Riedls Dax-Radar

An der Börse wird bis Mitte Juni gezittert

Schwächere Konjunkturprognosen dämpfen den Dax. Der Übernahmepoker um Monsanto ist eine zusätzliche Belastung. Wer trotzdem in Pharma-Aktien investieren will, sollte sich bei der Konkurrenz umsehen.

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Börse in Frankfurt am Main. Quelle: dpa

An den Aktienmärkten wächst die Skepsis. Goldman Sachs spricht von einem schwindenden Gewinnmomentum, reihum werden die Prognosen für das Wirtschaftswachstum zurückgenommen. Vor kurzem etwa von Moody’s. Die Ratingagentur rechnet für die Industrienationen in diesem Jahr nur noch mit 1,7 Prozent Wachstum statt mit 1,9 Prozent. Hedgefonds stellen sich medienwirksam auf die Short-Seite.

Enttäuschende Unternehmensmeldungen kommen hinzu. Bei Daimler gibt es Rückrufe wegen Airbags in den USA, dazu läuft das Lastwagengeschäft schlechter als erwartet. Das macht immerhin 40 Prozent vom Umsatz aus, bringt aber nur noch ein Fünftel der gesamten Konzerngewinne.

Da sich diese Ertragsschwäche schon seit Jahren durch die Zahlen von Daimler zieht, wird daraus ein strukturelles Problem. Eine Gewinnwarnung für den gesamten Konzern gibt es noch nicht; es gilt die Prognose eines leichten operativen Anstiegs.

Doch es verwundert nicht, dass Daimler-Aktien seit Wochen zu den unterdurchschnittlichen Papieren im Dax gehören. Kurzfristig dürfte sich trotz günstiger analytischer Bewertung daran nichts ändern. 

Zinserhöhung zunächst eher unwahrscheinlich

Ob es angesichts der weniger robusten Aussichten beim nächst möglichen Termin am 15. Juni in den USA zu einer Zinserhöhung kommt, bleibt fraglich. Man sollte sich nicht von Äußerungen mancher Falken im Notenbanker-Kreis beirren lassen.

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Jahresendprognosen Quelle: dpa
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Nach den bitteren Erfahrungen zu Beginn des Jahres dürfte es sich Fed-Chefin Janet Yellen sehr gründlich überlegen, ob sie jetzt schon wieder die Zinsen heraufsetzt – vor allem, wenn es die faktischen Zahlen nicht hergeben. Zudem steht kurz danach, am 23. Juni, in Großbritannien die Entscheidung über den Brexit bevor.

Die führenden Industrieländer (G-7) treffen sich derzeit in Japan. Aus den bisherigen Meldungen ist zu entnehmen, dass sie keine neuen, umfassenden Konjunkturprogramme beschließen wollen, aber schon besorgt sind, ob der Aufschwung hält. Auch das ist ein Umfeld, in das eine schnelle US-Zinserhöhung nicht gut passen würde. In die gleiche Richtung deutet die Entwicklung des Ölmarktes, bei dem die Preise für Brent schon fast wieder bis auf 50 Dollar gestiegen sind. 

Bayer wird zur Hypothek für den Dax

Zu den besonderen Belastungen im Dax gehört derzeit Bayer. Obwohl die Aktie seit einem Jahr 40 Prozent verloren hat, ist sie mit 80 Milliarden Euro Marktkapitalisierung neben Siemens und SAP noch immer einer der drei schwersten Werte im Index. Nun aber hat sich das Management in eine schwierige Situation manövriert.

Mehr als 40 Milliarden Euro dürfte es kosten, wenn Bayer wie beabsichtigt den Agrarchemiker Monsanto übernimmt. Das wäre etwa die dreifache Umsatzbewertung – und damit alles andere als billig. Auch wenn Monsanto mit einer Nettorendite von mehr als 15 Prozent faktisch besser dasteht, als es in der aktuellen Diskussion erscheint.

Da nämlich sieht Monsanto wie ein Krisenunternehmen aus, das mit dem umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat (Markenname Roundup) einen schweren Klotz am Bein hat.

Viel interessanter für Bayer ist natürlich das umfangreiche Saatgutgeschäft von Monsanto, bei dem die Leverkusener bisher noch klein sind und das sie damit deutlich ausbauen würden.

Ob und wie die Übernahme konkret zustande kommt, ist derzeit genauso offen wie die Einzelheiten der Finanzierung. Ziemlich sicher allerdings ist, dass es für die Aktie von Bayer eine erhebliche Belastung ist.

Selbst wenn die Übernahme im Sinne der Bayer-Strategen über die Bühne ginge, würde das sowohl auf der Finanzierungsseite (eventuell über eine Kapitalerhöhung) als auch beim operativen Geschäft zahlreiche Baustellen eröffnen.

Eine deutliche Erholung der Aktie wäre in Sicht, wenn Bayer die Übernahme abbläst. Doch auch das wäre kein gutes Zeichen für ein Management, das erst eine solche Mega-Übernahme einleitet und dann beim ersten Gegenwind einen Rückzieher macht. Für Anleger bedeutet das nichts anderes, als um Bayer-Aktien vorerst einen weiten Bogen zu machen.

Wenn schon Pharma, dann lieber Merck

Eine vielversprechende Entwicklung zeichnet sich dagegen bei Merck ab. Die Übernahme des Laborausrüsters Sigma-Aldrich wird 2016 zum ersten Mal in einem vollen Geschäftsjahr die Zahlen pushen: Den Umsatz wahrscheinlich auf 15 Milliarden Euro, der Nettogewinn sollte um mehr als 50 Prozent zulegen.

Die Übernahme war zwar teuer, doch sie bringt drei entscheidende Vorteile: Erstens ist Sigma-Aldrich hochrentabel; zweitens bekommt Merck damit neben Pharma und Spezialchemie ein weiteres Standbein; drittens ist es zugleich eine Verstärkung auf dem wichtigen US-Markt.

Die Nettoschulden von Merck sind zwar auf mehr als 13 Milliarden Euro angewachsen. Doch das sollte vorübergehend sein.

Die guten Einnahmen aus dem laufenden Geschäft helfen, die Schulden zu senken. Im ersten Quartal konnte Merck den Schuldenberg um fast 600 Millionen Euro senken.

Der Dax hält sich noch - aber es wird knapp

Mehrmals in den vergangenen Tagen hat sich der Dax bei 9800 Punkten gefangen und ist von dort wieder schnell nach oben gedreht. Allerdings kam es danach nicht zu Anschlusskäufen, mit denen sich der Dax über 10.000 Punkte gerettet hätte. Die 200-Tagelinie im Dax zeigt weiter nach unten.

Seit dem jüngsten Top im Dax am 21. April sind gut vier Wochen vergangen. Vom typischen Zeitfenster wäre es kein Problem, wenn die Korrektur noch etwas andauert. Im Extremfall könnte das dann sogar bis zum 15. Juni (Fed-Entscheidung) oder 23. Juni (Brexit) reichen. Das wäre zwar mit sieben bis acht Wochen eine etwas längere Korrektur, würde aber immer noch in den langfristigen Aufwärtstrend passen, der seit 2008 läuft. Nach unten hätte der Dax dabei Spielraum bis in den Bereich um 9500 Zähler.

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