Was für eine Zeit! Donald Trump gewinnt die Wahlen, die Engländer stimmen für den Brexit, die Zinsen steigen, obwohl wir das nicht gebrauchen können und am kommenden Wochenende stimmen die Italiener über eine Verfassungsreform ab, die dem Land mehr Stabilität verleihen soll, stattdessen jedoch den Anfang vom Ende des Euro einleiten könnte. Spätestens seit Premier Matteo Renzi sein persönliches politisches Schicksal mit dem Ausgang der Abstimmung verbunden hat, ist das Referendum zu einem Votum über seine Popularität und Italiens Zukunft im Euro geworden.
Italien hat im Euro keine Chance
Meine Meinung zur Zukunft Italiens habe ich an anderer Stelle schon vor Jahren dargelegt: Am vernünftigsten wäre es, wenn Deutschland aus dem Euro austreten würde, bevor Italien es tut. Geschähe dies in einem geordneten Prozess, ließe sich der Schaden nicht verhindern, so doch begrenzen und vor allem gerecht verteilen. Doch das scheint politisch undenkbar, weshalb wir uns auf die Folgen eines chaotischen Endes des Euro einstellen müssen.
Fakten zum Italien-Referendum
Durch eine Verfassungsänderung soll das Regieren in Italien leichter werden. Die zweite Kammer, der Senat, wird quasi abgeschafft. So müssen nicht mehr alle Gesetze von beiden Kammern verabschiedet werden - was die für Italien typischen politischen Dauerblockaden auflösen soll. Kritiker sagen, dass die Regierung so zu viel Macht bekommt und die Reform nicht die wirklichen Probleme des Landes löst.
Ministerpräsident Matteo Renzi hat angekündigt, bei einer Niederlage in der Volksabstimmung zurückzutreten. Wenn also das „Nein“-Lager gewinnt, könnte ein Regierungssturz oder eine Regierungskrise folgen. Und auf politische Instabilität reagieren auch die Finanzmärkte. Es könnte auch zu Neuwahlen kommen, bei denen die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung punkten könnte. Auch das löst Verunsicherung aus, in unsicherem politischen Klima investieren Anleger ungern.
Die italienische Notenbank warnte bereits für den Tag nach dem Referendum vor Turbulenzen. Finanzminister Pier Carlo Padoan sagte: „Die Märkte sind in Sorge, dass der Reformprozess unterbrochen werden könnte.“ Er betonte aber auch, dass er keine schwere Krise erwarte, weil Italien mittlerweile wirtschaftlich besser dastünde. Auch Premier Renzi beschwichtigte: Am Tag nach dem Referendum würden nicht „die Heuschrecken“ kommen.
Der „Spread“ ist ein wichtiger Indikator für eine Krise, in diesem Fall ist er so etwas wie die Fieberkurve Italiens. Die Zahl misst, wie es um das Interesse der Anleger an italienischen Staatsanleihen bestellt ist. Je größer der „Spread“, desto schlechter wird Italien im Vergleich zu Deutschland aus Sicht der Investoren bewertet.
Denn mit der Größe ist die Differenz (Spread) zwischen den Renditen gemeint, die italienische und deutsche Staatspapiere mit zehn Jahren Restlaufzeit gerade abwerfen. „Wir erwarten, dass der „Spread“ bei einem Nein hochgehen wird, das müsste sich aber nach ein paar Tagen beruhigen, es wird ein Sturm im Wasserglas sein“, glaubt Tatjana Eifrig, Analystin der italienischen Bank Finnat.
Das Land leidet unter einer geringen Produktivität, Vetternwirtschaft und Korruption. Die Wirtschaft lahmt seit Jahren, das Wachstum für 2017 soll bei nur 0,9 Prozent liegen. Zudem ist Italien mit 133 Prozent des Bruttoinlandsproduktes das am zweithöchsten verschuldete Mitglied der Eurozone - gleich nach Griechenland. Seit Jahren schwelt eine Bankenkrise, die bisher nicht wirklich gelöst wurde. Die Geldhäuser sitzen auf faulen Krediten von 300 Milliarden Euro.
