Dax-Check Wo sich Chancen und Risiken die Waage halten
Große Kurssprünge sind bei diesen Aktien meist nicht zu erwarten. Bei welchen Unternehmen Anleger vor allem abwarten und beobachten sollten.
Adidas
Stramme Hintern versprach die Adidas-Tochter Reebok mit „Easytone“-Schuhen. Knackig waren jedoch nur die Models, die für „Easytone“ warben. Die US-Verbraucherschutzbehörde mahnte Reebok wegen irreführender Werbung ab. Für Adidas war es ein peinlicher PR-Unfall. Zumindest die Zahlen sprachen zuletzt für den Sportartikelhersteller: Bis Ende des dritten Quartals legte der Umsatz weltweit um 14 Prozent, das Betriebsergebnis um 12 Prozent zu. Vorstandschef Herbert Hainer verspricht fürs kommende Jahr 10 bis 15 Prozent mehr Gewinn je Aktie. Für positive Überraschungen bleibt da kaum noch Raum.
Der Hype um die Fußball-EM in der Ukraine und Polen sowie die Olympischen Spiele in London sind schon im Kurs enthalten. Zusätzliche Fantasie könnte allenfalls das wachsende Outdoor-Geschäft bringen. Adidas will bis 2015 den Umsatz in diesem Segment von 200 auf 500 Millionen Euro steigern. Dazu kauften die Franken den US-Outdoor-Ausrüster Five Ten für 19 Millionen Euro. Der bescheidene Zukauf schont zwar die Unternehmenskasse, ist jedoch zu klein, um das angestrebte Umsatzziel zu erreichen.
Größtes Fragezeichen hinter Adidas Erfolgsaussichten war bisher der krisenbedingt lustlose Konsum in Europa und den USA. Das Bild hat sich zuletzt wieder aufgehellt: Das US-Konsum-Barometer von Reuters und der Index der Uni Michigan stiegen im Dezember auf den höchsten Stand seit Mitte des Jahres. In China dagegen, dem wichtigsten Wachstumsmarkt für Adidas, flaut der Boom ab. UBS erwartet nur noch 7,7 Prozent Wachstum im ersten Quartal 2012, zu Beginn dieses Jahres wuchs Chinas Wirtschaft noch um 9,7 Prozent. Angesichts der Konjunkturrisiken ist Adidas mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13,0 (2012) nicht günstig, wenn auch preiswerter als Konkurrent Nike mit einem KGV von 18,8.
Bayer
Noch mal gut gegangen. Die Verhütungspillen Yaz und Yasmin dürfen in den USA weiter vermarktet werden, nur auf den Verpackungen muss Bayer klarer auf Thromboserisiken hinweisen. Wenn es aber doch zur Thrombose kommt, hat Bayer nun mit Xarelto gar das passende Gegenmittel auf dem Markt. Sollte sich das neue Thrombosemittel durchsetzen und sollten Rückschläge bei Medikamenten ausbleiben, wird der Teilkonzern Bayer Healthcare (50 Prozent des Umsatzes) zur wichtigsten Stütze – auch mit Blick auf die im Branchenvergleich überdurchschnittlich bestückte Medikamentenpipeline.
Das Agrargeschäft von Bayer gilt als relativ margenschwach, wie sich das ändern soll, ist noch nicht erkennbar, zumal bei Saatgut jetzt hohe Forschungsaufwendungen anstehen. Der zyklische Teilkonzern Bayer Material Science (hochwertige Kunststoffe, 30 Prozent Umsatzanteil) muss mit stärkerem konjunkturellem Gegenwind klarkommen. Große Sprünge wird der Kurs deshalb nicht machen.
Im günstigsten Fall sollte die Bayer-Aktie in einer breiten Spanne zwischen 60 und gut 33 Euro seitwärts laufen. Laufen die Bereiche schlechter als gedacht, dann wäre auch ein neuer langfristiger Abwärtstrend denkbar.
Beiersdorf
Der Nivea-Konzern wird von großen Konkurrenten wie Procter & Gamble und L’Oréal angegriffen, andererseits erhöht der Einzelhandel, dessen Verhandlungsposition durch die starke Branchenkonzentration immer weiter gewachsen ist, den Preisdruck auf Markenartikler und schickt immer mehr Eigenmarken in immer schnellerer Folge ins Rennen. Das drückt auf die Margen. Zudem ist die China-Strategie von Beiersdorf gescheitert. Das Abenteuer im Reich der Mitte ist aber weitgehend abgeschrieben. Die 2007 gekaufte Haarpflegemarke C-Bons steht nur noch mit gut 80 Millionen Euro in der ansonsten hochsoliden Bilanz. Beiersdorf sitzt auf einer Nettoliquidität von gut zwei Milliarden Euro.
Die Beiersdorf-Probleme wirken somit eher wie Klagen auf hohem Niveau. Das sind nicht die schlechtesten Startbedingungen für den zukünftigen Vorstandschef Stefan F. Heidenreich, der von April an die Nachfolge von Thomas B. Quaas antritt. Zumal ihm die undankbare Aufgabe, Stellenstreichungen anzukündigen, schon sein Vorgänger Quaas abgenommen hat.
