Immobilien auf den Balearen Wie der spanische Fiskus die Deutschen vertreibt

Hauseigentümer verlassen Mallorca – aus Angst vor der Steuer. Deutsche Rentner werden in Spanien generell stärker zur Kasse gebeten.

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Finca in Betlem, Mallorca. Quelle: imago images

Es schien alles bereitet für den Lebensabend im sonnigen Süden. Für rund 7,5 Millionen Euro hatte sich ein deutscher Unternehmer, der es in der Baustoffbranche zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht hat, eine Villa auf Mallorca gegönnt – mit luxuriösem Interieur, großzügigem Pool und traumhaftem Blick aufs Meer.

Doch nur wenige Monate später verkaufte er das Anwesen wieder: Der Selfmademan hatte die Rechnung ohne den spanischen Fiskus gemacht. „Als seine deutschen Steuerberater von dem Kauf erfuhren, haben sie mich angerufen, weil sie eine hohe Vermögenssteuer fürchteten“, erzählt Willi Plattes, Inhaber der Kanzlei European@ccounting in Palma de Mallorca.

Nach detaillierter Prüfung war klar: Es gibt keine Chance, eine happige Steuer zu vermeiden. Der Unternehmer entschied sich gegen Mallorca – und wird seinen Lebensabend jetzt anderswo im Süden verbringen.

Anzahl der Deutschen mit Wohnsitz auf den balearischen Inseln.

Steuerberater Plattes erlebt solche Fälle derzeit immer wieder. „Gerade für Vermögende sind die Balearen-Inseln ein schwieriges Pflaster geworden“, sagt er. Die Zahl der reichen Deutschen, die ihren Lebensmittelpunkt auf Mallorca haben, gehe deshalb deutlich zurück.

Es sind nicht nur einige wenige Superreiche, die sich abwenden. Die Einwohnerstatistiken offenbaren einen wahren Exodus: In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Deutschen mit Wohnsitz auf den Balearen laut aktuellen Daten des Statistikamts fast halbiert (siehe Grafik).

Gründe offenbart diese Statistik natürlich nicht. Aber Experten sind sich einig: Hauptursache für den Mallorca-Exodus der Deutschen sind zunehmend strenge Steuerregeln im schuldengeplagten Spanien. Die balearische Regierung verschärft die zum Teil noch, so weit es ihre Autonomie zulässt.

Hinzu kommt eine härtere Gangart gegen Hinterzieher, die neben reichen Immobilienbesitzern auch deutsche Rentner trifft.

Die beispiellose Fiskaloffensive auf den Balearen begann bereits 2013: Damals führte die konservative Regionalregierung die Vermögenssteuer wieder ein. Als 2015 die Sozialistin Francina Armengol Ministerpräsidentin wurde, stieg die Schlagzahl weiter. Ihre Linkskoalition, die von der Protestpartei Podemos toleriert wird, erhöhte die neue Steuer deutlich. Für Vermögen über dem Freibetrag von 700.000 Euro sind auf den Balearen deshalb nun 0,28 bis 3,45 Prozent fällig – Jahr für Jahr (vorher: 0,2 bis 2,5 Prozent).

Das kann teuer werden, zumal der Satz nicht nur für spanisches Vermögen gilt. Reiche Ausländer mit Wohnsitz auf den Balearen müssen auch Auslandsvermögen in Spanien versteuern. Damit das klappt, fordert das Finanzamt einmal im Jahr eine detaillierte Auflistung der ausländischen Besitztümer an. Über das Vermögen in Spanien wissen die Beamten meist ohnehin Bescheid. Bei Verstößen drohen hohe Geldbußen; bereits bei verspäteter oder nicht formgerechter Abgabe sind mindestens 4500 Euro fällig.

Verstoß gegen EU-Recht?

An so viel Strenge stößt sich selbst die EU-Kommission. Sie hat Spanien im Februar aufgefordert, die Regeln zu ändern. Der hohe Aufwand und die „unverhältnismäßigen Strafen“ könnten davon abhalten, jenseits der Grenze zu investieren – und verstießen deshalb gegen EU-Recht.

Selbst wenn die Regeln wieder aufgeweicht werden sollten: Für betuchte Deutsche kommt ein Hauptwohnsitz auf den Balearen meist nicht mehr infrage. Vermögende entschieden sich wegen der hohen Steuerbelastung in aller Regel dagegen, sagt Georg Abegg, Leiter des Madrider Büros der Kanzlei Rödl & Partner. Ein Wohnsitz in Spanien sei nur noch selten eine Option – etwa, wenn es Deutsche nach Madrid zieht. „Die Hauptstadt ist eine der wenigen Regionen, die noch immer keine Vermögenssteuer erhebt.“

Melden sich Deutsche auf den Balearen einfach nur ab, wohnen aber weiter fast dauerhaft dort, leben sie gefährlich. „Die Finanzämter prüfen sehr genau, ob jemand seinen Lebensmittelpunkt weiter in Spanien hat“, warnt Plattes von European@ccounting. Und die Beamten könnten leicht überprüfen, ob vermeintliche Auswanderer in Wirklichkeit mehr als 183 Tage vor Ort sind. „Die Finanzbeamten haben hier Zugriff auf Strom- und Gasrechnungen und sogar auf Kreditkartenabrechnungen.“

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Außerdem befreit ein Wohnsitzwechsel nicht automatisch von der Vermögenssteuer. Denn auch Steuerausländer müssen zahlen, wenn sie in Spanien Grund und Boden besitzen und der Freibetrag von 700.000 Euro überschritten ist.

