




Rund 135.000 Betriebe suchen nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn bis 2018 einen Nachfolger. Analysen zufolge übertragen 54 Prozent die Firma innerhalb der Familie, also etwa an den Sohn oder die Tochter. Bei Erbe oder Schenkung kommen die Nachfolger in den Genuss massiver Steuervorteile. Doch die gehen dem Bundesfinanzhof in München viel zu weit. Im September 2012 legte das höchste Finanzgericht seine schweren Bedenken gegen die großzügigen Regeln im Gesetz dem Bundesverfassungsgericht vor.
Am 8. Juli ist die mündliche Verhandlung in Karlsruhe, bei der alle maßgeblichen Vertreter des Finanzministeriums, des Bundesfinanzhofs und weitere Experten zu Wort kommen. Schon kurz darauf könnten die Richter verkünden, dass die jetzigen Vorteile gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen und deshalb gestrichen oder geändert werden müssen.
Wie Betriebsnachfolger ihren Steuervorteil selbst berechnen können
Das Betriebsvermögen entspricht dem letzten Jahresgewinn x 14.
Der Faktor 14 ist der sogenannte Kapitalisierungsfaktor, der für jedes Steuerjahr vom Bundesfinanzministerium bestimmt wird.
Das steuerpflichtige Vermögen entspricht dem Betriebsvermögen, abzüglich der 85 % Verschonungsbetrag. Künftig soll es ab einem Betriebsvermögen von 20 Millionen Euro eine sogenannte Bedürfnisprüfung geben. Wird dabei festgestellt, dass das Unternehmen durch Steuerschuld auf die Übertragung (Erbe oder Schenkung) gefährdet wäre, soll die Steuerzahlung auch gestundet werden.
Die Steuerschuld ergibt sich aus dem steuerpflichtigen Vermögen minus 150.000 Euro Abzugsbetrag. Der Abzugsbetrag von 150.000 Euro ist degressiv. Bleiben nach Abzug der 85 Prozent höchstens 150.000 Euro übrig, greift er voll. Bei höherem Rest, von diesem 150.000 Euro abziehen, durch zwei teilen, diesen Betrag von 150.000 Euro abziehen und das Ergebnis als Abzugsbetrag nehmen.
Von der in Schritt drei ermittelten Steuerschuld muss nur noch der persönliche Freibetrag abgezogen werden. Das Ergebnis ist endgültig zu versteuern. Der persönliche Freibetrag beträgt zum Beispiel für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner 500.000 Euro, für Kinder 400.000 Euro Die Steuersätze liegen in ihrer Steuerklasse bei sieben Prozent (bis 75.000 Euro), elf Prozent bis 300.000 Euro, 15 Prozent bis 600.000 Euro und 19 Prozent bis sechs Millionen Euro.
Bestehende Steuervorteile sichern
"Wir sind alle sehr gespannt, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet", sagt Marc Jülicher, Fachanwalt für Steuerrecht der Kanzlei Flick, Gocke, Schaumburg in Bonn. "Wenn jemand sein Unternehmen mit größerem Vermögen ganz steuerfrei übertragen möchte, sollte er das zeitnah machen", so der Experte. Denn diese "Vollverschonung" sei kaum zu halten.
Auch die Steuerbefreiung von 85 Prozent sollten Selbständige für ihre Nachfolger sichern. "Es kann nicht besser werden für Unternehmer", so Anwalt Jülicher. Sein Kollege Bernhard Leibfried, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der Kanzlei KKLB in Fellbach bei Stuttgart stimmt ihm zu: "Im schlechtesten Fall könnte das Bundesverfassungsgericht die jetzigen Vorteile nach der Anhörung streichen. Dann wären keine Übertragungen mehr wie bisher möglich." Matthias Lefarth, Leiter der Abteilung Finanz- und Steuerpolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin, pflichtet dem bei, meint aber, dass zumindest das Standardmodell bestehen bleibt: "Denn es gilt den Grundsatz zu verwirklichen, dass Betriebe fortbestehen können und die Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht einen Verkauf oder die Aufgabe des Betriebs erzwingt."
Beim Standardmodell, das in der Praxis am häufigsten genutzt wird, müssen Nachfolger folgende Bedingungen einhalten:
Bedingung 1: Maximal 50 Prozent Verwaltungsvermögen
Zum Betriebsvermögen gehören vor allem das Firmengebäude, Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeuge. Zum Verwaltungsvermögen zählen etwa: An andere vermietete Immobilien, Anteile an einer externen GmbH mit 25 Prozent oder weniger, Wertpapiere und Forderungen, Bankguthaben, Festgelder, Beteiligungen an anderen Gesellschaften. "Durch eine seit dem 6. Juni 2013 geltende Änderung des Gesetzes ist es weitaus schwieriger als früher, unter 50 Prozent Verwaltungsvermögen zu bleiben", so Experte Marc Jülicher. Denn Forderungen, Verbindlichkeiten und Liquidität zählen zum Verwaltungsvermögen, das je nach aktueller Geschäftslage stark schwankt. "Maßgeblich sind die Beträge am Bewertungsstichtag", so Jülicher.