Es besteht kein Zweifel: Südamerika ist ein äußerst spannender Kontinent. Atemberaubende Landschaften, eine turbulente Historie, interessante Kulturen – Bildbänder sind voll vom Amazonas-Gebiet, vom Machu Picchu oder von Patagonien, die politischen Irrungen und Wirrungen südamerikanischer Länder sind Stoff für Geschichtsbücher und Hollywoodfilme.
Auch für Investoren kann Südamerika ein Sehnsuchtsort sein. Das legendäre Goldland Eldorado, das nicht nur von Wikipedia im nördlichen Teil des Kontinents verortet wird, ist nur eines der Beispiele. Abseits von Mythen und Legenden genießt Südamerika zudem unter Börsianern den Ruf eines aussichtsreichen Investmentziels. Immerhin steht der erste Buchstabe des Kürzels BRIC für Brasilien – auch wenn BRIC zugegebenermaßen als Synonym für das Potenzial von Emerging Markets in früheren Jahren eine wesentlich größere Magie barg als im Frühjahr 2022.
Bei aller Faszination, die Brasilien und Co. aber immer noch ausstrahlen, sei allerdings auch darauf hingewiesen, dass Südamerika für Privatanleger ein heißes Pflaster ist. Wer schon länger am Kapitalmarkt aktiv ist, hat mitbekommen, wie etwa Argentinien in diesem Jahrtausend schon mehrfach Staatspleiten hinnehmen musste – vor allem Käufer von argentinischen Staatsanleihen, die den Verlockungen hoher Zinsen erlegen waren, können ein Lied von der Unberechenbarkeit singen, die Südamerika-Investments vergleichsweise riskant machen.
Episoden wie diese dürften auch ein Grund dafür sein, dass die südamerikanischen Börsen in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den übrigen Emerging Markets das Nachsehen hatten. Auf der anderen Seite – und hier wird es dann aktuell interessant – haben sich im bisherigen Jahresverlauf Aktien aus Lateinamerika besser entwickelt als die Papiere aus allen anderen Schwellenländerregionen. So liegt das Plus des MSCI EM Latin America mit rund 26 Prozent in diesem Jahr deutlich vorne. Zwar hinkt die Region den übrigen Emerging Markets auf Fünf-Jahressicht weiterhin hinterher, doch könnte sich diese Lücke womöglich bald schließen oder zumindest deutlich verkleinern.
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Die Unsicherheit bezüglich des künftigen Rohstoffangebots als Folge des Kriegs in der Ukraine und der Wirtschaftssanktionen gegen Russland haben unter anderem die Weltmarktpreise für Energie, Industriemetalle und wichtige Grundnahrungsmittel spürbar nach oben getrieben. Davon haben große Energie- und Rohstoffexporteure aus Chile, Peru und Brasilien profitiert, die zusammen gut ein Drittel der Marktkapitalisierung des MSCI EM Latin America ausmachen. Und sie sorgen auch dafür, dass der Kontinent eine kleine Renaissance in der Wirtschaft und an der Börse erlebt.
Darüber hinaus wartet der MSCI EM Latin America aber mit einer guten Mischung aus Titeln der Finanzbranche, Unternehmen aus dem Bereich nicht zyklischer Konsumgüter und Werten aus der Kommunikationsindustrie auf – die allesamt von der ökonomischen Belebung der Region profitieren könnten. Eine vergleichsweise günstige Bewertung und eine hohe Dividendenrendite sprechen ebenfalls für einen Einstieg.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Für Anleger, die langfristig investieren wollen und dabei zur Schonung ihres Nervenkostüms nur möglichst geringe Schwankungen in Kauf nehmen möchten, ist Südamerika als Investmentziel eine weniger gute Idee. Wer aber auf der Suche nach temporären Chancen ist, gerne das Momentum nutzt und sich als erfahrener Anleger potenzieller Risiken durchaus bewusst ist, der kann zum jetzigen Zeitpunkt darüber nachdenken, einen kleinen Teil seines Portfolios über einen ETF auf den MSCI EM Latin America mit Brasilien und Co zu bestücken.
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