Die Zahlenfrau

Reguliert den deutschen Finanzmarkt nicht kaputt!

Der Wirecard-Skandal ist noch lange nicht aufgearbeitet, da flattern schon die ersten Gesetzentwürfe ins Haus, die ähnliche Finanz- und Bilanzdelikte verhindern sollen. Kontrolle oder Innovation – was ist wichtiger?

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Um einem „zweiten Wirecard“ vorzubeugen, soll eine Reihe von Regularien überarbeitet werden. Dazu gehört ein neuer Gesetzesentwurf, den das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz Ende Oktober vorgelegt haben. Das Gesetz soll den locker-flockigen Namen „Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz“ (FISG) tragen.

Mit dem FISG soll insbesondere die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gestärkt werden. Bei Wirecard ging es vor allem um Bilanzbetrug, daher sieht der neue Gesetzesentwurf vor, dass die BaFin künftig stärker in die Abschluss- und Berichtsprüfung involviert wird. Da Wirecard ein Finanzdienstleister ist, soll aber auch die Finanzbranche mit Neuregelungen beglückt werden. Konkret geht es hier um das Thema „Auslagerungsmanagement“.

Auslagerungen sollen neu reguliert werden

Viele Banken und Zahlungsdienstleister, im Rechtssprech „Institute“, lagern einzelne Dienste an andere Unternehmen aus, besonders im technischen Bereich. Das ist in manchen Fällen regulatorisch notwendig und außerdem für viele Marktteilnehmer eine Voraussetzung, um im internationalen Wettbewerb mitmischen zu können.

von Saskia Littmann, Cornelius Welp, Lukas Zdrzalek

Sollte der FISG-Entwurf in Kraft treten, darf die BaFin nicht nur die Institute selbst kontrollieren, sondern auch alle Dienstleister dieser Institute sowie deren Dienstleister. Dabei ist es egal, ob das Unternehmen im In- oder Ausland sitzt und ob es sich um ein von der BaFin beaufsichtigtes oder nicht beaufsichtigtes Unternehmen handelt. So sollen Risiken aus der Auslagerung besser identifiziert und kontrolliert werden können.

In der Theorie gibt es daran nichts zu meckern. Eine starke Finanzaufsicht ist sowohl aus Branchen- als auch aus Kundensicht begrüßenswert. In der Praxis sehe ich jedoch erhebliche Probleme auf die deutschen Finanzdienstleister zukommen. Künftig sollen sie

  • ein Auslagerungsregister über sämtliche Auslagerungen führen
  • neue Prozesse für die erweiterten Anzeigepflichten aufsetzen und
  • bestehende Auslagerungsvereinbarungen anpassen.

Außerdem sollen Subunternehmer, die in einem nicht-europäischen Staat sitzen, künftig einen „inländischen Zustellungsbevollmächtigten“ benennen, an den sich die BaFin direkt wenden kann.

Wie soll das in der Praxis umgesetzt werden?

Wenn ich auf unsere tägliche Arbeit bei Ratepay blicke, ist mir unklar, wie das funktionieren soll. Die genannten Punkte werden schwer mit unseren Dienstleistern umzusetzen sein – wer räumt schon freiwillig einer „branchenfremden“ Behörde Aufsichtsrechte ein? Besonders bei bestehenden Verträgen wird sich das Nachverhandeln als schwierig gestalten. Wir haben das Problem schon heute mit einem unserer großen Softwaredienstleister, der nicht verstanden hatte, was da auf ihn zukommt und mit dem wir umfangreiche Erläuterungsgespräche führen mussten, um Missverständnissen vorzubeugen.

Auf Start-ups bezogen sehe ich das Problem, dass gerade kleinere Anbieter, etwa im Bereich des Server-Hostings, nicht bereit sein werden, der BaFin weitreichende Rechte einzuräumen. Gleichzeitig kann sich eine kleine Firma aber keine Microsoft Cloud leisten, wo gesonderte Verträge mit der BaFin bestehen.

Ich befürchte, dass sich die neuen Regelungen negativ auf die Innovationskraft der deutschen Finanzbranche auswirken werden. In Deutschland ist der Finanzmarkt ohnehin viel stärker reguliert als in anderen Ländern, und auch ohne neue Gesetze müssen wir aufpassen, im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden. Abgesehen davon werden mit dem neuen Gesetzesentwurf bestehende Regularien und EU-Vorgaben, wie die EBA Leitlinien zu Auslagerungen, nicht weiter beachtet. Das führt zu einer mehrfachen und teils widersprüchlichen Regulierung von Sachverhalten durch verschiedene Vorgaben. Die Übersicht für Betroffene wird dadurch erheblich erschwert und sorgt so schlussendlich für mehr Probleme als Vorteile.

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