Erbschaften Das dicke Geschäft mit den toten Konten

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Doppelte Ausnutzung der vergessenen Konten

Einige Banken nutzen das Geschäft mit den vergessenen Konten der Toten gleich doppelt. Zum einen können sie deren Spareinlagen in Form von Krediten weiterreichen – ein gewinnbringendes Geschäft, zumindest in normalen Zeiten, in denen Bankeinlagen nicht mit Strafzinsen belastet werden. Zudem lassen einige Institute die Kontogebühren scheinbar endlos weiterlaufen. Die Ostsächsische Sparkasse Dresden etwa kassiert Gebühren, solange das Konto existiert. „Grundsätzlich führen wir die Konten unbegrenzt fort.“ Erst wenn das Konto ins Minus rutscht, kündigt es die Sparkasse.

Die Sparkasse Köln-Bonn löst Girokonten mit einem Guthaben von weniger als 500 Euro nach einer gewissen Zeit auf, hält das Geld aber weiter vor. Andere Banken geben an, das Vermögen von nachrichtenlosen Konten nach einer bestimmten Zeit auf einen gesonderten Server zu buchen, der Bankenverband nennt das „Sammelkonto“.

Gemein ist allen nur, dass sie die Guthaben der Verstorbenen wenigstens 30 Jahre aufheben. Normalerweise könnten Erben noch nach Jahrzehnten den Spargroschen von der lange verstorbenen Großtante einfordern – wenn sie denn wüssten, dass er existiert.

Was die Deutschen mit ihrem Erbe machen
Kleinere und größere AnschaffungenWozu sollen die geerbten Millionen auf dem Konto versauern, wenn man sich doch beispielsweise solch eine Luxusjacht damit kaufen kann? Genau so denken 39 Prozent der Deutschen – zumindest geben sie an, ihr Erbe für kleinere und größere Anschaffungen zu verwenden. In Sachsen sind die Menschen besonders kauffreudig, denn hier verwendet jeder Zweite sein Erbe für eine Anschaffung. In Hessen setzt man hingegen eher auf Sparsamkeit – nur etwa jeder dritte Hesse verwendet sein Erbe für kleinere oder größere Anschaffungen. Quelle: dpa
SparfüchseFast jeder fünfte Deutsche ist ein Sparfuchs und gibt das geerbte Geld nicht sofort aus. Rund 17 Prozent der von der Quirin Privatbank befragten Personen gaben an, ihr geerbtes Bankguthaben bei einer anderen Bank angelegt zu haben. Zwölf Prozent der Befragten beließen das Guthaben bei der ursprünglichen Bank. Quelle: dpa
ImmobilienWas würden Sie tun, wenn sie ein Schlösschen wie dieses erben würden? Für 14 Prozent der Befragten wäre ein sofortiger Verkauf die einzige Antwort auf diese Frage. Und nur neun Prozent der Befragten gaben an, in geerbtem Immobilienbesitz zu wohnen. Am verkaufsfreudigen sind die Bremer – hier gaben 27 Prozent der Befragten an, geerbten Immobilienbesitz verkauft zu haben. Bei den Bewohnern von geerbtem Immobilienbesitz sind die Baden-Württemberger mit 14 Prozent Spitzenreiter. Quelle: dpa
Aktien und WertpapiereFünf Prozent der Deutschen gaben bei der Befragung durch die Quirin Privatbank an, geerbte Aktien oder Wertpapiere behalten zu haben. Warum auch nicht – vielleicht war der Ur-Opa einer der ersten Aktionäre eines heutigen Weltkonzerns. Da könnte sich der Erhalt der bunten Papiere durchaus lohnen. Quelle: dpa
Rente und LebensversicherungGerade einmal drei Prozent der Deutschen haben ihr Erbe in eine Renten- oder Lebensversicherung investiert. In Sachsen-Anhalt kann sich nahezu niemand für diese Art des Investments begeistern, in Mecklenburg-Vorpommern immerhin sechs Prozent. Quelle: dpa
Rente und LebensversicherungLediglich zwei Prozent der Befragten gaben an, mit ihrem Erbe soziale Zwecke unterstützt oder Teile des Geldes gespendet zu haben. Auf immerhin vier Prozent kommen Bayern und Bremen, Schlusslichter mit einem Prozent sind Baden-Württemberg und Berlin. Quelle: dpa
Was kommt nach der Erbschaft?Sie haben es geschafft und Opas Ferrari steht nun endlich in der Garage – doch was kommt jetzt? Fast jeder zweite Deutsche fühlt sich nicht ausreichend zum Thema Erben und Vererben informiert. Der größte Informationsbedarf besteht demnach in den Bereichen Steuern und Testament, aber auch bei den Notar-Pflichten ist sich jeder Vierte unsicher. Quelle: dpa

Stochern in der Grauzone

Wie verbreitet ist das Phänomen? Die WirtschaftsWoche hat die größten deutschen Banken und Sparkassen nach ihren nachrichtenlosen Konten und deren Volumen gefragt und höchst unterschiedliche Antworten bekommen. Die Sparkasse Nürnberg etwa hat rund 140.000 unbewegte Sparkonten mit einem Volumen von vier Millionen Euro angesammelt. Die Stuttgarter Volksbank hat angeblich gar keine: „Wir durchsuchen die Todesanzeigen in den örtlichen Medien und die Sterbefallmeldungen des Standesamts“, heißt es dort. Diese würden dann mit den Kundendaten verglichen.

Die meisten Institute geben an, schlicht nicht zu wissen, wie viele unbewegte Konten sie führen. „Zu Anzahl und Volumen unbewegter Sparkonten liegen uns keine belastbaren Auswertungen vor“, erklärt die Kreissparkasse Köln. Gleiches berichten die Sparda-Bank Hessen und die Sparkasse Pforzheim Calw, selbst die Commerzbank gibt an, keine Statistik über umsatzlose Konten zu führen. Bei der Deutschen Bank heißt es, nachrichtenlose Konten und Depots seien relativ selten, da die Berater regelmäßig Kontakt mit den Kunden hätten und schon früh Vollmachten für den Todesfall erstellt würden. Die Beraterin einer großen Sparkasse erklärt, sie habe etwa 1500 Kunden in ihrer Kartei. Die forste sie etwa einmal jährlich durch. „Wen ich länger nicht gesehen habe, den rufe ich an.“

Das tun die Mitarbeiter der Onlinebanken in der Regel nicht. Sie bestreiten aber, dass sie den Kontakt zum Kunden schneller verlieren als klassische Institute mit ihren Beratern. Oft komme die Nachricht über den Tod eines Kunden von der Schufa, erklärt die Deutsche Kreditbank (DKB). Weil EC- und Kreditkarten regelmäßig ausgetauscht werden, kämen auch Direktbanken immer wieder per Post mit ihren Kunden in Kontakt. „In der digitalen Welt finden Banken sogar mehr Spuren über ihre Kunden“, sagt Bankenverbandsjustiziar Höche.

Keine Zahlen, keine festen Regeln: Im Umgang mit nachrichtenlosen Konten scheinen die Banken, sonst an allen Ecken und Enden streng reguliert, weitgehend frei. Selbst die Bonner Finanzaufsicht BaFin macht keine Vorgaben, wie mit solchen Konten zu verfahren ist.

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