Die Aktie wird vermutlich keine großen Kurssprünge machen, aber wegen des vergleichsweise defensiven Charakters des Geschäfts erscheint das Risiko recht überschaubar. Eine Seitwärtsbewegung in einer Kursspanne zwischen 45 und 33 Euro ist wahrscheinlich.
Deutsche Börse
Rund 97 Prozent der Aktien haben Anleger in die für die Fusion zwischen Deutscher Börse und Nyse Euronext gegründete Holding getauscht. Für sie gibt es bei erfolgreicher Fusion zwei Euro Sonderdividende. Wer nicht getauscht hat, geht leer aus, trotzdem notiert die alte Börsenaktie etwas höher als die neue Aktie im Dax. Anleger setzen hier auf einen lukrativen Squeeze-Out. Noch hat der Markt kein Scheitern der Fusion eingerechnet, aber so unwahrscheinlich ist das nicht.
Die EU-Kommission will, dass die Partner eine Terminbörse verkaufen. Ihnen gingen dann Synergien verloren, die Fusion macht aus ihrer Sicht dann keinen Sinn. Platzt der Deal, könnten die Aktien der Börse, nach einem ersten Schock, durchaus wieder an Wert gewinnen, denn Deutsche-Börse-Aktionäre haben ihre Aktien zu günstig in die neue Holding eingebracht. Mit ihrem gesunden Mix aus Aktien-, Terminmarkt und Verwahrungsgeschäft (Clearstream) könnten die Frankfurter sich durchaus weiter allein behaupten. Die Börse verdient immer gut, wenn die Märkte heftig schwanken – und das werden sie, so viel ist sicher.
E.On
Fast 35 Milliarden Euro beträgt die Nettoverschuldung des Düsseldorfer Energiekonzerns. Angehäuft wurde sie durch teure Unternehmenskäufe, vor allem in Spanien und Italien. Jetzt entpuppt sich die Stromnachfrage in den Krisenstaaten als geringer als erwartet, die Bewertungen der Töchter müssen korrigiert werden. Das drückte E.On zum ersten Mal seit Gründung im Jahr 2000, dem Zusammenschluss aus Veba und Viag, netto in die roten Zahlen.
Dennoch will E.On je Aktie 2012 einen Euro Dividende zahlen, um Aktionäre bei der Stange zu halten. Das ist mutig, denn der Riese steht vor einem schwierigen Schaltjahr. Er muss nicht nur zügig Schulden abbauen (etwa durch Erlöse aus dem Verkauf seines Gasleitungsnetzes), sondern auch operativ, nach der Abkehr von der Atomenergie, neue Wachstumsquellen erschließen.
In Europa dürfte die Stromproduktion langfristig nur noch um 0,5 Prozent pro Jahr wachsen. Dass E.On sich jetzt trotz klammer Finanzen um den Einstieg beim portugiesischen Versorger EDP bemüht, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch: EDP ist führend bei alternativen Energien und gut im Wachstumsmarkt Brasilien vertreten. E.On dürfte eher vorsichtig bieten, die Zeiten großspuriger Expansion sind vorbei. Geht die Entschuldung voran und stabilisieren sich die Einnahmen aus dem laufenden Geschäft, ist die Aktie ein spekulativer Kauf. Das könnte noch im ersten Halbjahr 2012 der Fall sein.
Infineon
Infineon bekommt keine Lungenentzündung mehr, wenn die Weltkonjunktur einen Schnupfen hat, so wie noch vor wenigen Jahren. Dank Trennung vom zyklischen Massenspeichergeschäft (Ex-Qimonda, inzwischen insolvent) hat sich das Geschäft verstetigt. Dennoch ist der Münchner Halbleiterhersteller den konjunkturellen Schwankungen noch weit stärker ausgeliefert als der Durchschnitt der Dax-Konzerne. So baut das Management schon mal überzogenen Anlegererwartungen vor und senkt seine Prognosen.
2012 soll der Umsatz demnach um einen „mittleren einstelligen Prozentsatz“ zurückgehen. 2011 wird der Umsatz bei ziemlich genau vier Milliarden Euro landen, das sind 21 Prozent mehr als 2010. Die operative Gewinnmarge dürfte sich 2012 ebenfalls leicht verschlechtern; zuletzt lag diese Ziffer (Gewinn vor Steuern, Amortisierungen, Zinsen und Abschreibungen) bei 16,5 Prozent. Eine leichte Wachstumsdelle also nur – wenn es dabei bleibt. Die Chancen stehen – einen tiefen Fall in Depression und Deflation à la 1930 einmal ausgenommen – nicht so schlecht.
Denn auch wenn sich die Konjunktur verschlechtert, Infineon kämpft nicht gleich wieder ums Überleben: 2011 konnte der Konzern Marktanteile in wichtigen Bereichen hinzugewinnen; die Konzentration auf maßgefertigte Chips für die Kunden aus Autoindustrie, mobiler Kommunikation und Rüstung zahlt sich aus: Portfolio bereinigt verbuchte der Konzern 2011 Rekordumsätze und -gewinne. Sogar eine Dividende soll es im kommenden Frühjahr erstmals geben. Auf dem aktuellen Niveau ist die Aktie fair bewertet.
