Sascha Rangoonwala Coinbase-Deutschlandchef: „Nicht alle Fintechs werden überleben“

Coinbase hat zuletzt einen Milliardenverlust vermeldet. Quelle: REUTERS

Der Kryptocrash hat der Kryptobörse Coinbase einen Milliardenverlust eingebracht. Die Fintech-Branche steckt in der Krise. Im Interview verrät Deutschlandchef Sascha Rangoonwala, warum er trotzdem optimistisch ist – und wie er selbst investiert.

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Für Coinbase war 2022 bislang kein schönes Jahr: Seit Jahresbeginn ist der Aktienkurs um 66 Prozent eingebrochen, die US-Börsenaufsicht SEC hat Ermittlungen gegen das Unternehmen eingeleitet und zuletzt wies es einen Milliardenverlust aus. Das trübe Kryptoumfeld macht Coinbase zu schaffen. Trotz allem gibt sich Deutschlandchef Sascha Rangoonwala optimistisch. Im Interview erklärt er warum.

WirtschaftsWoche: Herr Rangoonwala, als Deutschlandchef von Coinbase sind Sie berufsbedingt überzeugt von Kryptowährungen. Haben Sie nach dem Kursrutsch in diesem Jahr noch mal ordentlich zugeschlagen?
Sascha Rangoonwala: Ich spreche normalerweise nicht viel darüber, wie ich selbst investiere, aber: Ich bin ein überzeugter Sparplan-Investor. Und ich glaube, das ist letztendlich für jemanden, der sich nicht tagtäglich mit den Dingen beschäftigen und sein Portfolio ständig optimieren möchte, der richtige Ansatz. Insbesondere für langfristig denkende Investoren bietet das die besten Chancen. Anleger müssen sich so keine Gedanken machen, wann der richtige Einstiegszeitpunkt ist oder ob der absolute Tiefpunkt bereits erreicht ist. Auf lange Sicht werden die Kurse wieder steigen und Verluste ausgleichen.

Seit Jahresbeginn hat der Bitcoin 40 Prozent an Wert verloren. Bei Kryptowährungen in der zweiten und dritten Reihe sieht es kaum besser aus. Verlieren Anleger ihr Interesse an Bitcoin und Co.?
Kryptowährungen sind schon immer eine sehr volatile Assetklasse gewesen. Anleger müssen daher auch mit Rückschlägen rechnen. Kein Investor sollte daher sein komplettes Vermögen in Bitcoin und Co. stecken, sondern Kryptowährungen im Sinne einer intelligenten Beimischung im Depot haben. Was mich derzeit zuversichtlich stimmt, ist das ungebrochene und sogar steigende Interesse an Krypto bei institutionellen Investoren. Coinbase hat jüngst eine Partnerschaft mit Blackrock geschlossen. Das zeigt: Der Kryptosektor hat sich in der Finanzwelt etabliert und ist nicht mehr wegzudenken. Noch sind allerdings vor allem Privatkunden bei uns aktiv.

Und gerade die handeln im Zuge der Kryptokrise deutlich weniger.
Ja, das Handelsvolumen bei Coinbase ist um 30 Prozent gesunken.

Diese Marktschwäche trifft Coinbase hart. Jüngst teilte das Unternehmen einen Verlust von 1,1 Milliarden Dollar im zweiten Quartal mit. Der Coinbase-Kurs ist um 60 Prozent seit Jahresbeginn abgerauscht. Was bedeutet der Vertrauensverlust von Anlegern und Investoren für Coinbase?
Ich habe nicht den Eindruck, dass die Investoren das Vertrauen in Coinbase verloren haben. Wenn Anleger in Coinbase investieren, kaufen sie die Marktlage – und bekommen das in guten und schlechten Zeiten zu spüren. Wir haben nun eine starke Konsolidierung am Kryptomarkt erlebt. Aber sicherlich werden die Kryptokurse mittel- und langfristig wieder steigen, wenn auch vielleicht nicht mit dem wahnsinnigen Wachstum des vergangenen Jahres. Dann profitieren auch Coinbase-Anleger wieder.

