Betriebliche Altersvorsorge Betriebsrente gerät in die Fänge der Politiker

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Eingriff durch Gesetzgeber

Aber selbst eine gute Rendite löst nicht das Problem, das manchen Betriebsrentner erst bei der Auszahlung erwischt. Norbert L. Brodtmann, früherer Marketingchef bei einem Elektrokonzern, profitiert zwar von einer Betriebsrente, die er während seines Berufslebens durch eine Entgeltumwandlung angespart hat. Aber trotzdem sieht der Ex-Manager die betriebliche Altersvorsorge inzwischen sehr skeptisch. Er gehört zu denen, die durch Eingriffe von Politikern in bestehende Betriebsrentenverträge schlechte Erfahrungen gemacht haben. Im Sommer 2003 hatte der Bundestag das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) mit den Stimmen der damaligen Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD sowie den Grünen verabschiedet.

Wann die Europäer in Rente gehen
DeutschlandDie Arbeitnehmer in Deutschland sind nach Informationen der „Bild-Zeitung“ im vergangenen Jahr so spät in Rente gegangen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Gleichzeitig sanken die Abschläge wegen vorgezogenen Renteneintritts auf den niedrigsten Wert seit 2003, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die neueste Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung. Danach stieg das durchschnittliche Renteneintrittsalter der Männer 2012 von 60,9 auf 61,2 Jahre. Frauen gingen mit 61 (2011: 60,8) Jahren in Rente. Das waren die höchsten Werte seit mehr als 20 Jahren. Im Jahr 2000 wechselten Männer noch im Schnitt mit 59,8 Jahren aufs Altenteil, Frauen mit 60,5 Jahren. Quelle: dpa
FrankreichAuch in Frankreich ist das Renteneintrittsalter gestiegen: 2009 - vor der Anhebung der Altersgrenze - gingen die Franzosen noch mit durchschnittlich 59,3 Jahren in Pension, 2012 waren sie im Schnitt 62 Jahre und 2 Monate alt (2011: 61 Jahre und 11 Monate). Wer vor seinem 20 Lebensjahr angefangen hat zu arbeiten und in die Rentenkasse einzuzahlen, darf bereits mit 60 Jahren aufs Altenteil wechseln, ohne Abschläge befürchten zu müssen. Quelle: AP
Griechenland2012 haben sich die griechische Regierung und die Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Union und Internationalem Währungsfondsdarauf geeinigt, das Renteneintrittsalter in dem Schuldenstaat anzuheben. Seit dem gehen die Griechen - zumindest nach Plan - mit 67 statt wie zuvor mit 65 Jahren in den Ruhestand. 2011 betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland 61,4 Jahre. Quelle: dpa
ItalienItalienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. In Rente gehen die Italiener im Schnitt mit 60,8 Jahren. Wenn sie keine Abschläge hinnehmen wollen, müssten sie eigentlich bis 62 arbeiten. Quelle: AP
Spanien2011 hat sich auch die spanische Regierung angesichts eines gigantischen Schuldenberges dazu entschlossen, die Altersgrenze anzuheben: Wie auch in Deutschland und Griechenland soll das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Zuvor gingen die Spanier im Schnitt mit 62,6 statt 65 Jahren in Rente. Beschäftigte, die bereits 38,5 Jahre gearbeitet haben, haben allerdings weiterhin ab dem 65 Lebensjahr einen Anspruch auf volle Rentenbezüge. Quelle: dapd
GroßbritannienSeit 2011 gibt es in Großbritannien kein offizielles Rentenalter mehr. Die Briten können also selbst entscheiden, wann sie in den Ruhestand gehen. Zuvor konnten die Briten mit 60 Jahren (Frauen) beziehungsweise 65 Jahren (Männer) die Arbeit Arbeit sein lassen. Das tatsächliche Eintrittsalter lag vor der Abschaffung des Rentenalters bei 63,1 Jahren. Quelle: AP
IrlandDie Iren arbeiten am längsten: So müssen auf der grünen Insel Männer und Frauen noch bis 65 arbeiten und tun es auch - zumindest bis sie (im Durchschnitt) 64,1 Jahre alt werden. Wegen des Schuldenberges der grünen Insel erhöht die irische Regierung nun schrittweise das Rentenalter von 65 auf 68 Jahre. Quelle: AP

