Pensionslasten der Unternehmen Von wegen Schock: Zinswende entlastet um 105 Milliarden Euro

Zinswende entlastet die Unternehmen bei der Pensionslast. Quelle: Getty Images

Die rasant gestiegenen Zinsen führen nicht nur zu Verwerfungen, sie haben auch eine positive Seite: bei den Pensionsverpflichtungen der Unternehmen. Einen Schönheitsfehler gibt es allerdings.

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Steigende Zinsen sind für viele Unternehmen eine Herausforderung. Das hat verschiedene Gründe: Die höheren Zinsen verteuern Kredite und entwerten künftige Erträge. Denn die Geldflüsse der Zukunft müssen mit einem höheren Zins auf ihren Gegenwartswert umgerechnet werden („abdiskontiert“). Auch viele Vermögenswerte, etwa Immobilien, können so an Wert verlieren, was die Bilanzen belastet.

Dieser Effekt steckte maßgeblich hinter den jüngsten Bankturbulenzen, etwa bei der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA, die nach Geldabflüssen langlaufende Staatsanleihen mit Kursverlusten verkaufen musste. Die Anleihen hatten aufgrund des Zinsanstiegs an Wert verloren. All das ist derzeit relevant, denn seit Anfang 2022 sind die Zinsen rasant gestiegen. Jüngst hoben die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed die Leitzinsen erneut an.

Doch die Zinswende hat auch eine positive Seite für Unternehmen. Vor allem große Unternehmen müssen sehr viel Geld für ihre späteren Betriebsrenten einplanen. Je höher der Zins steigt desto leichter lassen sich diese künftigen Lasten stemmen. Einmal im Jahr untersucht die Unternehmensberatung Willis Towers Watson (WTW) im Detail, wie es um die Pensionsverpflichtungen im Dax bestellt ist. Jetzt hat sie die neue Studie „Dax Pensionswerke 2022“ vorgelegt. 

Zinsänderungen schlagen unmittelbar durch

Diese zeigt den gigantischen Entlastungseffekt: Mit 308 Milliarden Euro mussten die 40 Dax-Unternehmen rund ein Viertel weniger Pensionsverpflichtungen verbuchen. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Summe um stolze 105 Milliarden Euro. Die Verpflichtungen bilden ab, welche Leistungen – insbesondere Renten – Unternehmen an ihre aktuellen und künftigen Betriebsrentner zahlen müssen. Für diese Verpflichtungen müssen die Unternehmen Rückstellungen bilden.

Hinter der Milliarden-Entlastung steht der massiv gestiegene internationale Rechnungszins. Er beträgt laut Studie aktuell 3,74 Prozent und hat sich damit innerhalb eines Jahres mehr als verdreifacht. So hoch wie jetzt lag der Zins seit fast zehn Jahren nicht mehr. 

Dazu muss man wissen: Nach internationalen Bilanzierungsstandards, die für die meisten Unternehmen entscheidend sind, wird ein jeweils auf die Fälligkeit der Verpflichtungen abgestimmter Zinssatz angewendet. Zinsänderungen wirken sich so unmittelbar aus. Nach dem deutschen Handelsgesetzbuch würde hingegen ein mehrjähriger Zinsmittelwert herangezogen, was die Entwicklung dämpft.

„Das Jahr 2022 war durch außergewöhnliche ökonomische Rahmenbedingungen geprägt: der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, Rezessionsängste, der rasante Anstieg der Inflation, schnelle, starke Zinsanhebungen der Notenbanken, und eine große Volatilität an den Kapitalmärkten“, sagt Hanne Borst, Leiterin Retirement Deutschland bei WTW und Co-Autorin der Studie. Es sei erfreulich, dass die Unternehmen ihre Pensionswerke „robust managen konnten“. 

Insgesamt geht es bei den Dax-Unternehmen um 4,1 Millionen Mitarbeitende weltweit. Die Gesamt-Bilanzsumme der Unternehmen beträgt knapp sechs Billionen Euro. Im Schnitt machen die Pensionsverpflichtungen immerhin rund sieben Prozent der Bilanzsumme aus. Die höchsten absoluten Beträge erreichen Volkswagen (42,2 Milliarden Euro), Siemens (27,9 Milliarden) und BASF (21,7 Milliarden).

Milliardenschwere Verluste im Pensionsvermögen

Um die Stabilität der Pensionswerke zu beurteilen, muss der Blick nicht nur auf die Pensionsverpflichtungen gerichtet werden, sondern auch auf die Pensionsvermögen. Die Bildung solcher Vermögen ist in Deutschland nicht vorgeschrieben, anders als im Ausland. Die meisten Dax-Unternehmen nutzen dennoch spezielles Pensionsvermögen. Damit können sie die Pensionsrückstellungen in ihren Bilanzen senken. Das Pensionsvermögen wird in der Bilanz nicht ausgewiesen, sondern taucht nur im Anhang auf. Damit Vermögen als Pensionsvermögen anerkannt wird, muss es strengen Auflagen entsprechend verwaltet werden. Es muss zweckgebunden und vom restlichen Unternehmensvermögen getrennt angelegt werden. Gläubiger haben so keinen Zugriff. Der nicht mit solchem Vermögen ausfinanzierte Teil der Pensionsverpflichtungen muss durch sonstiges Unternehmensvermögen gedeckt werden.

von Daniel Goffart, Julian Heißler, Bert Losse, Christian Ramthun, Dieter Schnaas, Hendrik Varnholt, Lukas Zdrzalek

Auch beim Pensionsvermögen hat sich 2022 der massive Zinsanstieg gezeigt. Es brach um 17,8 Prozent ein auf 245 Milliarden Euro. Das ist der Schönheitsfehler beim positiven Zinseffekt. Mit 42 Prozent ist das Gros dieser Gelder in Anleihen investiert. Deren Kurs sinkt, wenn der Zins steigt. Aktien stehen nur für 19 Prozent, Immobilien machen sechs Prozent aus. Der Rest (33 Prozent) verteilt sich auf sonstige Investments, darunter Rückdeckungsversicherungen, Cash, Infrastruktur-Investments oder auch Private Equity. 

Viele dieser Investments, nicht nur Anleihen, reagieren negativ auf steigende Zinsen. „Es gab im vergangenen Jahr nur ein paar wenige Investments, die positive Erträge gebracht haben“, sagt Johannes Heiniz, Leiter General Consulting bei WTW und weiterer Studien-Co-Autor. Insgesamt sei ein deutlicher Rückgang spürbar gewesen. Währungsbereinigt betrug er 56 Milliarden Euro.

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