Sascha Rangoonwala ist Deutchlandchef von Coinbase. Quelle: PR

Wer in Kryptowährungen investiert, genießt kaum Schutz: Kryptowerte sind mit keiner Einlagensicherung abgesichert. Vor einigen Monaten wurde diskutiert, dass im Falle einer Coinbase-Insolvenz wohl Anlegergeld verlorenginge. Sind die Sorgen berechtigt?
Für Coinbase ist das düstere Kryptoumfeld keine Existenzbedrohung. Wir sind sehr stabil aufgestellt. Und wir gehen transparent mit der Unternehmensentwicklung und Herausforderungen um.

Sind Sie auch noch so entspannt, wenn wir nun einen jahrelangen Krypto-Bärenmarkt erleben?
Das würde natürlich bedeuten, dass wir unsere Kostenstruktur entsprechend anpassen müssen. Aber ich glaube, dass Coinbase aufgrund seiner soliden Positionierung und seiner finanziellen Stärke keine Probleme haben wird. Wir sind eine der wichtigsten Kryptobörsen und haben dementsprechend schon jetzt eine große Reichweite bei den Anlegern.

Sie haben bereits damit begonnen, die Kostenstruktur anzupassen: Coinbase hat vor wenigen Monaten angekündigt, 1000 Mitarbeiter zu entlassen – das entspricht einem Fünftel der Belegschaft. Endet jetzt der Fintech-Boom?
Die Herausforderungen am Markt beschäftigen nicht nur Kryptounternehmen wie Coinbase, sondern alle Fintechs. Nicht alle werden die Krise überleben – das ist normal. Aber die Unternehmen, die die Krise überleben, werden stark aus ihr hervorgehen. In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Fintech-Markt stark aufgebläht. Jedes Fintech hat versucht, von der Dynamik des Marktes zu profitieren. Jetzt müssen alle gegensteuern. Wir haben unsere Schritte offen und klar kommuniziert. Unsere Belegschaft ist aber noch immer solide genug aufgestellt, um die wichtigen Entwicklungen voranzutreiben.

Die US-Börsenaufsicht SEC hat kürzlich Ermittlungen gegen Coinbase eingeleitet. Unter anderem werfen die Aufseher dem Unternehmen vor, unregistrierte Wertpapiere zu verkaufen. Sorgen Sie sich vor einem langen Rechtsstreit?
Als Deutschlandchef bin ich damit nicht befasst. Aber ich weiß, dass Coinbase sich in einem intensiven Austausch mit der SEC befindet.

Mit einem eigenen NFT-Marktplatz wollte Coinbase vom Hype um nicht-austauschbare Wertmarken, Non-Fungible Token, profitieren. Marktbeobachter sprechen von einer enttäuschenden Beta-Phase: Nur wenige Nutzer nahmen das Angebot wahr. Wie bewerten Sie den Start des NFT-Marktplatzes?
Das Projekt steht noch am Anfang, der Marktplatz befindet sich noch in der Betaphase. Wir streben eine starke Marktposition an und sind in dem Bereich strategisch gut aufgestellt – und das ist wichtig. NFTs befinden sich natürlich auf einem ganz anderen Entwicklungsstand als der Bitcoin, aber langfristig werden sie eine relevante Rolle spielen. NFTs sind mehr als lediglich bunte Bilder. Die dahinterstehende Technologie bietet viele Anwendungsmöglichkeiten.

Manche Analysten geben ambitionierte Kursziele für den Bitcoin an – im Januar glaubten einige, der Bitcoin würde das Jahr bei 100.000 Dollar beenden. Lassen Sie sich zu einer Einschätzung verleiten, wo der Bitcoin am Ende des Jahres steht?
Das lässt sich nicht seriös schätzen. Seit 2009 ist der Bitcoin-Kurs massiv gestiegen – allerdings in Zyklen, die gerne mal mehrere Jahre gedauert haben. Es kann gut sein, dass wir nun erst mal eine längere Seitwärtsbewegung erleben werden. Vielleicht aber sinken die Kurse noch mal. Wichtig auch für die Kryptokurse ist, dass der Markt weiter erwachsen wird: Je mehr institutionelle Marktteilnehmer investiert sind, umso stabiler ist der Markt. Wir haben inzwischen eine solide Ausgangsbasis, aber da ist noch Luft nach oben.

Herr Rangoonwala, danke für das Gespräch.

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