und signalisiere ein „gestiegenes Verlustrisiko“ für Anleger.
Bei Penell soll der Sicherheiten-Treuhänder, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Alarm geschlagen haben. Derartige Treuhänder oder Kontrolleure der Mittelverwendung sollen überwachen, ob Unternehmen Anlegergeld wie im Prospekt versprochen ausgeben. Oft fließt das Geld der Anleger auf ein Sonderkonto, der Treuhänder soll es nur freigeben, wenn wie geplant investiert wird. Doch längst nicht immer sind die Treuhand- und Sicherheiten-Konstrukte so wasserdicht wie beim Verkauf der Anleihe behauptet.
Die Kanzlei Keitel & Keitel geht aktuell gegen einen Anwalt vor, der die Mittelverwendung bei einer Anleihe der Immobiliengesellschaft WGF kontrollieren sollte. In deren Anleiheprospekt hieß es, dass mindestens 60 Prozent der Immobilien im Portfolio Wohnungen sein sollten. Gewerbliche Mieter, die auch mal pleitegehen können, sollten in der Minderheit sein.
Die größten Fehler der Anleger
„Die Neigung, Risiken einzugehen, ist mit zwei demografischen Faktoren verbunden: Geschlecht und Alter. Frauen sind normalerweise vorsichtiger als Männer und ältere Menschen sind weniger bereit, Risiken einzugehen, als jüngere Leute. Die Konsequenzen der Verhaltensökonomik für Anleger sind klar: Wie wir uns bei der Geldanlage entscheiden und wie wir uns bei der Verwaltung unserer Anlage entscheiden, hängt sehr davon ab, wie wir über Geld denken. [...] Sie demonstriert, dass Marktwerte nicht ausschließlich von den gesammelten Informationen bestimmt werden, sondern auch davon, wie menschliche Wesen diese Informationen verarbeiten.“
„An sich ist Zuversicht ja keine schlechte Sache. Aber übertriebene Zuversicht ist etwas ganz anderes, und sie kann besonders im Umgang mit unseren Finanzangelegenheiten Schaden anrichten. Übertrieben zuversichtliche Anleger treffen nicht nur für sich selbst dumme Entscheidungen, sondern diese wirken sich auch sehr stark auf den Mark als Ganzes aus.“
„Menschen [legen] zu viel Wert auf wenige mehr oder wenige zufällige Ereignisse [...] und meinen, sie würden darin einen Trend erkennen. Insbesondere sind Anleger tendenziell auf die neuesten Informationen fixiert, die sie bekommen haben, und ziehen daraus Schlüsse. So wird der letzte Ergebnisbericht in ihrem Denken zum Signal für künftige Gewinne. Und da sie meinen, sie würden etwas sehen, das andere nicht sehen, treffen sie dann aufgrund oberflächlicher Überlegungen schnelle Entscheidungen.“
„Der Schmerz durch einen Verlust [ist] viel größer als die Freude über einen Gewinn. Bei einer 50:50-Wette, bei der die Chancen exakt gleich sind, riskieren die meisten Menschen nur dann etwas, wenn der potenzielle Gewinn doppelt so groß ist wie der potenzielle Verlust. Das nennt man asymmetrische Verlustaversion. [...] Auf den Aktienmarkt bezogen bedeutet dies, dass sich die Menschen beim Verlust von Geld doppelt so schlecht fühlen, wie sie sich gut fühlen, wenn sie einen Gewinn erzielen. Diese Abneigung gegen Verluste macht Anleger übertrieben vorsichtig, und das hat einen hohen Preis. [...] Wir wollen alle glauben, wir hätten gute Entscheidungen getroffen, und deshalb hängen wir zu lange an schlechten Entscheidungen, in der vagen Hoffnung, die Dinge werden sich noch wenden.“
„Wir neigen dazu, das Geld geistig auf verschiedene ‚Konten‘ zu buchen, und dies bestimmt, wie wir es verwenden. [...] Zudem wurde die geistige Buchhaltung als Grund angeführt, weshalb Menschen schlecht laufende Aktien nicht verkaufen: In ihren Augen wird der Verlust erst real, wenn sie ihn realisieren.“
Quelle: Robert G. Hagstrom, „Warren Buffett. Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie.“, Börsenbuchverlag 2011.
Anleger gingen davon aus, dass der Kontrolleur, Anwalt Ferdinand Dahlmanns, ihr Geld nur freigibt, wenn die 60-Prozent-Vorgabe eingehalten wird. Keitel wirft ihm nun vor, dass deutlich über 90 Prozent der Fläche als Gewerbefläche ausgewiesen war. Da WGF in die Insolvenz schlitterte, fordert Anwalt Hans-Georg Keitel für Anleger nun Schadensersatz – ihr Geld könnte, wenn der Kontrolleur es nicht freigegeben hätte, noch auf dem Sonderkonto sein.
Dahlmanns argumentiert, dass er „nur zum Zeitpunkt des Ankaufs“ die Möglichkeit der Kontrolle gehabt habe. Da hätten die Zahlen gestimmt. Vertraglich sei vereinbart gewesen, dass der WGF-Vorstand schriftlich bestätige, dass mindestens 60 Prozent der Immobilienfläche als Wohnung genutzt werde. Das habe der getan. „Ich musste mich auf die Bestätigung des Vorstands verlassen“, sagt Dahlmanns. Zumindest später veröffentlichte WGF-Zahlen deuteten auf die regelwidrige Quote hin. Ob der Konzern später Wohnungen verkauft hat, wie Dahlmanns sagt, und so die Quote sank, wollte WGF nicht sagen.
Formal hat der Kontrolleur seinen Job getan: Im Prospekt steht, WGF müsse dem Kontrolleur schriftlich bestätigen, dass die Investitionskriterien eingehalten wurden.