Intelligent investieren

Buffett und Gold – wie man darüber denken kann

Seite 3/3

Faktisches und Kontrafaktisches

Buffett und Munger betrachten die Dinge bekanntlich in Langfristperspektive. Sie weisen auf den immensen Wohlstandszuwachs hin, der in den Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Jahrzehnten erzielt wurde. Gegenüber Buffetts Kindertagen hat sich das Pro-Kopf-Einkommen der US-Amerikaner versechsfacht – eine ohne Frage atemberaubende Entwicklung (man sollte dabei in Rechnung, dass die US-Bevölkerung von 123 Millionen in 1930 auf 323 Millionen in 2016 angewachsen ist). Aus Sicht von Buffett und Munger funktioniert das US-System, politisch wie wirtschaftlich grosso modo: Alle haben hinzugewonnen, der Wohlstandszuwachs der Amerikaner ist weitaus größer ausgefallen als für viele Menschen anderswo.

Die beiden besten Investoren ziehen damit – wie viele andere heutzutage auch – Bilanz auf Basis des Faktischen, des tatsächlich Geschehenen. Das Kontrafaktische – also das, was entstanden wäre, wenn man anders gehandelt hätte – bleibt außen vor. Wer den faktischen Blickpunkt wählt, kann aber nur schwerlich die negativen Folgen des Fiat-Geldes identifizieren: das Ausufern des Staatsapparates zu Lasten der bürgerlichen Freiheiten; das Ausweiten der militärisch-aggressiven Interventionen in vielen Teilen der Welt; all die Kriege mit vielen Millionen Toten; die Wirtschafts- und Finanzkrisen mit ihren negativen Wirkungen auf die Einkommens- und Lebensverhältnisse vieler Menschen; und nicht zuletzt die unsozialen Verteilungswirkungen, für die das Fiat-Geld sorgt.

All diese Missstände wären beispielsweise mit einem goldgedeckten US-Dollar so nicht denkbar. Der Einwurf, ohne einen beliebig vermehrbaren Fiat-US-Dollar hätte es die Wohlstandsmehrung der vergangenen Dekaden nicht gegeben, kann nicht überzeugen: Es ist nicht richtig zu meinen, die Vermehrung der Geldmenge durch Kreditvergabe und das politisch motivierte Absenken des Marktzinses könnten Wohlstand schaffen.

Ohne eine Diskussion an dieser Stelle zu entfalten, sei nur so viel gesagt: Wenn die Geldmengenvermehrung Wohlstand schafft, warum dann nicht mit einem Schlag die Geldmengen verzehn-, verhundert- oder vertausendfachen und damit die Armut von diesem Globus fegen? Wenn Nullzins Wohlstand schafft, warum senken die Zentralbanken nicht alle Zinsen sofort auf die Nulllinie? Warum kein Gesetz erlassen, das einen Zins von null Prozent vorschreibt?

Buffett und Munger haben ihren Aktionären zweifelsohne eine großartige Möglichkeit eröffnet, den Widrigkeiten des Fiat-Geldsystems zu entkommen, sich gewissermaßen selbst zu verteidigen gegen das Fiat-Geld der Zentralbanken und dabei wohlhabend zu werden. Die schwerwiegenden volkswirtschaftlichen Probleme des Fiat-Geldes können so aber nicht gelöst werden. Gerade deshalb sollte der Investor Buffetts Hinweis, die Wertentwicklung des Goldes sei hinter der der Aktien zurückgeblieben, umsichtig reflektieren – und sich bewusst machen, dass Gold Geld ist, und dass es ökonomisch gesehen keine überzeugenden Gründe gibt, vom Goldgeld abzuraten, schon gar nicht, wenn die Alternative das Fiat-Geld ist.

Edelmetalle als „sicherer Hafen“? So klappt's mit der Goldanlage

Diese zeitlose Einsicht hat der Ökonom Ludwig von Mises (1881 – 1973) bereits im Jahr 1940 vorgebracht: „Man hat an der Goldwährung manches auszusetzen gewusst; man hat ihr den Vorwurf gemacht, dass sie nicht vollkommen sei. Doch niemand weiß anzugeben, wie man an Stelle der Goldwährung Vollkommeneres und Besseres setzen könnte.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%