Linde
Mit mehr als 13,5 Milliarden Euro Umsatz und rund 1,2 Milliarden Euro Reingewinn wird Linde in diesem Jahr Rekordzahlen erreichen. Mehr noch: Selbst für das Jahr 2012, in dem eine spürbare Abkühlung der Weltkonjunktur denkbar ist, verspricht der Industriegase- und Großanlagenbaukonzern weiteres Wachstum. Linde kann dank seiner Klientel aus vielen verschiedenen Branchen (Chemieunternehmen, Stahlindustrie, Energiewirtschaft, Lebensmittelhersteller, Medizintechnik) Rückschläge ausgleichen. Dazu profitiert das Unternehmen im Geschäft mit Industriegasen (mehr als 80 Prozent Anteil am Konzernumsatz) von seiner starken Position in Asien. Diese hatte sich Linde 2006 durch die Übernahme der britischen BOC Group verschafft. Im Großanlagenbau (16 Prozent Umsatzanteil) signalisiert der hohe Auftragseingang eine ordentliche Saison 2012.
Das 2008 aufgelegte Sparprogramm, mit dem zwischen 2009 und 2012 die Kosten um bis zu 800 Millionen Euro pro Jahr gesenkt werden, trägt maßgeblich zum Gewinnwachstum bei. Der Konzern bleibt unverändert bei seinem mittelfristigen Ziel, 2014 ein operatives Ergebnis von vier Milliarden Euro zu erwirtschaften. Linde gehört zu den wenigen Aktien, die noch in der Nähe ihrer Höchststände notieren. Ausgerechnet dieses Qualitätssiegel könnte die Titel bei Gesamtmarktturbulenzen zum Opfer von Gewinnmitnahmen machen.
Der steile Aufwärtstrend seit 2009 ist bereits gebrochen, schlimmstenfalls drohte ein Kursrückgang in Richtung 70 Euro – ein Geschenk für Neueinsteiger.
ThyssenKrupp
Überraschende Abschreibungen auf neue Stahlwerke in Brasilien und den USA sowie auf das schwierige Edelstahlgeschäft führten bei ThyssenKrupp im abgelaufenen Geschäftsjahr 2010/11 (bis 30. September) zu 1,8 Milliarden Euro Gesamtverlust. Das neue Jahr soll besser werden, doch die große Aufwärtswende wird schwierig. Der Stahlmarkt in Europa läuft zäh, sollte auch noch der wichtigste Kunde schwächeln, die Autoindustrie, würde das heftig durchschlagen. Dass die bisher rentablen Sparten Aufzüge und Großanlagen bei einer schwächeren Gesamtkonjunktur weiterhin stabile Ergebnisse abliefern, ist fraglich. Das erste Quartal (Oktober bis Dezember 2011) fiel für den Konzern schwach aus.
Für 2011/12 insgesamt dürfte der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) keine zwei Milliarden Euro erreichen. Netto bleibt dann, wenn es gut geht, eine knappe Milliarde Euro. Das würde, auf eine Aktie heruntergerechnet, rund 1,90 Euro ergeben. Damit wäre ThyssenKrupp bei Kursen um 15 Euro für mutige Anleger durchaus ein antizyklischer Kauf. Als Risikofaktor müssen Investoren dabei allerdings eine hohe Verschuldung (rund 3,6 Milliarden Euro) in Kauf nehmen.
Umso wichtiger ist es, dass ThyssenKrupp in diesem Jahr beim geplanten Verkauf oder der Abspaltung der unrentablen Edelstahlsparte vorankommt und seinen Schuldenberg mit dem Erlös verkleinert.
Volkswagen
Die Gewinnmaschine läuft auf vollen Touren. Im wichtigsten Markt China sollen am Ende des Jahres zwei Millionen Wagen verkauft sein, in Deutschland wird ein neuer Absatzrekord aufgestellt, Porsche sprintet der Konkurrenz davon, Audi ist auf Rekordfahrt, und den Beteiligungen MAN und Scania geht es auch nicht eben schlecht. Wer als Audi getarnte Polos (A1) für 25 000 Euro verkaufen kann, dem bleibt logischerweise ein üppiger Gewinn. 2012 soll VW 8,9 Milliarden Euro, 2013 schon 9,6 Milliarden Euro netto einfahren.
Gemessen an den üblichen Aktienkennziffern ist der solide finanzierte Konzern ein Schnäppchen. Ein Abschlag ist nötig, weil Investoren im Reich von Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch weitgehend entrechtet sind. Zudem droht China abzukühlen, in den USA fährt VW der Konkurrenz in den neuesten Qualitätsranglisten nur hinterher.
Die Übernahme von Porsche liegt auf Eis, weil Milliardenklagen wegen Marktmanipulation auf dem Weg sind. Genug Risiken, um nicht zu hohe Ansprüche an die in den vergangenen Jahren respektable Kursentwicklung zu stellen.
- Teilen per:
- Teilen per: