Am liebsten kaufe ich Sachen, die mir günstig erscheinen. Sei es nach langer Rabattverhandlung, im Schlussverkauf oder von einem Verkäufer, der den Wert tiefer einschätzt als ich es tue. Als rationaler Homo Oeconomicus trachte ich danach, meinen Nutzen zu maximieren, indem ich möglichst günstig kaufe. Muss ich dennoch einmal etwas teuer kaufen – beispielweise an der Tankstelle, weil wegen eines Feiertages alle anderen Läden geschlossen sind - , dann ärgert mich das.
Womit wir bei den Kapitalmärkten wären. Als ich Anfang der 1980er Jahre meine ersten Schritte in der Geldanlage machte, gab mir mein Vater vor dem Gang zur Bank auf, nicht „unter zehn Prozent“ zurückzukommen. Ich zeichnete dennoch die neue Bundesanleihe, obwohl die nur 9,75 Prozent brachte. Ich erinnere mich daran, wie verstimmt mein Vater war. Recht hatte er. Wenige Wochen später legte die Deutsche Bundesbahn – ja, so hieß die damals – ebenfalls eine Anleihe auf und zahlte noch zehn Prozent. Bezogen auf die 500 Mark Anlagesumme letztlich vernachlässigbar, dennoch eine wichtige Lehre.
1980 hätte man kaufen sollen
Was damals normal erschien, gute Verzinsung für Anleihen, ist heute eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten. Dabei waren die Jahre 1980 bis 1984 wohl der beste Zeitpunkt in der Geschichte, um sein Geld in Anleihen und Aktien anzulegen. Wer es tat, hat sein Geld seither vervielfacht. Dabei war es egal, ob man Anleihen oder Aktien kaufte. Anleihen befinden sich seither in einem nun schon über dreißig Jahre andauernden Bullenmarkt und Aktien haben unter größeren Schwankungen letztlich auch neue Höchststände erreicht.
Trotz dieser Renditeaussichten – die durchaus sichtbar waren – haben die Investoren in den 1980er Jahren nicht zugegriffen. Privatinvestoren, Anlagefonds, Versicherungen und Pensionskassen hielten stattdessen so viel Liquidität wie niemals seither. Als Anleihen über zehn Prozent jährliche Rendite brachten, Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter zehn notierten und zudem eine ordentliche Dividendenrendite abwarfen, wollte man das Risiko nicht eingehen. Egal wie man es dreht und wendet, damals war es billig und deshalb folgerichtig zu investieren. Gemacht wurde es nicht. Es galt als „zu riskant“.
2017 soll man kaufen?
Springen wir zu heute. Anleihen bringen zwischen Null und zwei Prozent. Hoch verschuldete Schuldner zahlen etwas mehr. Europäische Hoch-Risikoanleihen bringen so viel wie zehnjährige US-Staatsanleihen und die Börsen sind so hoch bewertet wie seit 1999 nicht mehr. Die Liquiditätshaltung der US-Investoren ist so tief wie noch nie seit 1980. Wer genauer hinschaut, sieht, dass die Bewertungen von Aktien und Anleihen immer höher stiegen, während die Investoren immer weniger Cash hielten. Statt zu kaufen, wenn es billig ist, scheint es umso attraktiver zu sein, Anleihen und Aktien zu kaufen, je teurer diese sind!
Die letzten „Bären“ werfen die Flinte ins Korn und springen auf den fahrenden Zug auf. Wohin man auch schaut, es gibt Zeichen für überbordenden Optimismus:
- Die Bewertung der US-Aktien ist auf oder nahe früherer Höchststände: Das Preis/Buchwert-Verhältnis war nur im Jahr 2000 höher, das Shiller-KGV 1929 und 2000. Relativ zum Bruttoinlandsprodukt waren Aktien nur 2000 höher bewertet.
- Diese Bewertung basiert zudem auf rekordhohen Margen der Unternehmen. Historisch gab es immer wieder eine Korrektur, wenn die Gewinnquote zulasten der Lohnquote zu stark gestiegen war. Aus der Tatsache, dass dies heute noch nicht geschehen ist, zu schließen, dass es nie mehr passieren wird, ist gewagt.
- Wesentlicher Faktor für die höheren Margen ist zudem der deutlich gestiegene Kredithebel der Unternehmen. Bekanntlich haben US-Unternehmen so viele Schulden wie noch nie und haben die tiefen Zinsen genutzt, um kreditfinanziert Aktienrückkäufe in historisch einmaligem Umfang durchzuführen
- Die Spekulation auf Kredit ist so populär wie noch nie. Das Volumen an Wertpapierkrediten an der Wall Street hat mit 551 Milliarden US-Dollar einen neuen Höchststand erreicht.
- Noch nie haben so viele Amerikaner mit weiter steigenden Aktienkursen gerechnet wie in der letzten Befragung durch die Universität von Michigan. Der letzte (tiefere) Höchststand war 2007.
- Dies ist sicherlich auch Folge der historisch tiefen Volatilität. Es herrscht eine „buy the dip“- Mentalität (jeder kauft in der Korrektur).
- Zugleich wird im großen Stil (und wiederum auf Kredit) darauf spekuliert, dass die Volatilität an Aktien und Anleihenmärkten weiter sinkt.
Zugegeben, es handelt sich hierbei um Indikatoren aus den USA. Die europäischen Märkte, Japan und einige Schwellenländer – Russland! – sind deutlich günstiger und bleiben damit relativ attraktiver. Dennoch werden sie sich im Falle eine Korrektur nicht von der Entwicklung an der Wall Street abkoppeln können.