Zschabers Börsenblick
Biomasse-Heizkraftwerk in Malchin, Mecklenburg-Vorpommern Quelle: imago images

Energieversorger: Weihnachtsgeschenk mit Weitsicht

Die Aktien von Energieversorgern liefen dem Gesamtmarkt im abgelaufenen Jahr hinterher. Warum die Branche für die nächsten Jahre ein Comeback-Kandidat sein könnte.

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Wenn in rund zwei Wochen die Zeit beginnt, die umgangssprachlich als „zwischen den Jahren“ bezeichnet wird – ein Begriff, der bei Semantikern alljährlich ein Augenrollen hervorruft –, werden wieder viele Anleger diese eher ruhigen Tagen nutzen, um einen Blick auf ihre Investments zu werfen; zu schauen, was sich im Laufe der vergangenen zwölf Monate wie entwickelt hat, und zu überlegen, was im kommenden Jahr hohes Kurspotenzial hat – seien es ganze Märkte, bestimmte Branchen oder einzelne Unternehmen.

In diesem Jahr empfiehlt sich diese Aufgabe mit besonderer Behutsamkeit anzugehen und vielleicht ein bisschen mehr noch als sonst das große Ganze in Betracht zu ziehen. Schließlich ist die größtmögliche Distanz gerade dann vonnöten, wenn die Zeiten überdurchschnittlich unsicher sind. Immerhin werden Börsianer derzeit an mehreren Fronten mit Themen konfrontiert, die alles andere als trivial sind. Stockende Lieferketten, galoppierende Inflation, die Jahrhundertherausforderung Klimawandel und last, aber ganz gewiss nicht least die nach wie vor präsente Coronapandemie halten die Anleger schon seit geraumer Zeit auf Trab. Entsprechend groß ist ihre Nervosität.

Und auch wenn man sich schon an das eine oder andere dieser Störfeuer gewöhnt hat, hat gerade die sich aktuell ausbreitende Omikron-Variante eine neue Negativdynamik erzeugt. Genau unter diesem Einfluss stehen auch die Marktteilnehmer in diesen Tagen. Wer sollte Omikron an Weihnachten ausblenden, wenn das Virus dafür sorgt, dass seinetwegen die Familien nicht mehr zusammen das Fest der Liebe feiern können?

Dennoch, eine klare Sicht auf die Dinge ist gerade bei der Ausrichtung eines perspektivischen Depots alternativlos. Es gilt einen Blick in Richtung eines weiteren Zeithorizonts zu werfen, in dem die aktuellen Verwerfungen an Bedeutung verlieren. So wenig man es sich heute vorstellen kann: Lieferkettenproblematiken, Inflationssorgen und sogar Corona werden nach allem, was man weiß, vorübergehend sein. Wenn auch nicht in Wochen oder wenigen Monaten.

Sichere Energieversorgung ist gefragt

Ein solch weitsichtiger Blick könnte auf die Versorgerbranche fallen. Den Aktien ihrer europäischen Vertreter war im fast abgelaufenen Jahr 2021 an der Börse eine unterdurchschnittliche Nachfrage bei den Anlegern beschieden, wie die Underperformance des Index Stoxx 600 Europe Utilities gegenüber dem Gesamtmarkt beweist. Was zum einen daran lag, dass der Fokus der Öffentlichkeit coronabedingt auf anderen Themen lag – Strom kommt bekanntlich während Covid trotzdem aus der Steckdose –, zum anderen auch daran, dass viele Marktteilnehmer die eingangs erwähnte Unsicherheit gerade auch bei der Energieversorgung verspüren: Können nationale und globale Klimaziele überhaupt im Einklang mit sozialverträglicher Politik erreicht werden? Wie definitiv sind etwa die deutschen Zeitpläne zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen? Und wenn jeder Privatmensch sich in den kommenden Jahren Fotovoltaik aufs Dach packt, womit verdienen Stromversorger eigentlich noch Geld?



Es ist allerdings so, dass diese Branche langfristig attraktive Renditechancen bietet. Die Betonung liegt auf langfristig. Um die Klimavorgaben zu erfüllen, werden die Stromversorger die Dekarbonisierung und gleichzeitig den Ausbau regenerativer Energien vorantreiben müssen. Das wird in den kommenden Jahren Geld kosten. Die Versorgungsnetze etwa werden unter Aufwand von Investitionen entsprechend den politischen Vorgaben ausgebaut oder erneuert werden müssen.

Doch die Unternehmen werden diese Ausgaben in den darauffolgenden Jahren kompensieren können, dafür wird der Markt sorgen. Die Frage sei schließlich erlaubt, wer außer den Versorgern sonst Haushalte und Unternehmen mit Strom versorgen sollte. Selbst wenn in zehn Jahren mehr Gebäudedächer mit Solarzellen bestückt sein werden als heute: Auch 2031 wird die Sonne nicht ununterbrochen scheinen und ein ausgewogener Energiemix wird nur von Stromversorgern zu gewährleisten sein – von niedrigen Markteintrittsschwellen und Copy Cats, wie sie sich im Internetbereich zuhauf tummeln, hat man bei Stromnetzbetreibern bislang aus gutem Grund noch nichts gehört.

Die Stromversorger müssen Fahrt aufnehmen

Zudem sei an dieser Stelle einmal die Elektromobilität bei Autos als Beispiel angeführt. Natürlich treibt Tesla die etablierten Autokonzerne vor sich her und führt sie mit seiner schier unfassbaren Börsenbewertung am Nasenring durch die Manege. Doch wer mitverfolgt, wie schnell Anbieter wie Volkswagen in den vergangenen Jahren quasi aus dem Stand aufgeholt haben, erkennt, zu welcher Geschwindigkeit ein vermeintlich träges Schwergewicht fähig ist, wenn es einmal in Fahrt gekommen ist. Diese Analogie sollte sich in den kommenden Jahren auch auf die Stromversorger übertragen lassen.

Mit einem ETF auf den Stoxx Europe 600 Utilities können Anleger an diesem Trend partizipieren. Ob das etwas ist, was man seinen Liebsten unter den Weihnachtsbaum legen möchte, sei dahingestellt. Es wäre aber eine Idee mit nachhaltiger Perspektive, deren Bescherungspotenzial sich vielleicht erst in einigen Jahren offenbart.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

Mehr zum Thema: Fünf Top-Geldmanager sprachen beim Börsen-Roundtable der WirtschaftsWoche über grüne Investments, Inflationsschutz, Zinsen – und ihre Aktienfavoriten für 2022 sowie den besonderen Reiz von Technologiewerten, Bitcoin, Gold und CO2-Zertifikaten.

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