Wer freiwillig gesetzlich versichert ist oder Pflichtmitglied bei einer Krankenkasse, der zahlt seitdem auf die Auszahlung seiner betrieblichen Altersvorsorge den vollen Kassenbeitrag von 15,5 Prozent und noch 2,05 Prozent für die Pflegeversicherung.

Lockender Steuervorteil, ärgerlicher Kassenabzug

Gelockt wurde auch Brodtmann mit Steuervergünstigungen bei der Einzahlung: Zahlen Arbeitnehmer vier Prozent vom Bruttogehalt durch eine Entgeltumwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf keine Sozialabgaben oder Lohnsteuer zahlen. Die Steuervorteile bei der Einzahlung werden aber häufig durch hohe Krankenkassenabzüge bei der Auszahlung zunichte gemacht.

Brodtmann streitet sich derzeit mit seiner Techniker Krankenkasse vor Gericht um den Kassenabzug, da er nur Tantieme in die betriebliche Altersvorsorge eingezahlt hatte, die eigentlich als einmalige Sonderleistungen von dem Kassenabzug verschont bleiben sollten. Er warnt auch die heutigen Einzahler: „Der Staat steht nicht zu seinen Aussagen, heute wollen sie die Betriebsrente fördern, morgen greifen sie zu.“ Mit dem jetzt geplanten Gesetz verfolge die Regierung nur ein Ziel: „Sie versucht dem Mittelstand klarzumachen, dass er doch bitte selbst für die Rente seiner Arbeitnehmer vorsorgen soll, weil die gesetzliche Rente nichts mehr bringen wird“, vermutet er.

Private Altersvorsorge ist flexibler

Auch Peter Weber, ehemaliger Angestellter eines großen Hausgeräteherstellers und heutiger Rentner, ist von seiner Betriebsrente enttäuscht, nachdem auch ihm im laufenden Vertrag einfach der Kassenabzug aufgedrückt wurde. Weber hat ausgerechnet, dass ihm seine Einzahlungen in die Betriebsrente gerade mal 0,25 Prozent Rendite gebracht haben. Hätte er statt dessen eine normale Lebensversicherung abgeschlossen, wäre er besser gefahren, denn der Kassenabzug von mehr als 5000 Euro wäre ausgeblieben. Die Steuervorteile bei der Einzahlung zwar auch, aber die betrugen nur 1100 Euro.

Weber hofft auf ein Umdenken in der Politik bei der Neugestaltung der betrieblichen Altersvorsorge. Ohne einen Bestandsschutz für laufende Verträge sei der Arbeitnehmer der Parteien-Willkür ausgeliefert. Und dieses offensichtliche Unrecht mit massiven Vermögenseingriffen, werde auch von der Rechtsprechung kaum als solches gebrandmarkt. „Eines gilt mit Sicherheit auch in der Zukunft: Wenn der Staat Geld benötigt, wird er ohne Skrupel in die Taschen der Bürger greifen, Vertragsgrundlage bei der Betriebsrente hin oder her.“

Die Zukunft der gesetzlichen Rente ist grau. Wohltaten, die die Bundesregierung an aktuelle Rentner mit der Mütterrente und mit der Rente ab 63 verteilt hat, belasten das System zusätzlich. Die Zukunft der betrieblichen Vorsorge ist auch nicht rosig, wenn man weiß, dass die angesparten Vermögen zur Finanzierung der Sozialkassen herangezogen werden und zu häufig sehr renditeschwach sind. Findet die Bundesregierung hier keine überzeugenden Antworten, wird es ihr schwerfallen, heutige Arbeitnehmer für eine Betriebsrente zu gewinnen.

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