Die meisten Berufstätigen freuen sich auf die Rente – und viele können es kaum abwarten. Von der Regierung war kürzlich zu erfahren, dass nahezu jeder vierte Neurentner des Jahres 2014 den vorzeitigen Ruhestand wählte, obwohl das mit einer Rentenkürzung verbunden war. Im Durchschnitt gingen die Neurentner knapp zwei Jahre vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand und nahmen dafür eine siebenprozentige Kürzung der monatlichen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Kauf.
Die meisten Berufstätigen sehen dem Ende des Arbeitslebens optimistisch entgehen, was die Lebensgestaltung angeht – zumindest aus Sicht der heutigen Rentnergeneration. Zu machen, was man will, und mehr Zeit zur Verfügung zu haben - darauf freuen sich sich mehr als die Hälfte der heutigen und künftigen Rentner.
Das Problem dabei: Die Sorge um ein zu geringes Einkommen im Alter wächst. Dass die Angst vor Altersarmut zunimmt, belegt eine bundesweite Studie des Versicherungskonzerns Axa, die der WirtschaftsWoche vorab vorliegt. Mindestens 100 Erwerbstätige sowie mindestens 100 Ruheständler pro Bundesland wurden für den Deutschland-Report 2016 zur Ruhestandsplanung befragt, insgesamt 3324 Personen.
Die Studie zeigt, dass sich das Vorsorgeverhalten deutlich verändert hat. So sagen 57 Prozent der Berufstätigen, dass ihnen das Thema Altersvorsorge heute mehr Angst macht als früher. 59 Prozent gaben sogar an, das Altersarmut Thema im Bekanntenkreis ist. Jeder Dritte (32 Prozent) befürchtet, dass er selbst betroffen sein könnte.
Schuld daran sind sicher der demografische Wandel, der den Rentneranteil an der Bevölkerung mit Jahren ansteigen lässt, und nicht zuletzt die schon seit Jahren historisch niedrigen Zinsen – ohne rasche Aussicht auf eine Normalisierung des Zinsniveaus. Die mickrige Verzinsung auf Sparprodukte führt laut Studie dazu, dass die Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) keine neuen Vorsorgeverträge mehr abschließen möchte.
Angesichts der großen Angst vor Altersarmut erscheint das zunächst unverständlich. Zudem gaben jeweils mehr als 70 Prozent der Befragten an, das Vertrauen in die Politik beim Thema Altersvorsorge verloren zu haben, rund drei Viertel der Bevölkerung gehen davon aus, dass sich Situation für die nächste Rentnergeneration – also die heute etwa 50-Jährigen – im Vergleich zur heutigen verschlechtern wird.
Angst und Vorfreude beim Ruhestand
Die Ergebnisse stammen aus dem AXA Deutschland-Report 2016. Für den Report wurden im März 2016 3.324 Interviews mit je circa 100 Erwerbstätigen und 100 Ruheständlern pro Bundesland geführt. Der Report stellt eine bundesweite Gesamtauswertung der Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Ruhestandsplanung und dem Ruhestandsmanagement dar.
Dieser Auszug zeigt, worum sich die Deutschen im Hinblick auf den Ruhestand sorgen und worauf sie sich freuen.
32 Prozent der Erwerbstätigen und 27 Prozent der Ruheständler befürchten eine Verarmung im Hinblick auf ihren Ruhestand.
30 Prozent der Erwerbstätigen und 34 Prozent der Ruheständler bereitet ein Verlust der Stabilität Deutschlands Sorgen.
Die Sorge um Rentenkürzungen beschäftigt 34 Prozent der Erwerbstätigen und 36 Prozent der Ruheständler.
Am meisten sorgen sich die Befragten um die Gesundheit. 59 Prozent der Erwerbstätigen und Ruheständler gaben an, dass Erkrankungen ihnen große Sorgen im Hinblick auf ihren Ruhestand bereiten.
22 Prozent der Ruheständler und 36 Prozent der Erwerbstätigen freuen sich darüber bzw. darauf, im Ruhestand viel zu verreisen.
Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen Ruheständlern und Erwerbstätigen. 43 Prozent der Ruheständler und nur 21 Prozent der Erwerbstätigen freuen sich darüber bzw. darauf, sich im Ruhestand nicht mehr beweisen zu müssen.
"Mehr Zeit zur Verfügung haben" ist für 56 Prozent der Ruheständler und 60 Prozent der Erwerbstätigen eine Ruhestandsfreude.