Sorgenkind ist vor allem die Krisenbank Monte dei Paschi di Siena. Derzeit würden die Probleme im Euroraum allerdings durch die lockere Geldpolitik überdeckt, sagt der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier. Sobald die Europäische Zentralbank (EZB) die Zügel wieder straffer ziehe, könnten die Probleme stärker sichtbar werden.
Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft des Euroraums. Gerät sie weiter ins Trudeln, könnte das andere Länder mitreißen. Ein europäisches Rettungspaket wie für Griechenland würde für Italien wohl nicht funktionieren, weil das Land zu schwergewichtig ist.
Einige Experten sprechen sogar vom möglichen Euro-Ausstieg Italiens. So sagte Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem Interview: „Den Italienern wird gerade klar, dass Italien im Euro nicht funktioniert.“ Und der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn meinte: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Italien dauerhaft Teil des Euro bleibt, fällt von Jahr zu Jahr.“ Auch die Wirtschaftszeitung „Financial Times“ urteilte vor kurzem, dass das Referendum in Italien der „Schlüssel für die Zukunft des Euros“ sei.
Mit Blick auf Italien sagt Analystin Eifrig: „Einen Austritt aus dem Euro können wir uns derzeit gar nicht vorstellen.“ Zwar mehren sich in Italien auch die Euro-Gegner. Wenn es wirklich zu Neuwahlen kommen sollte und dabei die derzeit stärkste Oppositionspartei „Movimento 5 Stelle“ (Fünf-Sterne-Bewegung) gewinnen sollte, dann wird das Thema heißer. Denn die Protestpartei will ein Referendum über den Euro.
Aber: „Ein Referendum über einen Euro-Ausstieg kann gar nicht gemacht werden, das ist gegen die Verfassung. Das kann nur das Parlament bestimmen“, erklärt Eifrig. Sie sieht in der Schwarzmalerei eine Strategie der Befürworter der Reform, nach dem Motto: Je düsterer das Szenario, desto mehr Menschen werden aus Angst mit „Ja“ stimmen. Und generell gilt zumindest theoretisch das Prinzip: Wer den Euro einmal hat, der behält ihn auch. Wie ein Euro-Austritt überhaupt im Detail durchgeführt werden könnte, ist völlig unklar.
Denn – so hart es klingt: Italien hat bei nüchterner Betrachtung keine Chance, innerhalb des Euros wieder wettbewerbsfähig zu werden, die Reste der Industrie im Norden zu retten und die Staatsschulden unter Kontrolle zu bekommen. Zu dieser Erkenntnis gelangen mittlerweile immer mehr Italiener, die in Umfragen nach den Franzosen bereits die größte Skepsis zum Euro und Europa an den Tag legen. Es ist also nicht die Frage „ob“, sondern nur „wann“ es zum Austritt eines Landes aus dem Euro kommt, mit der von den Politikern zu Recht befürchteten Kettenreaktion.
Wie eine solche Paniksituation aussehen könnte, habe ich in dieser Kolumne schon im letzten Jahr skizziert. Die damalige Einschätzung gilt auch heute noch: Was wäre, wenn der Euro platzt?
Daran ändert das Ergebnis der Volksabstimmung nichts. Stimmen die Italiener für die Reform, bedeutet dies nicht, dass der Euro gerettet ist. Stimmen sie dagegen, noch lange nicht, dass schon bald Schluss ist. Egal, ob Renzi dann abtritt oder - wie ich erwarte - doch nicht. Es ist so oder so nur ein Schritt auf einem langen Weg.
Also müssen wir uns als Kapitalanleger auf die Folgen einstellen. Nach dem Brexit Votum fielen die Börsen deutlich, um kurz danach zu steigen; bei der Wahl Donald Trumps fielen sie nur kurz, um dann zu neuen Höhenflügen anzusetzen. Könnte gut sein, dass die Börsen in Europa und der Welt positiv auf eine Niederlage Renzis reagieren würden. Egal, ob er bleibt oder abtritt.
Die Logik der Märkte wäre dann die: Vor die Wahl gestellt, ein Ende des Euro zuzulassen oder die Helikopter der EZB zu nutzen, um Europa mit einem Programm à la Trump zu beglücken, dürfte den Politiker – gerade auch den deutschen, die sich nichts mehr wünschen, als Ruhe vor der Wahl 2017 – die Entscheidung nicht schwer fallen.