Intelligent investieren
Staatsanleihen: Keine ethischen Investments? Quelle: dpa

Staatsanleihen – ein unmoralisches Angebot

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Staatsanleihen sind für viele Anleger eine beliebte und relativ sichere Form der Geldanalage. Kolumnist Thorsten Polleit erklärt, warum er das aus ethischer Sicht nicht für akzeptabel hält.

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Viele Investoren denken darüber nach, wie man ethisch investiert: in was man investiert, damit die daraus erwachsenden Erträge nicht zum Schaden von Menschen und Umwelt sind („vermeidende ethische Anlagen“) und eine politisch-sozial akzeptierte Wirtschaftsweise fördern („fördernde ethische Anlagen“). Professionelle Investoren erarbeiten nicht selten umfangreiche Anforderungslisten, die Investments erfüllen müssen, damit sie als ethisch akzeptabel eingestuft werden können.

Als ethisch inakzeptabel gelten häufig Investitionen in Unternehmen, die mit Gen- und Waffentechnik Geld verdienen, oder die ihre Gewinne mit Alkohol, Zigaretten und Computerspielen erwirtschaften. Was jedoch erstaunlicherweise in den Listen der ethischen Investments regelmäßig auftaucht sind: Staatsanleihen. Wer darüber nachdenkt, der wird allerdings erkennen, dass Staatsanleihen wahrlich keine ethischen Investments sind. Dazu nachstehend die Erklärung.

Die Ethik

Die Ethik, ein Teilbereich der Philosophie, beschäftigt sich mit den Voraussetzungen und der Bewertung des menschlichen Handelns. Ethisches Handeln ist, kurz gesprochen, gutes, ist richtiges Handeln, ist moralische Verhalten. Der preußische Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) hat dazu die Vorlage formuliert: den Kategorischen Imperativ. Der Volksmund kennt ihn im Ausspruch: „Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg‘ auch keinem anderen zu.“

Ethisches Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass die handlungsleitenden Regeln für alle überall und jederzeit gelten (und dass das Befolgen der Regeln auch das Überleben der Handelnden sichert). Kann ich beispielsweise wollen, dass alle stehlen? Stehlen macht jedes Eigentum, den auch der Stehlende anstrebt, unmöglich. Wer stiehlt, nimmt für sich etwas in Anspruch, das er anderen verwehrt. Stehlen kann folglich nicht ethisch sein. 

Doch was qualifiziert sich als ethisches Handlungsprinzip? Eine Antwort lautet: Ethisch ist das Handeln, das das Eigentum respektiert – Eigentum verstanden als das Selbsteigentum eines jeden an seinem Körper und an den Dingen, die man rechtmäßig, ohne Aggression gegen andere, erworben hat. (Das ist übrigens eine logisch nicht hintergehbares Prinzip: Man kann ihm nicht widersprechen, ohne sich dabei in einen Selbstwiderspruch zu verstricken.)

Hat man das erkannt, dann wird auch klar, wie geradezu wunderbar die Idee des freien Marktes aus ethischer Sicht ist. Unverrückbares Kernstück des freien Marktes – oder, um einen „Kampfbegriff“ zu verwenden: des Kapitalismus – ist der unbedingte Respekt vor dem Eigentum: Ein jeder gehört sich selbst, ist Eigentümer seines Körpers und der Früchte der eigenen Hände Arbeit. 

Mit dieser Handlungsnorm hat jeder die Freiheit, mit anderen zu handeln, zu kooperieren, und zwar stets auf Basis der wechselseitigen Freiwilligkeit. Das schließt natürlich auch das Recht ein, in Ruhe gelassen zu werden. Die Grenzen des richtigen Handelns sind damit klar und eindeutig gesetzt: Ich darf mit meinem Handeln nicht Deine körperlichen Unversehrtheit und Dich in Deinem sonstigen Eigentum schädigen. Gleiches gilt für Dich.

Der Staat

Wer den „unbedingten Respekt vor dem Eigentum“ als ethische Norm akzeptiert, der erkennt, dass der Staat (wie wir ihn heute kennen) ein Problem darstellt. Er macht etwas, was aus gutem Grund allen anderen verwehrt ist: Er nimmt den Bürgern ohne ihr Einverständnis Geld weg, und sie haben noch nicht einmal Anspruch auf eine individuelle Gegenleistung. Dass der Staat das erbeutete Geld – nachdem er davon sich bezahlt hat – für dies und das ausgibt, macht es nicht besser. Er verstößt gegen die ethische Handlungsnorm, das Eigentum zu respektieren.

Es ist absehbar, dass solch ein Staat eine immer größer werdende Zahl von „Fans“ und Günstlingen um sich schart. Zusammen entwickeln sie ein Verlangen nach dem Geld derjenigen, die nicht zum Staat gehören. Die Steuern, die die produktiven Bürger und Unternehmer zähneknirschend bereit sind zu zahlen, reichen nicht aus. Daher weicht der Staat auf eine für ihn besonders attraktive Geldbeschaffung aus: die Verschuldung.

Staatsschuldpapiere stoßen meist auf rege Nachfrage: Viele Anleger sehen in den Anleihen des Staates eine relativ sichere Möglichkeit, um eine angemessen Rendite zu verdienen. Sie geben daher ihr Geld – anders als bei der Steuereintreibung – dem Staat freiwillig. Das ist das Tückische: Niemand fühlt sich geprellt, und deshalb kommt der Staat per Kreditaufnahme auch so leicht an das Geld seiner Untertanen.

Das „Ponzi-Spiel“

Wie bezahlt der Staat die Zinsen und Tilgungen auf seine Schulden? In der Regel ist er ein Dauerschuldner, er ersetzt fortlaufend fällige Kredite mit neuen Krediten. Das funktioniert so lange problemlos, wie es Anleger gibt, die meinen, dass künftig, wenn die Staatsschulden fällig werden, andere Anleger bereit sind, die neuen Schuldpapiere zu kaufen. Und diese künftigen Anleger haben die gleiche Erwartungshaltung. 

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