Einfach mal "zu machen, was man will" ist für die Befragten die größte Freude im Ruhestand. 64 Prozent der Ruheständler und 55 Prozent der Erwerbstätigen freuen sich darüber bzw. darauf.
Nicht sparen zu wollen, obwohl die Angst vor Altersarmut omnipräsent ist, ist aber nur scheinbar widersprüchlich, denn die Berufstätigen haben dem Report zufolge eine Ausweichstrategie: Immobilien. Das selbstgenutzte Eigenheim präferieren dabei 18 Prozent, auf ein Objekt zur Vermietung setzten 16 Prozent der Befragten. Keine andere Vorsorgeform erreicht so hohe Werte. Bundesweit plant jeder vierte Erwerbstätige mit einer Immobilie, die ihm im Alter Ausgaben für Miete erspart oder sogar Mieteinnahmen generiert. Erst an dritter Stelle stehen demnach Spareinlagen wie Sparbücher, Tages-, Festgeld- oder Girokonten, gefolgt von Lebens- und Rentenversicherungen.
Auch Immobilien bergen Risiken
Für die Rentner der Zukunft ist das in gewisser Weise logisch, weil die Finanzierung gegenwärtig so günstig ist wie nie zuvor. „Die einseitige Fokussierung auf Immobilien zur Altersvorsorge birgt allerdings Risiken“, gibt Patrick Dahmen, Vorstandsmitglied des Axa-Konzerns, zu Bedenken. Schließlich könne es so passieren, zu viel auf nur eine Karte zu setzen, anstatt seine Geldanlagen zu streuen, Ausgaben für Nebenkosten, Instandhaltung sowie Anschlussfinanzierung seien zu berücksichtigen.
Darüber hinaus sind geeignete Immobilien vielerorts knapp und die Preise in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das birgt die Gefahr von Wertverlusten und mindert die Rendite für Vermieter. Setzt sich der Trend zur Aufbesserung des Renteneinkommens durch Mieteinnahmen tatsächlich so fort, würde sich zudem die Zahl der privaten Vermieter nahezu verdreifachen. Jeder vierte Erwerbstätige würde so zum Vermieter werden. Der zunehmende Wettbewerb dürfte dann für künftige Mieterhöhungen eher hinderlich sein. Einfacher dürften es jene haben, die die Immobilie selbst bewohnen wollen, sofern sie solide finanzieren, Reserven einplanen und auch steigende Hypothekenzinsen in ferner Zukunft verkraften können.
Unterschätzter Sparaufwand
Erstaunlich ist auch, dass laut Studie die Mehrheit den Sparaufwand für einen Aufstockung der späteren Rente deutlich unterschätzt. Dabei gehen die Befragten davon aus, dass ihnen und ihrem Partner im Rentenalter knapp 2000 Euro zur Verfügung stehen sollten, um den gewohnten Lebensstandard auch im Rentenalter aufrecht zu erhalten. Die Befragten sollten explizit vom heutigen Preisniveau ausgehen und Investitionen in die selbstgenutzte Immobilie unberücksichtigt lassen. Ausgehend davon, dass die Erwerbtätigen im Durchschnitt vielleicht noch 25 bis 30 Jahre für den Ruhestand sparen können und die Durchschnittrenten im Bereich von 1000 Euro monatlich liegen, müssten also 1000 Euro zusätzlich pro Monat bei Renteneintritt zur Verfügung stehen.
31 Prozent glauben, dass ein Sparbeitrag von 100 bis 200 Euro monatlich genügt, um eine ausreichend private Altersvorsorge aufzubauen. 19 Prozent glauben sogar, 100 Euro im Monat würden ausreichen. 200 bis 300 Euro veranschlagen 15 Prozent, nur 16 Prozent sehen den Bedarf jenseits von 300 Euro.
Aber selbst wer 300 Euro im Monat dafür über 30 Jahre zur Seite legt und mit zwei Prozent verzinst bekommt, erhält gerade mal 745 Euro Rente im Monat. Und nach 20 Jahren ist das Geld aufgebraucht.
Die Lehre aus der Studie ist daher, dass sich alle, die sich Sorgen um ihr auskömmliches Alterseinkommen machen, eine ehrliche und schonungslose Bestandsaufnahme ihrer erreichbaren Rentenansprüche machen und bei der Suche nach passenden Wegen der privaten Vorsorge realistisch rechnen. Und hier bei gilt wie immer beim Thema Vorsorge: Je früher man damit beginnt, umso besser.