Einige Banken nutzen das Geschäft mit den vergessenen Konten der Toten gleich doppelt. Zum einen können sie deren Spareinlagen in Form von Krediten weiterreichen – ein gewinnbringendes Geschäft, zumindest in normalen Zeiten, in denen Bankeinlagen nicht mit Strafzinsen belastet werden. Zudem lassen einige Institute die Kontogebühren scheinbar endlos weiterlaufen. Die Ostsächsische Sparkasse Dresden etwa kassiert Gebühren, solange das Konto existiert. „Grundsätzlich führen wir die Konten unbegrenzt fort.“ Erst wenn das Konto ins Minus rutscht, kündigt es die Sparkasse.
Die Sparkasse Köln-Bonn löst Girokonten mit einem Guthaben von weniger als 500 Euro nach einer gewissen Zeit auf, hält das Geld aber weiter vor. Andere Banken geben an, das Vermögen von nachrichtenlosen Konten nach einer bestimmten Zeit auf einen gesonderten Server zu buchen, der Bankenverband nennt das „Sammelkonto“.
Gemein ist allen nur, dass sie die Guthaben der Verstorbenen wenigstens 30 Jahre aufheben. Normalerweise könnten Erben noch nach Jahrzehnten den Spargroschen von der lange verstorbenen Großtante einfordern – wenn sie denn wüssten, dass er existiert.
Stochern in der Grauzone
Wie verbreitet ist das Phänomen? Die WirtschaftsWoche hat die größten deutschen Banken und Sparkassen nach ihren nachrichtenlosen Konten und deren Volumen gefragt und höchst unterschiedliche Antworten bekommen. Die Sparkasse Nürnberg etwa hat rund 140.000 unbewegte Sparkonten mit einem Volumen von vier Millionen Euro angesammelt. Die Stuttgarter Volksbank hat angeblich gar keine: „Wir durchsuchen die Todesanzeigen in den örtlichen Medien und die Sterbefallmeldungen des Standesamts“, heißt es dort. Diese würden dann mit den Kundendaten verglichen.
Die meisten Institute geben an, schlicht nicht zu wissen, wie viele unbewegte Konten sie führen. „Zu Anzahl und Volumen unbewegter Sparkonten liegen uns keine belastbaren Auswertungen vor“, erklärt die Kreissparkasse Köln. Gleiches berichten die Sparda-Bank Hessen und die Sparkasse Pforzheim Calw, selbst die Commerzbank gibt an, keine Statistik über umsatzlose Konten zu führen. Bei der Deutschen Bank heißt es, nachrichtenlose Konten und Depots seien relativ selten, da die Berater regelmäßig Kontakt mit den Kunden hätten und schon früh Vollmachten für den Todesfall erstellt würden. Die Beraterin einer großen Sparkasse erklärt, sie habe etwa 1500 Kunden in ihrer Kartei. Die forste sie etwa einmal jährlich durch. „Wen ich länger nicht gesehen habe, den rufe ich an.“
Das tun die Mitarbeiter der Onlinebanken in der Regel nicht. Sie bestreiten aber, dass sie den Kontakt zum Kunden schneller verlieren als klassische Institute mit ihren Beratern. Oft komme die Nachricht über den Tod eines Kunden von der Schufa, erklärt die Deutsche Kreditbank (DKB). Weil EC- und Kreditkarten regelmäßig ausgetauscht werden, kämen auch Direktbanken immer wieder per Post mit ihren Kunden in Kontakt. „In der digitalen Welt finden Banken sogar mehr Spuren über ihre Kunden“, sagt Bankenverbandsjustiziar Höche.
Keine Zahlen, keine festen Regeln: Im Umgang mit nachrichtenlosen Konten scheinen die Banken, sonst an allen Ecken und Enden streng reguliert, weitgehend frei. Selbst die Bonner Finanzaufsicht BaFin macht keine Vorgaben, wie mit solchen Konten zu verfahren ist.