Was versteht man unter guter Corporate Governance? Grundsätzlich ist damit eine verantwortungsvolle Unternehmensführung gemeint, die Betriebe langfristig erfolgreicher machen soll. So meiden die Manager etwa Risiken, die aus einer kurzfristigen Profitorientierung heraus entstehen.
Nach diesen Grundsätzen geführte Unternehmen sind stabiler und können Krisenzeiten besser überstehen. Auch weil sie das Vertrauen der Aktionäre haben. Eine gute Governance bindet Kapital und zieht Investoren an. Dagegen ist die Börsenbewertung von Unternehmen, die das Thema vernachlässigen, oft unterdurchschnittlich.
Ein Beispiel dafür, wie kontrovers und herausfordernd das Thema sein kann, ist sicherlich der deutsche Dax-Konzern Bayer. Mit der 63 Milliarden US-Dollar teuren Übernahme des amerikanischen Saatgutspezialisten Monsanto hatte sich die damalige Firmenführung erhebliche Rechts- und Reputationsrisiken ins Haus geholt.
Seitdem hat sich der Wert der Aktie des Pharma- und Chemiekonzerns mehr als halbiert. Der neue Bayer-CEO Bill Anderson arbeitet derzeit daran, dem Unternehmen eine klare, nachhaltige und vom Kapitalmarkt akzeptierte Strategie zu verordnen.
Aktionäre sollten gute Unternehmensführung einfordern
Vor dem Hintergrund der umfassenden Transformation, in der sich weite Teile der deutschen Wirtschaft befinden, gewinnt nachhaltige Wertschöpfung an Bedeutung. Aus Sicht vieler Marktexperten und auch nach meiner Auffassung nimmt das „G“, also eine gute Unternehmensführung, die wichtigste Säule der drei Nachhaltigkeitskriterien (Environment, Social, Governance) ein. Wenn das „G“ stimmt, folgen das „S“ und das „E“ quasi als Ableitung.
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Für Aktionäre heißt dies wiederum: Sie sollten sich aktiv engagieren und in den offenen, konstruktiven Dialog mit den Unternehmen gehen. Der wichtigste Austausch erfolgt bei den jährlichen Hauptversammlungen. Diese Investorentreffen haben auch für Fondsgesellschaften, welche als Vermögensverwalter eine treuhänderische Verantwortung gegenüber den anvertrauten Anlagegeldern haben, einen hohen Stellenwert. Schließlich sollen die mehr als 55 Milliarden Euro Rekorddividenden der Dax-Firmen in der vergangenen HV-Saison keine Eintagsfliege bleiben. So vertritt alleine die Deka beispielsweise mehr als vier Millionen Anlegerinnen und Anleger und versucht frühzeitig auf Missstände im Management und im Aufsichtsrat hinzuweisen.
Jeder Einzelaktionär kann darauf drängen, dass Nachhaltigkeitskriterien sinnvoll in Firmenstrukturen integriert werden. Empfehlenswert ist es, wenn sie dabei auf diese fünf zentralen Aspekte achten:
- Hat das Unternehmen Leistungskennzahlen definiert? Unternehmen müssen bindende und zum Geschäftsmodell passende nachhaltige Leistungskennzahlen definieren, die objektiv quantifizierbar sind. Diese müssen in den internen Kontroll- und Risikosystemen berücksichtigt werden.
- Gibt es eine Kopplung der Vorstandsgehälter an ESG-Ziele? Die nachhaltigen Leistungskennzahlen sollten mit 30 Prozent in der langfristigen Vergütungskomponente des Vorstandes gewichtet werden.
- Welche Autorität hat der Aufsichtsrat? In den Aufsichtsräten ist Expertise notwendig für die Bereiche Umwelt und Soziales, um Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen. In vielen Kontrollgremien fehlt dies. Mit einer verkürzten Laufzeit der Aufsichtsratsmandate von derzeit häufig fünf auf drei Jahre könnte dieses Know-how steigen. Unternehmen in der Transformation wären dann in der Lage, dynamischer auf Veränderungen zu reagieren. Wiederbestellungen sollen weiterhin möglich sein.
- Wird das Thema Nachhaltigkeit über alle Ausschüsse hinweg berücksichtigt? Nachhaltigkeit sollte im Aufsichtsrat in der Breite abgebildet sein und sich nicht nur in einzelnen Ausschüssen niederschlagen.
- Wird das Thema Corporate Governance im Unternehmen aktiv ausgestaltet? Um nicht durch aktionistische Klimaschutz-Forderungen unter Druck gesetzt zu werden, sollten Unternehmen eigeninitiativ und frühzeitig agieren und nachhaltige Themen perspektivisch auf die Agenda setzen.
Ein verantwortungsvolles Management durchzusetzen sowie Unternehmen engagiert und weitsichtig zu führen und nachhaltiger aufzustellen, ist harte Detailarbeit. Doch der Aufwand lohnt sich.
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Die Kolumne „Verkehrte Finanzwelt“ entsteht in Zusammenarbeit mit der CFA Society Germany.