Zschabers Börsenblick US-Börse: Warum Geiz nicht geil ist

Quelle: imago images

US-amerikanische Aktien sind nichts für Pfennigfuchser. Das ist schon mal sicher. Aber es führt auch kein Weg an ihnen vorbei. Auch das ist sicher. Eine Kolumne.

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US-amerikanische Aktien sind nicht billig. Die starken Kurszuwächse, wie im zurückliegenden Jahr, in dem etwa der vielbeachtete S&P 500 über 20 Prozent zugelegt hat, haben die Papiere auf ein bedenkliches Bewertungsniveau gebracht, so das Fazit vieler Beobachter. Dabei verweisen sie unter anderem auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das KGV. Diese Messzahl ist zwar nur ein Aspekt, der allein nicht aussagekräftig ist, doch für eine Ersteinschätzung leistet das KGV wertvolle Dienste.

So sind die im S&P 500 gelisteten Aktien derzeit im Schnitt mit dem 24-fachen ihres für die kommenden zwölf Monate erwarteten Gewinns bewertet. Das heißt: Ein Anleger, der heute Aktien eines US-Konzerns erwirbt, muss im Schnitt 24 Jahre warten, bis sich der Kauf aufgrund des Gewinns des Unternehmens bezahlt gemacht hat. Das ist lang, auch in Hinblick auf die Historie des S&P 500. Im Schnitt lag das KGV in den vergangenen zehn Jahrzehnten bei etwa 18. Fasst man den Zeitraum noch größer, kommt man auf Werte um die 15. Der amerikanische Markt wird über die Jahrzehnte gesehen immer teurer, aber aktuell scheint er eben zu teuer.

Hinzu kommt: Die anstehenden Wahlen in den USA im November lassen die Nervosität auch bei den Anlegern spürbar zunehmen. Dabei geht es gar nicht mal so sehr darum, ob Ex-Präsident Donald Trump oder der amtierende Joe Biden am Ende gewinnen, sondern um die Befürchtung, dass es im Umfeld der Wahlen zu Unregelmäßigkeiten, ja zu Tumulten kommen könnte. Der Abschied Trumps aus dem Weißen Haus im Jahr 2021, die Behauptung, sein Wahlsieg wäre ihm gestohlen worden, und die Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger haben auch in den USA zu großen Irritationen geführt. Man fragt sich auf dem Börsenparkett zu Recht, was wohl passiert, wenn Trump die Wahlen erneut verliert oder beim laufenden Wahlkampf von parteiinternen Konkurrenten wie Nikki Haley überholt wird?

Für Irritationen bei den Anlegern haben zuletzt auch einige Wirtschaftsdaten gesorgt. So ist die Inflation im Dezember in den USA für einige Beobachter unerwartet angezogen. Die Verbraucherpreise stiegen im Dezember um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, nach davor 3,1 Prozent im November. „Ist die Inflation doch nicht besiegt?“, fragen sich die Investoren besorgt. Daraus könnte die Folgerung gezogen werden, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen vielleicht nicht ganz so schnell wie vom Markt erhofft senken wird. An der Börse hat man darauf zuletzt zunehmend verschnupft reagiert.

All diese Unsicherheitsfaktoren in Kombination mit der hohen KGV-Bewertung der US-Aktien lassen einige Investoren vorsichtig werden. Sie mahnen vor einem Einstieg in den US-Markt und sehen die Gefahr einer größeren Korrektur.

