
Sollte die Rente wirklich das große Thema im nächsten Bundestagswahlkampf 2017 werden, dann haben Propagandisten wohl bald Hochkonjunktur. Nicht, dass eine Debatte über Altersvorsorge und Entwicklung der staatlichen Rentenkasse unwichtig wäre.
Im Gegenteil: Es stimmt ja, von 2020 an kommen viele geburtenstarke Jahrgänge ins Rentenalter. Ihre Renten werden dann ganz überwiegend die verbleibenden Beitragszahler schultern müssen. Gleichzeitig sollen die selbst fürs Alter vorsorgen und bitte reichlich Geld zurücklegen - dank Niedrigzinsen noch mehr.
Doch gerade deshalb wäre eine ehrliche und transparente Debatte wichtig. Davon ist bislang wenig zu spüren. Vielleicht ist das Thema zu komplex für einen Straßenwahlkampf, der in den vergangenen Jahrzehnten eher simple Botschaften à la „Die Rente ist sicher“ kannte.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Jedenfalls schießen schon jetzt Zahlen und Fakten so wild durcheinander, dass einem nur schwindlig werden kann. Der WDR berichtete jüngst, dass fast jedem zweiten Bundesbürger, der ab 2030 in Rente geht, eine Armutsrente drohe. Das sollte eine Altersversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung sein, die unterhalb der Armutsgrenze liegt. In der weiteren Berichterstattung anderer Medien - Zuspitzung ist schließlich Journalistentugend – drohte dann schon jedem zweiten Rentner ab 2030 Altersarmut.
Zahlen halten der Betrachtung nicht stand





Das war gleich doppelt falsch: Selbst der WDR hatte nicht behauptet, dass die Rentner von morgen neben ihrer gesetzlichen Rente nicht auch noch weitere Geldquellen haben könnten. Einkommensarmut könne immer nur im Haushaltskontext berechnet werden, stellte die Deutsche Rentenversicherung als Reaktion klar. Schließlich können private und betriebliche Altersvorsorge die gesetzliche Rente im Idealfall steigern. Zwar haben gerade Personen mit niedrigem Einkommen für solche Vorsorge oft nur wenig Geld übrig.
Doch selbst dann reicht der Blick auf die allein aus ihrem Arbeitseinkommen finanzierten Renten nicht aus. So kommen weitere Rentenbestandteile direkt aus der Rentenkasse hinzu, als Anerkennung etwa für Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen.
Doch nicht nur Journalisten nutzen Zahlen und Fakten, die einer genaueren Betrachtung nicht standhalten. Selbst Regierung und Rentenversicherung setzen auf Zahlen, die falsch berechnet sind. Eine Zahl wird derzeit besonders gerne verwendet: das Rentenniveau vor Steuern. Es werde von derzeit 47,7 bis 2029 auf 44,6 Prozent sinken. Das sagen Politiker, das schreiben Medien - auch die WirtschaftsWoche. Es steht ja auch im Rentenversicherungsbericht 2015 der Bundesregierung, auf Seite 40. Die Bundesregierung muss sogar bestimmte Vorschläge unterbreiten, wenn dieses prognostizierte Rentenniveau vor Steuern bis 2020 unter 46 Prozent und bis 2030 auf unter 43 Prozent fallen sollte. Das steht im Sozialgesetzbuch.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Hinter diesem Rentenniveau vor Steuern steht eine offizielle Kennzahl mit dem noch etwas abschreckenderen Namen: Sicherungsniveau vor Steuern. Schon die bürokratische Bezeichnung signalisiert jedem: Vorsicht, jetzt wird es kompliziert. Dabei ist die Berechnung kein Hexenwerk. Angesetzt wird die Rente eines Rentners, der 45 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat und der genau den Durchschnittslohn verdient hat. Er wird als Standardrentner bezeichnet, obwohl 45 Beitragsjahre heute längst nicht mehr der Standard sind.
Diese Rente wird um die Sozialabgaben der Rentner reduziert. Dann wird die Rente (nach Abzug der Sozialgaben) ins Verhältnis zum jeweiligen Durchschnittsentgelt gesetzt, also dem Arbeitseinkommen der Beitragszahler. Laut Gesetz "gemindert um den durchschnittlich zu entrichtenden Arbeitnehmersozialbeitrag einschließlich des durchschnittlichen Aufwands zur zusätzlichen Altersvorsorge". Auch hier sollen also die von den Arbeitnehmern zu zahlenden Sozialbeiträge abgezogen werden, außerdem die Beiträge zu einer Riester-Rente - Steuern bleiben erneut unberücksichtigt.