Handel mit Evergrande-Aktien ausgesetzt Evergrande steht vor milliardenschwerem Anteilsverkauf

Der Immobilienkonzern kämpft sein Wochen mit Zahlungsschwierigkeiten. Quelle: Reuters

Die Hongkonger Börse hat erstmals in der Liquiditätskrise den Handel mit Evergrande-Papieren unterbrochen. Ein Grund: Der chinesische Immobilienkonzern versilbert eine Beteiligung.

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Der strauchelnde Immobilienriese China Evergrande steht einem Medienbericht zufolge kurz vor einem milliardenschweren Anteilsverkauf. Der Konzern wolle für mehr als fünf Milliarden US-Dollar 51 Prozent an seiner Immobilienmanagement-Tochter Evergrande Property Services Group an den Wettbewerber Hopson Development verkaufen, berichteten staatliche Medien in China. Hopson und Evergrande äußerten sich dazu nicht. Ihre Aktien wurden am Montag jedoch vom Handel ausgesetzt mit der Begründung, es werde eine größere Transaktion angekündigt.

Evergrande ist der zweitgrößte Immobilienentwickler in China und hat sein rasantes Wachstum in den vergangenen Jahren mit Krediten finanziert. Der Konzern hat Schulden von mehr als 300 Milliarden Dollar angehäuft und ist in Zahlungsverzug geraten. Investoren haben die Sorge, dass ein Zusammenbruch weitreichende Folgen für das Finanzsystem und andere Branchen haben wird.

Vor dem Hintergrund von Zahlungsschwierigkeiten sind die Aktien der Evergrande Group in diesem Jahr schon um rund 80 Prozent gefallen. Evergrande gilt als das weltweit am höchsten verschuldete Immobilienunternehmen. Der Konzern muss Geld auftreiben, um Banken, Zulieferer und Anleihegläubiger fristgerecht zu bezahlen. Zudem schuldet Evergrande Kleinanlegern, darunter vielen Mitarbeitern, mehrere Milliarden Dollar. Der Konzern ist so groß, dass einige Experten eine „Ansteckungsgefahr“ für die chinesische Wirtschaft und darüber hinaus befürchten.

Börsen geben nach

Aus Furcht vor Turbulenzen bei einem Kollaps von Evergrande fassen Investoren europäische Aktien am Montag nur mit spitzen Fingern an. Dax und EuroStoxx50 fielen um jeweils ein knappes halbes Prozent auf 15.115 beziehungsweise 4018 Punkte. Im Gegenzug stieg der Dollar-Index, der den Kurs zu Euro, Yen & Co widerspiegelt, auf bis zu 94,104 Zähler. Die Weltleitwährung gilt als „sicherer Anlagehafen“.

„Um Evergrande war es zuletzt ein wenig ruhig geworden“, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. „Nun hat sich die drohende Insolvenz des chinesischen Immobilienkonzerns als Belastungsfaktor zurückgemeldet.“ Offenbar habe das Unternehmen eine am Montag fällige Zinszahlung nicht leisten können. In den vergangenen Tagen hatte das Unternehmen die Frist für mehrere millionenschwere Zinszahlungen auf Dollar-Anleihen kommentarlos verstreichen lassen. In den kommenden Wochen werden bei ähnlichen Bonds weitere 162 Millionen Dollar fällig.

Erst vergangene Woche hatte Evergrande eine Bank-Beteiligung für zehn Milliarden Yuan (1,3 Milliarden Euro) verkauft, um sich etwas Luft zu verschaffen. Nach Presseberichten soll die Führung in Peking Lokalregierungen dazu aufgefordert haben, sich auf ökonomische und soziale Folgen einer möglichen Pleite des Konzerns einzustellen.

Ein Analyst sieht als größtes Problem nicht einen Zahlungsausfall von Evergrande, „sondern das Umfeld, das zu dem Niedergang des Unternehmens geführt hat. Die Behörden regulieren Wohnungsbaudarlehen und die Kreditvergabe an Immobilienunternehmen. Die Märkte sind bereits auf der Suche nach dem nächsten Evergrande“, sagte Kazutaka Kubo, Senior Economist bei Okasan Securities. „Die Gefahr, dass die Probleme von Evergrande auf den gesamten chinesischen Immobiliensektor übergreifen, nimmt zu.“

von Jörn Petring, Christof Schürmann

Der Anteilsverkauf an der Immobilienverwaltungs-Tochter sei ein wichtiger Schritt, die Liquiditätskrise von Evergrande einzudämmen, sagte Volkswirt Gary Ng von der Bank Natixis. „Wir erwarten, dass davon noch mehr kommt.“ Evergrande versuche nun offenbar, Bargeld zu besorgen zur Bezahlung von Rechnungen, sagte Analyst Ezien Hoo vom Broker OCBC. „Es sieht so aus, als ob die Verwertung der Immobilienverwaltungs-Einheit noch am einfachsten ist.“ Hoffnungen auf einen möglichen neuen Teil-Eigentümer machten sich auch die Aktionäre der Evergrande-Tochter für Elektromobilität. Deren Aktien schossen am Montag um 29 Prozent in die Höhe.

An den globalen Börsen ging jedoch erneut die Sorge vor einem Zusammenbruch des Immobiliengiganten um. Aktienmärkte in Hongkong und Japan gaben nach, der Dax stand unter Druck und in den USA zeichnete sich eine schwächere Eröffnung ab. „Die chinesische Regierung hat immer noch wenig Einblick in das Schicksal von Evergrande, obwohl eine langsame und stetige Zerschlagung des Unternehmens im Moment der bevorzugte Weg zu sein scheint“, sagte Marktanalyst Jeffrey Halley vom Online-Borker Oanda. Spätestens durch die Handelsaussetzung der Aktien von Evergrande seien die Sorgen vor einem Zusammenbruch wieder präsent geworden, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst von CMC Markets.

Die Aktien von Evergrande verloren seit Jahresbeginn mehr als 80 Prozent. Der Konzern kommt noch auf einen Börsenwert von fünf Milliarden. Analysten warnen im Falle einer Pleite auch vor sozialen Folgen. Evergrande beschäftigt rund 200.000 Menschen und heuert jährlich mehrere Millionen Menschen für Bauprojekte an. Im August hatten zahlreiche Anleger die Zentrale des Konzerns gestürmt und ihre angelegten Gelder zurückverlangt.

Die asiatischen Börsen schlossen tief im Minus. In Japan machte eine Regierungsumbildung die dortigen Anleger zusätzlich nervös. Der Nikkei-Index fiel um 1,2 Prozent auf 28.445 Punkte. Der Leitindex der Hongkonger Börse rutschte sogar um 2,3 Prozent auf 24.018 Zähler ab.

Mehr zum Thema: Der Fall Evergrande ist nicht Chinas Lehman-Moment, aber die Risiken werden schon sichtbar. Die Börsenwoche.

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