Crowdinvesting Lemonaid verspricht fünf Prozent Zinsen – kann das gutgehen?

Lemonaid, noch junger Hersteller von Erfrischungsgetränken, bietet Investoren über eine Crowdinvesting-Plattform eine Verzinsung von fünf Prozent. Quelle: imago images

Lemonaid sammelt Geld bei seinen Kunden ein – und bietet dafür fünfmal mehr Zinsen als ein Land wie Griechenland. Die Vergangenheit zeigt: Solche Zinsangebote können teuer werden.

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„Wir zahlen lieber Zinsen an Überzeugungstäter als an Banken“, sagt Lemonaid-Marketingchef Christopher Owen. Deshalb sammelt der Hamburger Limonadenhersteller jetzt drei Millionen Euro bei seinen Kunden ein. Ab einer Summe von 250 Euro ist jeder dabei, der möchte. Lemonaid bietet fünf Prozent Zinsen pro Jahr – plus eine Gewinnbeteiligung über eine Laufzeit von fünf Jahren.

Das ist ein erstaunlicher Zinssatz in Zeiten, wo das Bankkonto keine Zinsen mehr abwirft und Menschen, die in sichere Bundesanleihen investieren wollen, noch etwas draufzahlen müssen. Selbst die hochverschuldeten USA bieten nur 1,6 Prozent Zins. Hohe Zinssätze gibt es nur von hoch verschuldeten Schuldnern, mit entsprechend großem Risiko. Was also steckt hinter dem zuckersüßen Renditetraum? Bleibt am Ende nur ein schaler Nachgeschmack, der Anlegern übel aufstößt?

„Es ist ein schönes Tool, unsere Community in unsere Wachstumsstory einzubinden“, so Lemonaid. Das Unternehmen will das bei den Anlegern eingesammelte Geld nutzen, um Bankkredite abzuzahlen  – und um weiter zu expandieren, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel und im Ausland. So sei die Limonade zwar bereits in vielen Szenebars zu haben, stünde aber erst in 20 Prozent aller Edekas im Kühlregal. „Im urbanen Raum in Deutschland sind wir allgegenwärtig, aber in ländlichen Gebieten gibt es noch viel für uns zu holen“, so Owen.


Lemonaid ist nicht das erste deutsche Unternehmen, das sich über Crowdinvesting finanziert. Immer mehr Unternehmen leihen sich Geld von Verbrauchern, statt über Bankdarlehen. Unternehmen kommen so leichter an Fremdkapital und die Anleger besitzen kein Mitentscheidungsrecht. Vor allem in der Immobilienwirtschaft wird Crowdinvesting immer beliebter, aber auch Start-ups, die lange keine Gewinne erwirtschaften, greifen zunehmend darauf zurück. Und manche Unternehmen – wie die Wiener Feinbäckerei Heberer – nutzen das Geld nicht für Innovationen, sondern schlicht, um Bankverbindlichkeiten abzubauen. Für Anleger bergen solche Investments in oft nicht mal börsennotierte Anleihen Risiken.

Zinslockangebote mit Haken

Die Lebensmittellieferdiente Sirplus und Frischepost sowie die Tomorrow Bank versuchen aktuell, mit Schwarmfinanzierung an Geld zu kommen. „Warum geben 200 Menschen in 300 Minuten drei Millionen Euro?“, fragt das Fintech Tomorrow auf seiner Webseite, um gleich die Antwort zu präsentieren: „Weil Geld Teil der Lösung sein kann.“ Nämlich um ein nachhaltiges Finanzsystem zu entwickeln. Bereits im Herbst vergangenen Jahres startete das Fintech seine Crowd-Kampagne, am 18. Oktober folgt die nächste Runde. Für ihr Investment belohnt die grüne Smartphonebank Anleger: mit einem festgelegten Zins von fünf Prozent.
Eine garantierte Rendite?

Der Blick auf das Kleingedruckte lohnt hier. Die Zinslockangebote haben ein paar Haken. Das Geld ist erstens über die gesamte Laufzeit gebunden. Bei Tomorrow wie Lemonaid bekommt man sein Investment plus Verzinsung erst nach fünf Jahren zurück. Anders als an der Börse, wo Anleger ihr Kapital abziehen können, wann immer sie wollen. Gerade deswegen sollten Anleger wirklich nur Geld in solche Investments stecken, das sie in den nächsten Jahren definitiv nicht brauchen. Quasi das Spielgeld vom Spielgeld.

Hinzu kommt – und darauf weist Tomorrow auch hin: Es gibt keine Garantie, dass die Rendite tatsächlich erzielt wird. Geht der Emittent pleite, ist das Geld futsch. Bei der kleinstmöglichen Investmentsumme bei Tomorrow von 100 Euro ist das noch verkraftbar. Bei größeren Summen (bis zu 25.000 Euro sind möglich) dürften sich die Anleger aber sehr ärgern.

Auch Fußballvereine wie der Hamburger Sport-Verein oder Stadtrivale St. Pauli geben sogenannte Fan-Anleihen heraus. Ihre Renditehoffnung stecken Anleger hier über viele Jahre in die sportliche Leistung eines Teams. Klappt es zum Beispiel nicht mit dem Aufstieg in eine höhere Liga, kann die Rückzahlung der Anleihe in Gefahr geraten.