Angesichts hoher Wertzuwächse auf dem mittlerweile wieder boomenden Immobilienmarkt kann dafür bereits eine unspektakuläre Finca reichen. Wenigstens drohen in diesem Fall nicht die erhöhten Steuersätze, sondern nur 0,2 bis 2,5 Prozent Abgabe pro Jahr. Die Steuererhöhung betraf nur Vermögende mit Wohnsitz vor Ort („Residenten“).

Das Geld treiben die Behörden entschlossen ein – insbesondere in beliebten Ferienregionen wie Mallorca. „Nachdem die Vermögenssteuer für Nichtresidenten lange keine Priorität war, haben die Finanzämter in diesem Jahr begonnen, Immobilienbesitzer systematisch anzuschreiben und zur Abgabe einer Vermögenssteuer-Erklärung aufzufordern“, berichtet Plattes.

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Betroffen sind Eigentümer, die Immobilien für mehr als 700.000 Euro gekauft haben. Allerdings müssen sie nicht automatisch zahlen. „Wenn die Immobilie per Kredit gekauft wurde, darf der aktuelle Darlehenssaldo vom Kaufpreis abgezogen werden“, sagt Plattes. Er rät Betroffenen, so schnell wie möglich auf die Schreiben zu reagieren. „Die Finanzämter gewähren lediglich kurze Fristen von 10 bis 15 Werktagen, um Belege einzureichen und gegebenenfalls Steuern nachzuerklären.“ Danach drohten hohe Strafen.

Die gute Nachricht: Wer erst noch kaufen will, kann die Vermögenssteuer für Nichtresidenten oft vermeiden, sagt Abegg von Rödl. So könnten Familienmitglieder das Haus gemeinsam kaufen und dadurch je unter der Grenze von 700 000 Euro bleiben. Oder sie nehmen einen Kredit auf, der wertmindernd berücksichtigt wird, „wenn er – wie etwa ein klassischer Hypothekenkredit – eindeutig dem Kauf zugeordnet werden kann“, sagt Abegg.

Rentner

Auch ausländische Rentner nimmt der spanische Fiskus entschlossener ins Visier – nicht nur auf den Balearen. Der Status eines Residenten hat auch hier teure Folgen, weil die Rentner ihre Rente dann in Spanien versteuern müssen. „Da es keine Sondervergünstigungen für Rentner gibt, ist die Steuerbelastung deutlich höher als in Deutschland“, sagt Plattes.

Beim Eintreiben des Geldes profitieren die iberischen Beamten vom automatischen Informationsaustausch (AIA) innerhalb der EU, der ihnen seit 2015 viele Informationen aus anderen Staaten beschert – darunter die Namen aller, die in Spanien leben und eine gesetzliche Rente aus der Heimat erhalten. Eine Steilvorlage, die die spanischen Behörden umgehend verwandelten: Noch 2015 haben sie all jene deutschen Rentner angeschrieben, die auf der Liste standen und bis dahin keine Renten vor Ort versteuert hatten. Viele wurden davon böse überrascht.

Neuerdings langt zusätzlich noch der deutsche Fiskus zu. „Das neue deutsch-spanische Doppelbesteuerungsabkommen hat zur Folge, dass immer mehr deutsche Rentner mit Hauptwohnsitz in Spanien ihre Rente auch in Deutschland versteuern müssen – zumindest teilweise“, sagt Abegg von Rödl & Partner.

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Strandhäuser in den USA Quelle: claudia hake - Fotolia
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Ferienhaus in Dänemark Quelle: dpa
Hallstatt Quelle: JFL Photography - Fotolia
Strandhaus Quelle: andrzej2012 - Fotolia

Den Regeln zufolge müssen Deutsche, die 2015 oder später in den Ruhestand gehen und nach Spanien auswandern, erst hierzulande Steuern auf ihre Rente zahlen: Der deutsche Fiskus darf bis zu fünf Prozent ihrer Brutto-Jahresrente als „Quellensteuer“ fordern. Für Rentenjahrgänge ab 2030 steigt die Begrenzung auf zehn Prozent.

Für die Steuerberechnung gelten im ersten Schritt dieselben Regeln wie für Rentner, die in Deutschland leben, teilt die Finanzverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern mit. Sie ist für die Besteuerung von Auslandsrentnern zuständig. Damit ist nur der „Ertragsanteil“ der gesetzlichen Rente steuerpflichtig – bei 2017er-Neurentnern 76 Prozent. Bis 2040 steigt der steuerpflichtige Anteil für Neurentner auf 100 Prozent.

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Allerdings dürfen Spanien-Auswanderer hierzulande keine Freibeträge (auch keinen Grundfreibetrag) oder andere personenbezogene Steuervergünstigungen geltend machen. Damit sind ab dem ersten Euro des Ertragsanteils Abgaben fällig; es greift der persönliche Steuersatz – gemäß dem deutsch-spanischen Doppelbesteuerungsabkommen aber eben nur bis zum Maximum von derzeit fünf Prozent der Brutto-Jahresrente.

Immerhin: Zu einer Doppelbelastung kommt es nicht, weil die deutsche Quellensteuer in Spanien angerechnet wird. Dennoch ist die zusätzliche Steuererklärung in Deutschland eine neue bürokratische Hürde. „Der Aufwand, der für Rentner mit einem Wohnsitz im Ausland einhergeht, wächst damit weiter“, sagt der Ludwigsburger Rentenberater Gernot Telschow.

Auch darüber hinaus müssen sie Auflagen erfüllen und der Rentenversicherung zum Beispiel jährlich nachweisen, dass sie noch leben. Das schafft Anreize, lieber in der Heimat zu bleiben – oder zumindest dort den Hauptwohnsitz beizubehalten.

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