Agrar-Spekulation Das Geschäft mit dem Hunger

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Futures aus Chicago als Orientierungslinie

Wetterextreme, wie das Phänomen

Zudem sind Hegdefonds in der Regel keine Dauergäste auf den Agrarmärkten. Dreht ein Preistrend, suchen sich die Spekulanten eine andere Spielwiese. So meldete die US-Aufsicht CFTC für Mitte November, dass die Wetten auf steigende Zuckerpreise um 30 Prozent zurückgingen – der höchste Rückgang binnen einer Woche seit Dezember 2008.

Selbst wenn die Spekulanten die Agrarpreise kurzfristig antreiben, heißt das nicht, dass sich dies eins zu eins im Supermarkt niederschlägt. „Die Börsenpreise in Chicago sind eine Orientierungslinie, spiegeln aber insbesondere bei volatilen Märkten nicht die realen Preise im Agrarhandel wider“, sagt Ottmar Lotz, Vorstand des börsennotierten Agrarunternehmens Agrarius. Landwirte und Händler machten nicht jeden Ausschlag an der Börse mit. „Im vergangenen Jahr stieg der Börsenpreis je Doppelzentner Weizen auf umgerechnet 27 Euro, vom Händler habe ich aber nur 24 Euro bekommen“, sagt Eberhard Peill, der ein Gut am Rand der Eifel bewirtschaftet.

Abweichende Preise

Auch wenn Getreidehändler von jedem Ort der Welt an der Chicagoer Börse handeln können, ist der Preis immer noch eine lokale Angelegenheit. „Selbst in Deutschland gibt es größere Preisunterschiede“, sagt Christof Buchholz, Geschäftsführer der Hamburger Getreidebörse. Schuld daran seien vor allem die unterschiedlichen Transportkosten vom Erzeuger zum Abnehmer. Die Notierungs-Kommission der Börse – acht Händler, Mühlenbetreiber und Futtermittelhersteller – ermittelt maßgebende Preise. Die basieren auf real getätigten Geschäften – und weichen oft erheblich von den Terminkontrakten (Futures) an den Börsen ab.

„Wichtige Agrargüter werden vor allem teurer, weil Produktion und Lagerbestände die Nachfrage kaum decken können“, sagt Henning Breiter, Agraraktienanalyst bei der Bank Hauck & Aufhäuser. Seit 2007 habe sich das Verhältnis von Ernten und Lagerbeständen zur Nachfrage deutlich verschlechtert. Dafür seien das Bevölkerungswachstum, aber auch die Biotreibstoffe verantwortlich.

In den USA gehen 40 bis 50 Prozent des geernteten Mais in die Bioethanolproduktion. Dieses Kontingent fehlt auf dem weltweiten Agrarmarkt. Das International Food Policy Research Institute schätzt, dass der Maispreis allein wegen des Biosprits bis 2020 um 25 Prozent zulegen wird.

Hinzu kommt: Wo Getreide für den Tank angebaut wird, fehlt Ackerfläche für die Lebensmittelproduktion. Auch für die Holzindustrie geht Land verloren – oft begleitet von himmelschreiendem Unrecht: So berichtet die Hilfsorganisation Oxfam von einem Fall aus Uganda, bei dem ein britischer Investor große Flächen aufkaufte, um Eukalyptus für die Holzindustrie anzubauen. Dafür mussten 22 500 Kleinbauern weichen – ohne Entschädigung.

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