Auch bei Lemonaid gibt es für Anleger einige Tücken: Die Community, die dem schnell wachsenden Limonadenhersteller ihr Geld anvertrauen soll, weiß deutlich weniger über Lemonaid als eine Bank, ehe sie einen Kredit vergibt. Viele Crowdinvesting-Vergleichsportale nennen immerhin die wichtigsten Finanzkennzahlen, allerdings erst nach Registrierung. Anleger müssen also immer selbst das Unternehmen unter die Lupe nehmen, dem sie Geld leihen wollen.

Im Lemonaid-Emissionsprospekt warnt der Getränkehersteller vor dem Risiko eines Totalverlustes, sowohl bezogen auf die Zinserträge als auch den Anlagebetrag. Bei der Geldanlage handelt es sich um eine „nachrangige, tokenbasierte Schuldverschreibung“. Die Beteiligung soll über die bei Kryptowährungen eingesetzte Blockchain-Technologie abgewickelt werden. DIe Emission läuft auf der Crowdinvesting-Plattform Wiwin.

Wichtig für Anleger ist vor allem: Nachrang bedeutet, dass sie sich im Fall der Fälle ganz hinten in der Schlange der Gläubiger einreihen müssen. Bei einer Insolvenz wäre ihr Geld also wohl verloren. Und dieses Risiko lässt sich vorab kaum verlässlich einschätzen: Wie viel Geld Lemonaid im vergangenen Jahr erwirtschaftet hat und wie hoch der Brausehersteller schon verschuldet ist, schlüsselt er in den Unterlagen zum Crowdinvesting nicht auf.

Hoher Millionenschaden

Erst auf Seite 33 im Faktenanhang steht der Link zum Geschäftsabschluss zum Coronakrisenjahr 2020. In der Pandemie nahm das Unternehmen einen Bankkredit von 500.000 Euro auf, die Verbindlichkeiten insgesamt betragen 1,7 Millionen Euro. Der Umsatz war wegen der langen Schließungen der Gastronomie von 13,7 Millionen Euro im Vorjahr auf 10,5 Millionen Euro zurückgegangen. Der Gewinn brach auf ein Zehntel ein, von 1,4 Millionen Euro auf 146.000 Euro.  „Seit Jahren arbeiten wir nicht nur für die gute Sache, sondern auch profitabel. Sogar in der Pandemie“, heißt es im Prospekt. Das durchschnittliche Wachstum pro Jahr habe seit Gründung 2009 stolze 46 Prozent betragen. In diesem Jahr aber will Lemonaid 25 Millionen Flaschen Brause verkaufen, ein Umsatzrekord – trotz der Nachwehen von Corona.

Längst gibt es Lemonaid in 19 Ländern der Welt – darunter selbst Exoten wie Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate. Lemonaid will vor allem in Kernmärkten wie Großbritannien, Österreich, Schweiz, Frankreich und Holland wachsen und dort auch in die Supermärkte kommen. Von Anfang an ist Lemonaid dabei ohne externe Investoren ausgekommen. Den beiden Gründern Paul Bethke und Felix Langguth gehört die Firma nach wie vor zu 100 Prozent. Das soll auch so bleiben: „Das wollen wir weiter so beibehalten“ so Owen, „Wir wollen wie bisher unsere Mission vorantreiben und sozial Gutes tun.“ Dabei setzt Lemonaid nicht nur auf fair gehandelte Rohstoffe, sondern zahlt auch einen Teil der Erlöse an die gemeinnützige Organisation Lemonaid & ChariTea e.V. Sechs Millionen Euro sollen so insgesamt für die Entwicklungszusammenarbeit zusammengekommen sein.

Nicht nur größere Unternehmen wie Lemonaid oder Tomorrow haben das Crowdinvesting für sich erkannt. Auch ein Lieferdienst für Salate und Bowls aus Oberhausen will so an Geld kommen. Die Rendite von fünf Prozent kann man sich nach Laufzeitende auch als Gutschein quittieren lassen. Der große Hype entstand bislang noch nicht, keine 9000 Euro generierte die Firma, deren Daten sich nicht mal im Bundesanzeiger nachvollziehen lassen, so. Kleine Lieferdienste als Investmentchance? Nicht nur die Fluktuation auf den Schlemmermeilen der Republik sollte Anleger zu Vorsicht mahnen.

Wie groß der finanzielle Schaden bei solchen Zinsversprechen sein kann, zeigt die Entwicklung mancher Mittelstandsanleihen. Über dieses Konstrukt sammelte der Brennstoffhersteller German Pellets Anlegergeld in Millionenhöhe ein. So wollte das Unternehmen die Expansion stemmen und weiteres Wachstum finanzieren. Den Anlegern versprach man: „Acht Prozent Zinsen mit Energie, die nachwächst.“ Stattdessen wurden die rund 270 Millionen Euro von 17.000 deutschen Anlegern und weitere 540 Millionen Dollar verbrannt. Ein vorab festgelegter Zins ist eben keine Garantie für eine üppige Rendite.

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