Öl-Multis Für Öl-Aktien hat sich das Blatt gewendet

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Innenfinanzierungskraft reicht wieder für die Dividendenzahlungen

Geht es nach Goldman Sachs lassen die derzeitigen Rahmendaten sogar die Hoffnung auf ein neues goldenes Zeitalter für Öl-Produzenten zu. Die von den führenden Branchenvertretern vorgelegten Zahlen für das ersten Quartal 2018 waren zwar nicht völlig frei von Enttäuschungen, aber der Trend ging unter dem Strich in die richtige Richtung. Zudem ist es so, dass dank einer nach unten verschobenen Kostenkurve der von global operierenden Öl- und Gaskonzernen erwirtschaftete freie Cash Flow laut NordLB die Dividendenzahlungen spätestens seit dem zweiten Halbjahr 2017 wieder abdeckt. Das ist wichtig, weil das die Ausschüttungen als nachhaltig untermauert.

Den Aktienkursen der Öl-Aktien hat das zuletzt bereits zu einer besseren Wertentwicklung als dem Gesamtmarkt verholfen. Einigen Marktexperten ist das Ausmaß der positiven Kursbewegung, gemessen an den deutlich verbesserten Rahmendaten, aber noch nicht stark genug. Allerdings ist auch das ein Phänomen, das bereits in der Vergangenheit zu beobachten war. So war laut dem Finanzdienstleister Canaccord Genuity in den Jahren 1999 und 2000 eine ähnliche Diskrepanz wie heute zwischen Gewinnentwicklung und Aktienkursen der Öl-Produzenten aus Kanada und den USA zu beobachten.

Damals konnte der Sektor erst dann den Markt schlagen, als sich die eigene relative Stärke auf Ebene des geschätzten Gewinns je Aktie bei mehr als 300 Prozent bewegte. Wie der nachfolgenden Grafik von Canaccord zu entnehmen ist, wurde genau diese 300-Prozent-Marke aber eben überschritten, was als Initialzündung für die Kurse der Öl-Aktien fungieren könnte.

Kluft zwischen Gewinnen der Öl-Konzerne und ihren Aktienkursen von 1999 bis 2002Quelle: Thomson Reuters Datastream, Canaccord Genuity estimates

Theoretisch lassen auch die Bewertungen den Kursen Luft nach oben. Deutlich macht das zum einen der Bedeutungsverlust, den die Branche in den vergangenen Jahren im Russel-1000-Aktienindex erlitten hat. Weil zuletzt Energie-Aktien „out“ und Tech-Aktien „in“ waren, ist die Gewichtung fast bis auf das Rekordtief zur Jahrtausendwende gefallen, als Tech-Aktien ebenfalls angesagt waren.
Zum anderen kommen US-Energie-Aktien aktuell im Schnitt auf ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 2,1. Der Gesamtmarkt bekommt dagegen derzeit laut Morgan Stanley einen 3,3-fachen Multiplikator zugestanden. Der Bewertungsabschlag bewegt sich somit ebenfalls in einem Extrembereich, wie die nachfolgende Grafik zeigt.

US-Energie-Aktien sind nach Kurs-Buchwert-Verhältnis deutlich niedriger bewertet als der GesamtmarktQuelle: Bloomberg, Morgan Stanley Research

Öl-Aktien-Quartett mit moderater Bewertung

Aus der Riege der global operierenden und börsennotierten Öl- und Gaskonzerne haben wir mit Exxon Mobil (USA), Royal Dutch Shell (Niederlande/Großbritannien), BP (Großbritannien) und Total (Frankreich) vier Titel herausgefiltert, die laut Analystenschätzungen von 2018 bis 2020 jeweils mit Gewinn- und Dividendensteigerungen aufwarten können. Dieses Quartett kann zudem mit relativ moderaten Bewertungen auf KGV-Basis aufwarten sowie mit recht ansehnlichen Dividendenrenditen (siehe Charts zu Empfehlungen). Außerdem handelt es sich um Unternehmen mit einem integrierten Geschäftsmodell, deren Aktivitäten von der Exploration und Förderung von Rohöl/Gas („Upstream“) über die Verarbeitung zu Petrochemikalien, Kraft- und Schmierstoffen bis hin zum Vertrieb an den Endkunden („Downstream“) reichen. Das ist eine Aufstellung, die dabei hilft, das Chance-Risiko-Profil auszubalancieren.

Wenn es rund läuft, dann gibt es auf der Gewinnebene sogar noch positives Überraschungspotenzial. Schließlich eröffnet eine stärkere Digitalisierung der Geschäftsprozesse auch dem Energie-Sektor Chancen. Mit neuartiger Technik dürfte es beispielsweise möglich sein, die Ausfallzeiten und Wartungskosten zu senken sowie die Produktion und die Ölgewinnungsraten zu erhöhen. Seit 2014 sind die Kosten in der Branche zwar bereits um 40 bis 50 Prozent gefallen. Doch Morgan Stanley sieht für die kommenden Jahre dank digitaler Technologien weiteres Kostensenkungspotenzial von zehn bis 20 Prozent und im Idealfall sogar von 30 Prozent.

Risiken nicht vergessen

Selbst für das geplagte Umweltgewissen der Anleger haben die Öl-Konzerne inzwischen zumindest teilweise etwas zu bieten. Denn beim Bemühen um ein besseres Image setzt man auf verbesserte CO2-Bilanzen und unternimmt Expansionsschritte im Bereich der regenerativen Energien. Zu beachten ist aber, dass es über die Umweltschiene auch noch immer Risiken gibt. So gibt es in den USA Klagen gegen führende Ölproduzenten mit der Begründung, die Konzerne hätten die Klimafolgen durch die Öl-Produktion verschleiert.

Eine echte Gefahr für die Geschäfte der Öl-Hersteller stellt darüber hinaus eine schnelle Abkehr der Autoindustrie vom Verbrennungsmotor dar. Losgelöst davon gibt es natürlich generell keine Garantie, dass sich die Geschichte wiederholt und eine Wette auf Öl-Aktien im aktuellen Zyklus erneut aufgeht. Aber für den Fall, dass die Realität diesmal vom Skript abweicht, gibt es das Absicherungsinstrument der Stopp-Loss-Kurse. Hilft deren Einhaltung doch im Negativfall dabei, zumindest überdimensional große Verluste zu vermeiden.

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