Immobilien Baufinanzierungen boomen – aber Zinsen für Kredite steigen

Das seit Jahren gut laufende Geschäft mit Baukrediten bekam im vergangenen Jahr mit der Corona-Pandemie einen Schub. Quelle: dpa

Die Nachfrage nach Immobilien ist ungebrochen: In Corona-Zeiten legen viele Menschen Wert auf ein schönes Zuhause. Die Pandemie befeuert das Geschäft mit Baufinanzierungen – doch die Konditionen verschlechtern sich.

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Die starke Nachfrage nach Immobilien hat den Boom bei Baufinanzierungen im Corona-Krisenjahr 2020 weiter angefacht. Das Neugeschäft der Banken und Sparkassen in Deutschland mit Baukrediten wuchs auf den Rekord von 273 Milliarden Euro nach 263 Milliarden Euro 2019, zeigt eine neue Studie der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC.

Demnach betrug der Bestand der an private Haushalte ausgegebenen Baufinanzierungen von Banken und Sparkassen knapp 1,4 Billionen Euro. Im Jahr zuvor hatte der Kreditbestand bei 1,3 Billionen Euro gelegen. Allerdings haben sich die Konditionen von Baukrediten zuletzt verschlechtert. Das bedeutet für Immobilienkäufer höhere Kosten.

Das seit Jahren gut laufende Geschäft mit Baukrediten bekam im vergangenen Jahr mit der Coronapandemie einen Schub, zeigt die am Donnerstag veröffentlichte Studie, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Wachstum des Kreditbestands beschleunigte sich demnach 2020 auf 6,6 Prozent pro Jahr. Nur im Juni habe es wegen des ersten Lockdowns einen Dämpfer gegeben. 2019 hatten niedrige Bauzinsen und höhere Immobilienpreise den Baukreditbestand um 5,7 Prozent steigen lassen.

von Sonja Álvarez, Martin Gerth, Max Haerder, Niklas Hoyer

„Trotz steigender Immobilienpreise und der wirtschaftlichen Unsicherheit ist das Interesse von Privatkunden an Immobilien ungebrochen“, sagt Tomas Rederer, Partner und Kreditexperte bei PwC Deutschland. „Die Konditionen für Baufinanzierungen dürften mittelfristig attraktiv bleiben und die Nachfrage weiter anheizen.“

In der Pandemie hat die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern weiter angezogen. Viele Menschen legen in Zeiten von Lockdowns und Homeoffice Wert auf ein schönes Zuhause mit mehr Platz, zudem sind die Zinsen niedrig und es mangelt an Anlagealternativen. Das treibt die Preise: Immobilienkäufer mussten 2020 im Schnitt 7,4 Prozent mehr zahlen als im Vorjahr, zeigten Daten des Statistischen Bundesamts.

Die gestiegene Immobiliennachfrage zeigt sich auch daran, dass die Bauämter in Deutschland zu Beginn des Jahres deutlich mehr Baugenehmigungen erteilten. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die Zahl wuchs im Januar um 5,1 Prozent gegenüber dem Vormonat auf 27.654 Einheiten. Enthalten sind dabei Bewilligungen für neue Gebäude sowie für Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Allein in neu zu errichtenden Wohngebäuden genehmigten die Ämter 23.822 Wohnungen – 6,8 Prozent mehr als im Vormonat. Die Zahl der Bewilligungen für Einfamilienhäuser (plus 9,3 Prozent) und Zweifamilienhäusern (plus 5,7 Prozent) stieg deutlich.

Doch die Preise steigen weiter – trotz mehr Baugenehmigungen. Viele Wohnungskäufer sichern sich der PwC-Studie zufolge deshalb die niedrigen Zinsen auf lange Sicht: Die durchschnittliche Laufzeit neuer Baukredite lag demnach erstmals bei mehr als elf Jahren. Da die Immobilienpreise vielerorts steigen und nicht jeder entsprechend mehr Eigenkapital aufbringen kann, wächst oft auch das Kreditvolumen.

Immobilienkäufer brachten im vergangenen Jahr noch einen Eigenkapitalanteil von 20 Prozent mit, zeigen Daten des Baufinanzierers Hüttig & Rompf. Das waren vier Punkte weniger als 2016. Im Schnitt zahlten Eigennutzer Kaufpreise von 493.000 Euro.

Seit Jahresbeginn haben sich Kredite für Immobilienkäufer jedoch verteuert. Die Zinsen für zehnjährige Darlehen stiegen in den vergangenen zwei Monaten um fast 0,2 Prozentpunkte und liegen nun im Schnitt bei rund 0,9 Prozent, beobachtet der Münchner Baufinanzierer Interhyp. Die Zinsen kletterten mit dem allgemeinen Renditeniveau an den Börsen, etwa bei Bundesanleihen. Investoren erwarten deutlich höhere Inflationsraten, da sie auf ein Abklingen der Corona-Pandemie und eine Konjunkturerholung setzen. Auch die teils enormen Staatshilfen, etwa in den USA, dürften die Inflationsraten antreiben.



„Insgesamt hat sich der Baufinanzierungsmarkt von den Tiefstständen um ein ganzes Stück erhöht“, sagt auch Ditmar Rompf, Vorstandschef des Konkurrenten Hüttig & Rompf. Je länger die Zinsbindung, desto höher sei die Steigerung. Die Frankfurter FMH Finanzberatung sieht aktuell Standardkonditionen von 0,81 Prozent bei zehnjährigen Baukrediten. Jüngst habe sich daran nicht mehr viel geändert.

Immobilienkäufer könnten weiter günstig finanzieren, meint Mirjam Mohr, Vorständin Privatkundengeschäft bei Interhyp. Ein Blick auf frühere Jahre, als Zinsen von vier Prozent und mehr nicht selten waren, relativiere den Anstieg. „Baugeld ist noch immer sehr günstig und wird es mit Blick auf die Auswirkungen der Pandemie und Geldpolitik bleiben.“

Tatsächlich halten die Europäischen Zentralbank und die US-Notenbank Fed trotz höherer Inflationsaussichten an einer lockeren Geldpolitik fest. Das dämpfe die Anleiherenditen, meint FMH-Immobilienexperte Max Herbst. Er rechnet im Zuge einer steigenden Inflation aber damit, dass die Zinsen für zehnjährige Baukredite im Jahresverlauf über die Marke von einem Prozent steigen.

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Das bedeute begrenzte Mehrkosten für Immobilienkäufer. Bei einem Darlehen von 250.000 Euro, zehn Jahren Laufzeit und drei Prozent Tilgung ergebe sich eine Differenz von 4500 Euro gemessen an aktuellen Konditionen. Kaufinteressenten könnten das gelassen sehen und sollten keinen Vertrag übereilt abschließen, meint Herbst. „Wenn eine Finanzierung an 4500 Euro scheitert, ist es besser, sie kommt erst gar nicht zustande.“

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