BGH-Urteil Richter nehmen Mieter bei Schimmel in die Pflicht

Schimmelgefahr ist kein Grund für eine Mietkürzung Quelle: imago images

Die oft mieterfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ihre Grenzen: Bei Schimmelgefahr nimmt er nun Mieter stärker in die Pflicht. Sie sollen ihre Wohnung zum Beispiel kräftig lüften.

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Es hätte ein Grundsatzurteil werden können, über das sich Millionen Mieter gefreut hätten – und das wohl viele Vermieter verärgert hätte. Doch es kam anders. Verhandelt wurde der Fall von Mietern zweier Wohnungen aus dem schleswig-holsteinischen Glinde, bei Hamburg gelegen. Deren 1968 und 1971 erbauten Wohnungen entsprachen nicht mehr heutigen Standards, etwa in Sachen Wärmedämmung. Und so kam es – wie in vielen Wohnungen – zu Schimmel.

Die Rollen sind dann meist klar verteilt: Mieter sehen die Ursache in Baumängeln der Wohnung. Vermieter gehen davon aus, dass die Mieter nicht richtig heizen und lüften. So war es auch hier. Die Vorinstanz, das Landgericht Lübeck, hatte sich hinter die Mieter gestellt. Tatsächlich begünstigten Baumängel, sogenannte Wärmebrücken, die Schimmelbildung. Selbst mit regelmäßigem Lüften könnten die Mieter das Problem nicht beheben.

Schon ein Schimmelrisiko durch solche bauliche Gegebenheiten könne ein Mangel sein, der Mieter dann auch zur Minderung ihrer Miete berechtigt. In einem der beiden Fälle sollte der Vermieter sogar einen Kostenvorschuss von 12.000 Euro zahlen, damit eine Innendämmung angebracht werden kann.

Dabei war klar, dass die Wohnungen zum Bauzeitpunkt den geltenden Bauvorschriften und DIN-Vorgaben entsprachen. Aber, so die Richter der Vorinstanz, Mieter dürften einen „Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens“ erwarten, der heutigen Maßstäben gerecht werde. Von ihnen könne zum Beispiel nicht erwartet werden, dass sie ihr Schlafzimmer auf mehr als 16 Grad und die übrigen Zimmer auf mehr als 20 Grad beheizen. Ein Querlüften („Durchzug“) sei ebenso keine Pflicht. Ein zweimaliges Stoßlüften von bis zu zehn Minuten am Tag sei alles, was Vermieter einfordern dürften. Und dies sogar unabhängig vom Wohnverhalten der Mieter.

Doch all diese Regeln hauten die Richter am Bundesgerichtshof ihren Richterkollegen nun um die Ohren: Mängel, die aus zumutbaren Lüftungsintervallen und selbst aufgestellten „Grundsätzen zeitgemäßen Wohnens“ hergeleitet würden, seien mit dem geltenden Recht nicht vereinbar (VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18). Hier seien völlig einseitig Mieterinteressen berücksichtigt worden. Es sei letztlich ein neuer Mangelbegriff geschaffen worden, der für eine nicht sanierte oder grundlegend modernisierte Altbauwohnung quasi einen Neubaustandard einfordere. „Dies ist ersichtlich rechtsfehlerhaft“, so die BGH-Richter in seltener Klarheit.

Wärmebrücken in Außenwänden seien nicht als Mangel einer Wohnung anzusehen, wenn diese zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes allen geltenden Vorschriften und Normen entsprachen. Nur eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Wohnung vom vertraglich vorausgesetzten Zustand rechtfertige eine Mietminderung. Im konkreten Fall habe es die nicht gegeben. In den Jahren 1968 und 1971 habe noch keine Pflicht bestanden, Gebäude mit einer Wärmedämmung auszustatten. Wärmebrücken seien damals allgemein üblich gewesen.

Auch beim Lüften nahmen die BGH-Richter Mieter in die Pflicht. Wie oft und lang gelüftet werden müsse, hänge immer vom Einzelfall ab. Im jetzt verhandelten Fall hätte es laut einem Sachverständigen gereicht, zwei Mal am Tag rund 15 Minuten Stoßzulüften oder drei Mal am Tag rund 10 Minuten. Beim „Querlüften“, wenn mehrere Fenster gleichzeitig geöffnet werden, hätte schon ein Drittel dieser Zeit gereicht. Solch ein Lüften sei keinesfalls generell unzumutbar.

Der Streit zwischen Mietern und Vermietern um Schimmel wird also weitergehen. Oft wird sich kaum belegen lassen, wer wirklich schuld an Schimmelproblemen ist. Die nächsten Klagen sind damit absehbar. Klar ist jetzt aber, dass auch Mieter in der Pflicht sind, alles zu tun, um Schimmelprobleme zu vermeiden. Vermieter dürfte das ein wenig beruhigen.

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