Chancen am US-Markt erkennen und nutzen

Das ist die eine Sicht auf die Dinge. Die andere: Zumindest in Sachen Bewertungsniveau kann Entwarnung gegeben werden. Denn das hohe Niveau ist nur durchschnittlich, es gibt durchaus Abweichungen nach oben und nach unten. Besonders teuer, und damit hauptverantwortlich für die aktuell hohe durchschnittliche Bewertung, sind die Technologieaktien – und hier vor allem die berühmt-berüchtigten Big Seven, also: Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla. Ihre KGVs liegen für 2024, je nach Gewinnschätzung, zum Teil jenseits der 50er-Marke. Im Schnitt kommen sie auf ein KGV von fast 40. Da sie zugleich die am höchsten gewichteten Aktien im S&P 500 sind, wird deutlich, dass hier eine gewisse Unfairness gegenüber all den anderen 493 Unternehmen festzustellen ist. Würde man allein alle im Index gelisteten Aktien gleichgewichten, käme man in etwa auf ein Index-KGV von etwa 15. Das hört sich doch gleich schon viel freundlicher an.

Man muss also als Anleger sehr genau hinschauen, wenn am amerikanischen Aktienmarkt von „teuer“ die Rede. Es fragt sich immer, was ist teuer und warum? Denn die hohe Bewertung der Big Seven war und ist zum Teil ja auch gerechtfertigt. Berechnungen von Bloomberg nach haben die „Großen Sieben“ in den zurückliegenden Monaten ihre Gewinne auch deutlich steigern können. Das Nettoergebnis bei Amazon etwa stieg von 3,2 Milliarden Dollar im ersten Quartal 2023 auf 8,5 Milliarden Dollar im vierten Quartal. Solche Zuwächse werden an der Börse dankbar aufgenommen und mit steigenden Kursen honoriert.

Allerdings, so die Ansicht der Bloomberg-Analysten, könnte die Gewinndynamik bei den Big Seven in den kommenden Monaten zwar nicht einbrechen, aber an Schwung verlieren. Damit könnten sie sich wieder den anderen 493 Unternehmen im S&P 500 annähern. Also so eine Art Normalisierung, die an der Börse zu Gewinnmitnahmen bei den Big Seven führen könnte.

Gewinnmitnahmen bei den „Großen Sieben“, aber eben nicht bei all den anderen. Vor allem die vergleichsweise günstigen US-Nebenwerte könnten nun Chancen bieten. Damit rücken neben dem S&P 500 auch andere Indizes in den Blickpunkt, die viele Anleger bislang eher nur so nebenbei beobachtet haben. Dazu zählt etwa der Russell 2000, der den Bereich der Smallcaps in den USA abdeckt.

Spätestens seit dem klar ist, dass die Zinsen in den USA wahrscheinlich nicht weiter angehoben, möglicherweise sogar 2024 gesenkt werden – wenn vielleicht auch später als früher – gewinnen die Small- und Midcaps an Attraktivität. Historisch gesehen haben sie in Zeiten des Aufschwungs die Nase vorn. Wenn die Zinsen fallen und die Wirtschaft wächst, schlägt sich das unmittelbar positiv auf die Margen der kleineren und mittelgroßen Unternehmen nieder.

Der US-Markt bietet also trotz eines insgesamt hohen Bewertungsniveaus attraktive Chancen, auch wenn er sicherlich nichts für Pfennigfuchser ist. Es bleiben zudem die Befürchtungen, dass die Zinsen langsamer als erhofft gesenkt werden oder es zu Unruhen im Umfeld der anstehenden Präsidentschaftswahlen kommen kann. Beide Punkte können an dieser Stelle nicht entkräftet werden, diese Risikofaktoren bleiben.

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Dennoch: US-Aktien gehören nach wie vor in ein gut aufgestelltes Anlegerportfolio. Wer auf den breiten Markt setzen will, dem sind ETFs auf den S&P 500 empfohlen. Wer hingegen die Chancen speziell bei den Nebenwerten nutzen möchte, kann sich unter anderem ein ETF auf den Russell 2000 näher anschauen, wenngleich der Anteil von Small- und Midcaps am gesamten Depot auch nicht allzu üppig ausfallen sollte. Denn: Nie ausschließende neue Krisenherde treffen kleine und mittelgroße Aktien vergleichsweise stark.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

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