Es wäre die wohl größte Übernahme in der Welt der Kryptowährungen gewesen: Die führende Kryptobörse Binance wollte den Rivalen FTX übernehmen. Grund für den Hilferuf von FTX ist eine Liquiditätskrise. Doch bloß einen Tag später ist der Deal bereits geplatzt
Binance zieht sich von dem Deal zurück, nachdem sie Einblicke in die Finanzdaten des Übernahmekandidaten erhalten habe. Das teilte das Unternehmen am Mittwochabend über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Insider berichten gegenüber US-Medien, dass in den Büchern offenbar eine Milliardenlücke zwischen Verbindlichkeiten und Vermögenswerten entdeckt worden sei. Nun droht FTX wohl die Insolvenz – mit Folgen für Anleger.
Die gescheiterte Übernahme ist ein herber Schlag für den Kryptomarkt. Der Kryptowinter seit Anfang des Jahres hat schon viele Unternehmen in die Insolvenz getrieben und das Vertrauen in die Branche ramponiert. Die Liquiditätssorgen bei FTX sorgten nun erneut für Panikverkäufe am Kryptomarkt. „Es ist die Unsicherheit vor weiteren Ansteckungsrisiken in der Branche, welche Anleger Reißaus nehmen lässt“, kommentiert Timo Emden vom Analysehaus Emden Research.
Krypto-Kurse brechen zweistellig ein
Innerhalb weniger Tage wurden fast 200 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet. Der Bitcoin-Kurs sackte auf Wochensicht um 17,6 Prozent auf zuletzt 16.577 Dollar ab, dem niedrigsten Stand seit November 2020. Ether brach sogar um fast 22,6 Prozent auf zuletzt 1193 Dollar ein. Die Kurse hatten sich am frühen Mittwochmorgen nur leicht erholt.
Noch schlimmer sah es beim FTX-Token FTT aus: Er verlor binnen weniger Tage 89 Prozent an Wert. Diese Verwerfungen hatten am Dienstag auch zu zwischenzeitlichen Verbindungsproblemen bei der Kryptobörse Coinbase geführt. Das war ein Problem für die Nutzer: Wer keinen Zugriff auf seine Kryptowerte hatte, war gezwungen, die Kurseinbußen auszusitzen.
Das Hin und Her im Zwist zwischen den beiden Kryptobörsen schien mit der Übernahmeankündigung am Dienstag eigentlich beendet. Dabei hatte der Krypto-Marktführer Binance die Sorgen über Liquiditätsprobleme bei FTX mit befeuert. Am Sonntag schrieb Binance-Chef Chengpeng Zhao – in der Branche nur CZ genannt – bei Twitter, seine restlichen Bestände des FTX-Token (FTT) im Wert von über einer halben Milliarde Dollar verkaufen zu wollen.
Das trieb den Abverkauf von FTT voran. Hintergrund waren ursprünglich kritische Medienberichte über die Bilanz der Handelsfirma Alameda Research, einem Schwesterunternehmen von FTX. Die Bilanz sei mit FTT-Token aufgebläht, die wiederum von der Handelsplattform FTX ausgegeben werden. Noch am Sonntag hatte Bankman-Fried dies als „falsche Gerüchte“ abgetan.
Mit der Übernahme hätte Binance sich die Nummer drei unter den Kryptobörsen einverleibt und sein Imperium deutlich ausgebaut. Am Kryptomarkt wäre man nach der Übernahme kaum noch an Zhao und seine Handelsplattform vorbeigekommen. Während andere Kryptounternehmen mit der Insolvenz kämpfen oder eine Entlassungswelle nach der anderen verkünden, ist der Marktführer auf Expansionskurs. Erst im Sommer verkündete das Unternehmen, 2000 neue Mitarbeiter einstellen zu wollen.
Vergangene Woche gab Binance zudem bekannt, sich mit 500 Millionen Dollar nach Elon Musks Twitter-Übernahme an dem Kurznachrichtendienst beteiligen zu wollen. Krypto-Anleger tun gut daran, die Aktivitäten von Binance-Chef Zhao in den sozialen Netzwerken zu verfolgen.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 9. November. Wir haben ihn laufend aktualisiert.
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