Selbst die relativ schwache Weltkonjunktur infolge der anhaltenden Schuldenkrise hat - anders als in früheren Wirtschaftskrisen – den Ölpreis nicht gebremst. Im Gegenteil: Seit dem kurzen, krisenbedingten Tief bei rund 40 Dollar für das Fass (159 Liter) im Winter 2008/09 hat sich der Ölpreis bereits wieder verdreifacht. Allein seit Anfang des Jahres 2012 hat er für die europäische Sorte (Brent) um 17 Prozent zugelegt. Im vergangenen Jahr kletterte der Preis in Europa schon um ebenfalls 17 Prozent.
Woran liegt das? Da wäre zunächst die Politik. Wie kein anderer Rohstoff ist der Ölpreis abhängig von politischen Strömungen; und die wirken auf die Dauer leider nicht preisberuhigend. Denn die heute weltweit bekannten und wirtschaftlich ausbeutbaren Ölvorkommen liegen zu mehr als 75 Prozent in politischen Krisenregionen – oder zumindest in potenziellen Krisengebieten. Der Großteil der bekannten Vorkommen, die seicht und daher relativ kostengünstig gefördert werden können, befinden sich in wenigen Metern Tiefe unter dem Wüstensand, vor allem das qualitativ eher minderwertige (saure) Rohöl auf der Arabischen Halbinsel.
Aktuell treibt die Sorge vor einer Eskalation im Atomstreit mit dem Iran und einem möglichen Militärschlag Israels gegen die Atomanlagen des Landes den Ölpreis. Die EU-Regierungen haben sich geeinigt, das iranische Öl ab dem 1. Juli 2012 zu boykottieren. Das dürfte die Ölpreise in Europa noch weiter anheizen. Der Iran ist nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Anbieter in der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec).
Doch nicht nur die Lagervorkommen, vor allem die Transportwege des Nahost-Öls liegen in politischen Brennpunkten.
Iranische Militärübungen in der Meerenge von Hormus
Immer wieder hat der Iran in der Vergangenheit damit gedroht, die für den Rohölhandel immens wichtige Meerenge von Hormus (zwischen Iran und der Arabischen Halbinsel im Indischen Ozean gelegen) zu blockieren. Dazu ist es bislang noch nicht gekommen. Doch im vergangenen Winter hat das iranische Militär die Blockade der Meerenge in Manövern geübt.
Die Meerenge ist nicht zuletzt wichtig für die schnell wachsenden Schwellenländer in Asien wie China und für das drittgrößte Industrieland der Erde, Japan; die Asiaten beziehen fast ihre gesamtem Öl-Importe aus dem Nahen Osten und über die Straße von Hormus; sie würden von einem Konflikt um den Iran viel schlimmer getroffen als Europa und die USA.
Saudi-Arabien will Lieferungen temporär erhöhen
Saudi Arabien hat zwar bereits angekündigt, seine Lieferungen temporär zu erhöhen. Allerdings dürfte das, wenn überhaupt, nur kurzfristig Entlastung bringen. Denn auch Saudi Arabien hat kein Interesse an niedrigen Ölpreisen. In einem Interview deutete der saudische Ölminister Ali al Naimi im Januar an, dass der Zielpreis seines Landes nicht mehr bei 75 US-Dollar liegen würde, sondern bei 100 US-Dollar. Das bedeutet, dass Saudi-Arabien – das mit Abstand größte Ölförderland der Erde – seine Fördermengen jederzeit wieder drosseln dürfte, sollte sich der Ölpreis entspannen.
Langfristig ist ein Preis von unter 100 Dollar je Fass (159 Liter) ohnehin nicht zu erwarten. Denn auf die Dauer wird das Öl knapp. Das Maximum der konventionellen Ölförderung wurde nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris bereits vor sechs Jahren erreicht. Seitdem stagniert die Förderung laut Daten der IEA.