Wichtig: Die Avancen der meisten Aufkäufer sind aktuell nicht spekulativ getrieben, Anleger investieren also nicht in eine Blase. "Die derzeit laufenden Übernahmen entspringen nahezu alle einer industriellen Logik, um die Wertschöpfung zu verbessern", sagt Ulmer.
Mit knapp 59 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten 2012 liegt das Volumen an angekündigten Übernahmen in Deutschland zehn Prozent höher als 2011 und auf dem höchsten Niveau seit 2009. Große Übernahmen sind der Kauf von 50,1 Prozent an Porsche durch VW für umgerechnet 8,8 Milliarden Dollar und der ankündigte Einstieg der Telekom bei der amerikanischen MetroPCS. Zwei Ligen darunter will die niederländische Technologie-Holding THK den Münchner Konkurrenten Augusta schlucken, und die Luxemburger Redline Management Capital versuchte gerade, den Online-Kunsthändler Artnet feindlich zu übernehmen. Freundlich erwarb vor gut einer Woche der Regensburger Immobilienunternehmer Johann Vielberth zehn Prozent am Computerhändler Cancom – da könnte kurssteigernd noch mehr gehen.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Keine Gewinne im Wildwest-Segment
Doch auch bei vielen mittelständischen Industrieunternehmen sind für Anleger lukrative Gewinne nach Übernahmen drin. So hat sich der Kurs des Kranbauers Demag seit 2009 mehr als vervierfacht, nachdem US-Wettbewerber Terex sukzessive 82 Prozent der Aktien eingesammelt hat. Zuletzt boten die Amerikaner 45,50 Euro je Demag-Aktie, der Kurs jedoch notiert um gut zehn Prozent über dem Angebot, weil der gefürchtete Londoner Hedgefonds Elliott gegen die Offerte vor Gericht gezogen ist, um mehr Geld herauszuschlagen.
Elliott hält 12,7 Prozent an Demag. Sollten sich Terex und Elliott auf eine höhere Abfindung einigen, hätten Privataktionäre in diesem speziellen Fall möglicherweise nichts davon. Denn Demag hat kürzlich das regulierte Börsensegment verlassen und ist in das Wildwest-Segment Entry Standard mit schlaffen Regeln gewechselt. Dort müssen Unternehmen nicht alle Aktionäre gleich behandeln. Ein Trost aber bleibt: Alle Aktionäre erhalten zukünftig jedes Jahr 3,33 Euro je Aktie, zumindest bis 2017. Erst dann kann ein Beherrschungsvertrag, den Terex und Demag dieses Jahr geschlossen haben, erstmals gekündigt werden.
Höchste Chancen in der ersten Phase
Grundsätzlich läuft eine Übernahme in vier Phasen ab, die unterschiedlich hohe Kursgewinne für Aktionäre versprechen.
In der ersten Phase erwirbt ein Aktionär einen wesentlichen, aber nicht dominierenden Anteil. Ab einem Anteil von drei Prozent am Unternehmen ist ein Käufer erstmals verpflichtet, seine Beteiligung zu melden. Die weiteren Schwellen sind 5, 10, 15, 20, 25, 50 und 75 Prozent. Zudem sind Derivate, über die später Aktien erworben werden können, ebenfalls meldepflichtig, ab einer Schwelle von fünf Prozent. In der Phase des Ersteinstiegs eines potenziellen Aufkäufers sind generell die Chancen auf hohe Kurssteigerungen am höchsten einzuschätzen. "Privatanleger können beobachten, wann und zu welchem Preis größere Aktionäre einsteigen, aufstocken oder bestimmte Schwellen überschreiten und sich dann entscheiden, mitzuziehen oder eventuell bei höheren Kursen im Übernahmeprozess auch auszusteigen", sagt Ulmer von Allen & Overy.