Riedls Dax-Radar
Börsenhändler Quelle: dpa

Aktienmärkten droht weiterer Kursrutsch

Die Zwischenerholung an den Börsen läuft, doch bereinigt ist der Aktienmarkt noch nicht. Wahrscheinlich steht mindestens noch einmal ein Tiefentest bevor.

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Nach massiven Kursverlusten hat sich der Dax auf dem Niveau um 12.000 Punkte erst einmal stabilisiert. Manche Anleger sprechen schon von Ausverkauf und günstigen Kaufgelegenheiten. Doch die Risiken sind nicht einfach vom Tisch, nur weil der Dax ein paar Prozent weiter unten steht. Ganz im Gegenteil: Mit dem Crash der vergangenen Wochen ist sogar noch ein neues Risiko dazugekommen.

Der wichtigste Grund für die jüngsten Kursverluste ist der schnelle Zinsanstieg. Seit Jahresanfang sind die Renditen für zehnjährige amerikanische Staatsanleihen von 2,4 auf 2,9 Prozent gestiegen. Gefährlich für die Börse ist dabei nicht die absolute Höhe der Renditen – Raten um drei Prozent würden durchaus zu einer gut wachsenden Wirtschaft mit leichter Inflationstendenz passen.

Das Risiko liegt vielmehr darin, dass dieser Anstieg mit hoher Dynamik erfolgt und im Grunde auch ohne dramatische Veränderung des fundamentalen Umfelds; nur die Teuerung hat etwas angezogen.

Die heftigen Kursverluste an den Anleihemärkten offenbaren die Angst der Investoren vor einem weiteren, deutlichen Zinsanstieg, der langfristig weit über drei Prozent hinausgehen könnte. Bisher haben sich Anleger darauf verlassen, dass die Notenbanken steigende Zinsen immer wieder eingefangen haben. Ob sie das bei der befürchteten erhöhten Dynamik auch noch können, wird immer fraglicher.

Der Renditeanstieg vollzieht sich auch in Europa. Hier kam es im Gleichschritt zur US-Entwicklung bisher zu einem Anstieg auf knapp 0,8 Prozent. Dabei ist die Spannung zwischen der absolut betrachtet immer noch geringen Zinshöhe und der Gefahr weiterer, deutlicher Steigerungen größer als in Amerika.

Was passiert, wenn die EZB doch eines Tages den Hebel in Richtung schärferer Geldpolitik umlegt? Was geschieht in der Zeit nach Draghi? Wirtschaftlich ist es ein Unding, dass fast zehn Jahre nach der Finanzkrise immer noch das Krisen-Paradigma gilt und höhere, wirtschaftlich angemessene Zinsen prinzipiell ausgeschlossen werden. Oder vielleicht doch nicht mehr? Die gefährliche Schlagseite an den europäischen Anleihemärkten spricht dafür, dass immer mehr Anleger Zweifel hegen an der ewigen Niedrigzinspolitik.

Der Dollar ist noch lange nicht unten

Für Anleger brisant wird die Lage am Zinsmarkt durch den gleichzeitigen Dollarverfall. Er macht es der EZB nahezu unmöglich, die Zinsen auch nur vorsichtig in Richtung Normalität zu führen. Die Amerikaner, vor allem Janet Yellen, haben die Gunst der frühen Stunde besser genutzt und den Zinsanstieg eingeleitet. In Europa hielt die EZB mit Blick auf die Fußkranken in der EU die Renditen künstlich am Boden. Und nun, mit dem für viele überraschenden Dollar-Verfall und Anstieg des Euro, ist selbst eine behutsame Erhöhung fast unmöglich geworden. Und wenn sich eines Tages Draghis Nachfolger dann doch mit einer mutigen Aktion aus dieser Zwickmühle befreien will, drohen an den Wertpapiermärkten neue Turbulenzen. Die Angst davor lastet schon heute schwer auf den Aktien- und Anleihemärkten Europas.

Zinsen und Euro steigen – ein gefährlicher Mix

Dass der Dollar-Verfall schnell vorbeigeht, ist nicht zu erwarten. Weder dürfte sich an der egozentrischen Politik der Amerikaner etwas ändern, noch werden die Währungsmärkte über Nacht wieder in die andere Richtung laufen. Große Trends zwischen Euro und Dollar sind hartnäckig. Von seiner Einführung bis zur Finanzkrise hat sich der Euro gegenüber dem Dollar in acht Jahren verdoppelt. Danach hat er in zehn Jahren 40 Prozent verloren.

Nun läuft der Euro seit einem Jahr wieder nach oben und hat dabei ein Fünftel gutgemacht. Man muss nicht gleich, wie manch ein Dollar-Pessimist, schon wieder langfristig einen Euro von 1,60 Dollar erwarten wie im Jahr 2008. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die US-Währung für längere Zeit angeschlagen bleibt und der Euro dabei eine Stärke entwickelt, die den Europäern gar nicht gefällt.

Für die europäischen Börsen bedeutet das erheblichen Gegenwind. Über viele Jahre haben Unternehmen und Märkte von sinkenden Zinsen und der rückläufigen eigenen Währung profitiert. Nun muss beides neu kalibriert werden. Ein solcher Prozess kann sich über Monate, wenn nicht sogar Jahre hinziehen; erst recht, wenn es davor eine lange Hausse-Phase gab.

Und dabei ist durch die Kursverluste der vergangenen Wochen die neue, dritte große Gefahr offensichtlich geworden: Die schnellen und heftigen Verluste lassen den Glauben an die langfristige Aufwärtsbewegung erodieren. Dauerbären gibt es immer an den Börsen, doch nun schleichen sich auch bei nüchternen Anlegern Zweifel ein an weiteren Kursgewinnen.

Substanzielle Verkäufe am Aktienmarkt

Von den 30 Dax-Aktien verlaufen nur noch bei zehn die aktuellen Notierungen über dem Durchschnitt der vergangenen 200 Tage. Eine solche Konstellation ist eine typische Folge substanzieller Verkäufe nach einem langen Aufwärtstrend. Und wenn große, strategische Investoren ihre Positionen erst einmal räumen, gehen sie nicht gleich wieder am nächsten Tag in den Markt.

Bisher ging der Dax in einer ersten Abwärtsphase in 13 Tagen von 13.560 auf 12.100 zurück, gemessen an den Tagesschlusskursen. Das waren elf Prozent Verlust. Seitdem läuft eine Zwischenerholung. Dabei könnte er nach klassischen Muster 500 bis 600 Punkte in einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen wiedergutmachen. Der Dax käme dabei der Durchschnittslinie der vergangenen 200 Tage wieder nahe. Sollte er dieses Niveau sogar überschreiten und dann auch noch über die Marke von 13.000 kommen, wäre das ohne Frage ein starkes Signal für eine Entwarnung.

Wenn man die fundamentalen Risiken betrachtet, die innere Schwäche des Marktes und die hohe Abwärtsdynamik der ersten Februarwochen, ist aber ein anderes Szenario wahrscheinlicher. Danach dürfte mindesten noch einmal ein Tiefentest des Aktienmarktes stattfinden.

Ob sich der Dax dann wieder bei 12000 halten kann, ist offen. Sollte der Dax in seiner zweiten Abwärtsphase noch einmal rund 1500 Punkte verlieren, ergäbe das eine Zielzone um 11000. Zeitlich könnte dieser Tiefentest dann in die erste Märzhälfte fallen. Eine typische Wenderegion: Die großen Baisse-Bewegungen von 2003 und 2009 fanden jeweils im März ihr Ende.

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