Pflege Der Lebensabend wird teurer als gedacht

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Zahl der Pflegebedürftigen

Die wichtigsten Heimbetreiber sind evangelische und katholische Kirche sowie gemeinnützige Verbände wie die Arbeiterwohlfahrt. Große private Anbieter sind die Pro Seniore AG, die dem Saarbrücker Geschäftsmann Hartmut Ostermann gehört, Kursana aus der Dussmann-Gruppe oder die börsennotierte Curanum AG. Sie kennt nur kaum einer.

Kein Wunder, denn die Branche ist aus Sicht von Unternehmensberatern noch viel zu atomisiert, um durch gemeinsamen Einkauf, effizientere Prozesse oder mehr Immobilien Marktmacht für eine höhere Marge nutzen zu können. 2008 wurden rund 6100 Heime gemeinnützig betrieben, 4300 von privaten Anbietern und gerade mal 635 von Kommunen.

Selbst Deutschlands größte private Pflegeheimkette Pro Seniore kommt mit 17.500 Plätzen in 106 Einrichtungen nur auf einen Marktanteil von 2,4 Prozent. Bei Fragen zu Umsatz und Marge lässt das Unternehmen zugeknöpft ausrichten, es sei nicht zur Veröffentlichung verpflichtet, Eigner Ostermann stehe für Fragen nicht zur Verfügung. Häuser- und Belegungszahlen enden auf der firmeneigenen Homepage im Jahr 2001.

Schwierige Lage

Kursana ist auskunftsfreudiger: Mit ihren 90 Einrichtungen und rund 10.050 Bewohnern in Deutschland erzielte das Unternehmen 2009 rund 279 Millionen Euro Umsatz – 8,6 Prozent mehr als 2008. Ihren Gewinn verschweigen die Berliner.

Die börsenotierte Curanum erwirtschaftete 2009 rund 259 Millionen Euro Umsatz mit 7800 Pflegeplätzen und 1600 Apartments für betreutes Wohnen, der Gewinn nach Steuern lag bei 5,8 Millionen Euro. Auch die Münchner machen trotz Aktionären wie der Norddeutschen Landesbank oder den US-Finanzinvestor Guy Wyser-Pratte keine großen Sprünge.

Die Lage der Branche ist schwierig, Wirtschaftsexperten schätzen, dass rund 13 Prozent der Heime – vor allem die kleinen – von Insolvenz bedroht sind. Die wichtigsten Probleme im Detail:

Jeder Alters- oder Pflegeheimbetreiber kann zwar grundsätzlich frei kalkulieren. Der staatliche Zuschuss durch die Pflegeversicherung ist jedoch begrenzt und wird bundesweit einheitlich aus den Kosten für Pflege, Unterkunft, Verpflegung, einem Investitionsbeitrag und einem Ausbildungsbeitrag berechnet. Die tatsächlichen Kosten decken sie bei Weitem nicht. Sie ist eben keine Vollkaskoversicherung.

Die Pflege verschlingt Oma ihr klein Häuschen

Beispiel Bayern: Pflegestufe 1 schlägt im Caritas-Altenzentrum in Gau-Algesheim, keinem Luxuswohnsitz, mit 2457 Euro Kosten zu Buche, die Pflegekasse trägt davon 1023 Euro. Bei der Pflegestufe 3 für Schwerkranke sind es 3513 Euro, abzüglich 1510 Euro Pflegekasse klafft eine Lücke von rund 2000 Euro. Die zahlen Patient oder Angehörige selbst.

Im wahren Leben bedeutet das: Omas Pflege verschlingt Oma ihr klein Häuschen. So reicht der Verkauf eines typischen Einfamilienhauses aus den Sechzigerjahren in Wuppertal gerade für sieben Jahre Pflege der unter schwerer Osteoporose leidenden Mutter und des demenzkranken Vaters in einem bescheidenem Stift. Das kalkulieren die im Westerwald lebende Tochter Carolin Most* und ihr Mann Peter gerade erschrocken durch. „Wir bekommen wohl nicht mehr als 170 000 Euro für das alte Haus, haben aber mit viel mehr gerechnet“, sagt der Schwiegersohn, von Beruf Kaufmann und voll berufstätig wie seine Frau.

Die Mosts wissen: Ist das elterliche Vermögen aufgezehrt – und mehr als das Haus ist nach zwei Jahren ambulanter Betreuung von Mutter und Vater nicht mehr übrig –, fordert das Sozialamt von ihnen den Elternunterhalt. Ein ehrliches Wort aus Berlin täte daher Not: Entweder die Deutschen hüten ihre Eltern selbst, werden zu mehr privatem Sparen für die Pflege im Alter gezwungen, oder die Beiträge zur Pflegeversicherung – derzeit 1,95 Prozent des Bruttogehalts, Kinderlose zahlen 2,2 Prozent – müssen erhöht werden.

*Name geändert.

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