Ulrich „Richie“ Engler Die unglaubliche Geschichte eines Betrügers

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Die Jagd ist eröffnet

Das Erstaunlichste an diesem Brief: Er wirkte. 2007 floss mehr Geld auf Englers Konten als je zuvor. In manchem Monat über zwanzig Millionen Dollar. Jetzt, da sein Büro mit Geld der Kunden überquoll, suchte Engler nach einer Hintertür. Er begann mit den Vorbereitungen für seine Flucht. Engler muss gespürt haben, dass seine Stunde geschlagen hat. Schon seit Monaten überwachte das LKA Stuttgart mehrere seiner Vermittler, beschaffte mit verdeckten Fahndern Indizien. Während Engler sich um einen ungarischen Diplomatenpass bemühte, schlugen die Beamten in Deutschland zu.

Am 31. Juli 2007 durchsuchten sie zeitgleich die Büros und Häuser von einem Dutzend seiner Vermittler. Bevor Engler am 1. August 2007 das letzte Mal aus dem Büro ging, sagte er zu seiner Assistentin: „Meine Vergangenheit holt mich ein. Bald wirst du Antworten bekommen - wie alle anderen auch.“ Wochenlang saß sie allein im Büro in Cape Coral und beobachtete aus der Ferne das Chaos in Deutschland. Die Durchsuchungen sprachen sich bei den Kunden herum wie die Nachricht von einer ansteckenden Krankheit. Es herrschte Panik, alle wollten ihr Geld zurück. Die Fassade war nicht mehr zu halten. Am 22. September 2007 legte Englers Assistentin die Arbeit nieder und schloss das Büro.

Das Letzte, was sie von Engler sah, war der ungarische Diplomatenpass - Roland Renner, einer der Fantastic Four, hätte ihn nach Florida gebracht. Fünf Jahre war Engler auf der Flucht. Quer durch Arizona, Kalifornien, Nevada. Immer mit dabei: seine Partnerin Bianca B. Sie wechselten die Autos und die Städte. Mieteten sich mal hier und mal dort ein. Kaum noch traute sich Engler in teure Hotels, lieber versteckte er sich in möblierten Wohnungen. Er benutzte falsche Papiere, nannte sich Joseph Miller oder Joseph Walter. Engler hatte mehr Geld ergaunert, als er jemals ausgeben würde, doch er konnte den Luxus nicht mehr genießen. Den Champagner, den Hummer.

Alles, was Engler in seinem Namen gehörte, wurde von den Behörden konfisziert: seine Villa, seine Immobilien, sein Bentley. Englers Anwalt Steffen Lindberg sagt über die Jahre auf der Flucht: „Er sagt, es war keine schöne Zeit für ihn. Er fühlte sich ständig beobachtet, hatte ständig Angst, entdeckt zu werden.“ Am 11. Februar 2012 bemerkte die Highway Patrol in Nevada ein Fahrzeug, das Schlangenlinien fuhr. Sie hielten es an, nahmen den Fahrer mit aufs Revier. Der Mann, der sich als Joseph Miller auswies, musste seine Fingerkuppen auf einen Scanner legen und zwei Ampullen Blut abgeben. Dann ließen die Cops ihn wieder laufen.

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