Zschabers Börsenblick
Eine Zinswende könnte in den USA bevorstehen. Quelle: dpa

Anleger müssen steigende Zinsen nicht fürchten

Das Szenario der Zinswende in den USA nimmt schärfere Konturen an. Doch nicht nur das Beispiel des Drei-Billionen-Dollar-Kolosses Apple zeigt die nach wie vor vorhandene Ausnahmestellung des US-Markts.

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Dass es an der Börse nicht nur Sonnenschein gibt, ist jedem bewusst, der schon etwas länger am Markt aktiv ist, speziell denen, die auch noch die Zeiten vor dem Beginn der Niedrigzinspolitik kennen, die gemeinhin als Startschuss des mittlerweile fast anderthalb Jahrzehnte währenden Aufschwungs gilt. So ist gerade diesen Marktteilnehmern bewusst, dass das neue Jahr einige Herausforderungen mit sich bringt – denn es deutet sich an, dass eben dieser Katalysator aus besagten niedrigen Zinsen an Kraft.

So lässt ein jüngstes Protokoll der US-amerikanischen Notenbank Fed darauf schließen, dass diese vor dem Hintergrund der rasenden Inflation die Zinswende forcieren will. Anleger am US-Aktienmarkt müssen zusehen, wie sich das vermeintliche Damoklesschwert eines Endes der Niedrigzinspolitik über ihnen immer tiefer senkt. Natürlich ist dabei auch anzumerken, dass wir hier nicht über eine Zinsphase sprechen, wie wir diese vor der Finanzkrise vor 15 Jahren hatten, vielmehr geht es um besagte Inflation, die vollkommen falsch von den Währungshütern eingeschätzt wurde. Es gilt also, ein neues Gleichgewicht zu finden. Das wird ein holpriger Weg, eben weil besagte Marktteilnehmer auch vieles einfach überinterpretieren und Dinge vorwegnehmen, die sich im Nachgang als kleinere Herausforderungen darstellten.

Nun gibt es Märkte, in denen die Zinsen nicht – oder sagen wir besser: derzeit nicht – ein so großes Thema wie für die US-Börse sind. Da wäre in erster Linie China zu nennen, das nach einem schwachen Börsenjahr 2021 größeres Nachholpotenzial hat. Aber auch oder besonders Europa, wo zum einen die Europäische Zentralbank schon deutlich gemacht hat, dass die Zinswende noch auf sich warten lassen dürfte, und zum anderen die Bewertung des EuroStoxx 50 auf Basis der Gewinnschätzungen der Unternehmungen für das laufende Jahr mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 im internationalen Vergleich sehr moderat ist, sollte eine durchaus hohe Gewichtung in den Portfolios haben. Neben Investments in den EuroStoxx 50 oder breit gefächerter den Stoxx Europe 600, möglicherweise auch in China, sollten Anleger für 2022 Japan auf dem Schirm haben.

Doch auch den US-Markt sollten und dürfen Investoren bei allen Belastungen, die eine Zinswende mit sich bringt, nicht außer Acht lassen. Im Gegenteil: Die jüngste Nervosität, die besagtes Fed-Protokoll hervorgerufen hat, wird zwar von manch einem Marktteilnehmer als Anlass für Gewinnmitnahmen interpretiert, sollte aber auch nicht überbewertet werden – eine solche Entwicklung kommt schließlich nicht vollkommen unerwartet und ist somit teilweise schon in den Kursen enthalten.

Was Anleger ebenfalls im Blick haben sollten: Die Ökonomie auf der anderen Seite des Atlantiks präsentiert sich ungeachtet der Zinspolitik nach wie vor äußerst stabil und beinhaltet ein hohes Nachholpotenzial. Die aktuellen Daten vom Arbeitsmarkt stimmen immerhin insofern positiv, als im Dezember die Arbeitslosenquote von 4,2 auf 3,9 Prozent fiel, und somit stärker als erwartet. Auf der anderen Seite korrigierte der Einkaufsmanagerindex ISM PMI Manufacturing, ein wichtiger Indikator für die Stimmung in der US-Industrie, im Dezember zwar deutlicher als prognostiziert und rutschte unter die Marke von 60 Punkten; er bewegt sich aber immer noch auf einem stabilen Niveau – zudem sei auf das US-Wirtschaftswachstum hingewiesen, das nach wie vor nicht zu unterschätzen ist

Dann ist da noch die besondere Stärke einzelner Unternehmen, die dem US-Markt zusätzliche Strahlkraft verleihen. Bestes Beispiel für einen solchen Leuchtturm ist Apple, das gerade als erster Konzern der Welt bei der Börsenbewertung die Marke von drei Billionen US-Dollar erreicht hat. Auch wenn nun dem einen oder anderen Börsianer angesichts solcher Bewertungen schwindelig wird – gerade im Technologie-Sektor haben die Titel in den vergangenen beiden Jahren in einem Tempo zugelegt, das den Dotcom-Boom der Jahrtausendwende schon fast vergessen macht –, sollten Anleger ein breites Engagement in den US-Markt, beispielsweise über den S&P 500, als Beimischung zu ihrem Depot in jedem Fall für dieses Jahr auf dem Zettel haben.

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Wer eine gewisse Risikoaffinität aufweist, kann zudem darüber nachdenken, einen angemessenen Teil seines Portfolios in die zweite Reihe der US-Unternehmen zu investieren, beispielsweise in einen ETF auf den Nebenwerte-Index Russell 2000, der – der Name lässt es erahnen – 2.000 Titel beinhaltet, allesamt aus dem Small-Cap-Bereich.

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