Billig kann nicht gut sein An der Krise des Olivenöls sind die Europäer selbst schuld

Ölivenöl Extra Vergine - oder doch Lampantöl oder gar überhaupt nicht aus Oliven? Verbraucher sind am Regal allein gelassen.

Der Chef des größten Olivenöl-Produzenten sagt, das Geschäftsmodell sei kaputt. Gepanschte und gefälschte Ware habe das Vertrauen der Verbraucher erschüttert. Doch schuld seien die oft selber, sagen Branchen-Kritiker.

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Mitte Juni trafen die Handelszölle, die US-Präsident Donald Trump angeordnet hat, ein Land und ein Produkt hart, auf das man nicht so schnell gekommen wäre: Oliven aus Spanien. Das US-Department of Commerce ordnete Zölle in Höhe von 7,52 bis 27,02 Prozent auf die Importe von der iberischen Halbinsel an.

Die europäische Kommission protestierte scharf, die Produzenten vor allem aus dem Süden des Landes bekommen die Folgen bereits zu spüren. Schon vor der Einführung der Zölle sanken die Exporte in die USA im ersten Quartal 2018 um 42,4 Prozent. Betroffen sind alle reifen Oliven, ob im Ganzen oder gehackt oder zerschnitten – nicht jedoch Olivenöl.

Und doch dürfte dies eines der kleineren Probleme sein, dem sich die europäischen Hersteller von Oliven und Olivenöl gegenübersehen. Die Prognosen der US-Landwirtschaftsbehörde für Waren aus dem Ausland steigen zwar mit Blick auf den weltweiten Konsum im aktuellen Jahr – aber die Saison 2016/2017 sah einen Rückgang von 2.820.000 Tonnen auf 2.749.000 Tonnen im Vergleich zu den zwölf Monaten zuvor.

Das Problem für die Olivenbauern in Europa ist nicht etwa der Handelskrieg oder das sich in Süditalien immer stärker ausbreitende Bakterium Xylella fastidiosa, das die Bäume zerstört. Das Problem sind die Kunden. In Spanien steigen zwar die Exporte – der jedoch auch weiterhin wichtige Heimmarkt schrumpft. Die spanischen Haushalte konsumieren nur noch so viel wie vor fünf Jahren.

In Deutschland steht Olivenöl für Urlaubsgefühl, authentische Produkte, gute Küche und gesunde Ernährung. Die Regale in den Supermärkten bieten eine kaum zu überschauende Vielfalt. Und was sich in den Flaschen befindet, kann kaum ein Konsument kontrollieren. Auf einer Liste der zehn betrugsanfälligsten Lebensmittel steht es auf Platz 1. Es wird gestreckt, verdünnt, gepanscht oder umdeklariert. Oder gleich ein ganz anderes Öl in Kanister gefüllt, wie Mitte Juni diesen Jahres, als das Landeslabor Berlin-Brandenburg Sonnenblumenöl in Gebinden fand, die es als Natives Olivenöl auswiesen.

Es lohnt sich für die Kriminellen. Die Kosten für die Produktion echten Extra Vergine Olivenöls liegen mehr als fünfmal so hoch wie bei gefälschtem. Der CEO des weltgrößten Herstellers von Olivenöl Deoleo, Pierluigi Tosato, richtete deswegen vor einigen Wochen dramatische Worte auf einer Konferenz der North American Olive Oil Association an die Teilnehmer. Das Geschäftsmodell der Olivenöl-Hersteller sei kaputt. In wenig beruhigenden Worten benannte er das Problem: „Der Verbrauch sinkt, weil die Verbraucher das Vertrauen verloren haben.“ 

Italien produziert weniger Ölivenöl, als weltweit als italienisch deklariert wird

Deoleo hat viel zu verlieren. An dem börsennotierten Unternehmen hält das Private Equity-Unternehmen CVC Capital Partners 50,1 Prozent der Stimmrechte. Zu den großen Marken gehören Bertolli und Sasso. Die rund 700 Mitarbeiter erwirtschafteten 2017 einen Umsatz von 692 Millionen Euro, zu mehr als 80 Prozent mit Olivenöl. Wenn Tosato warnt, dann spricht eine Instanz. 

Die Verbraucher suchten Alternativen zu Olivenöl und eine Überproduktion in den kommenden Jahren sei abzusehen. Tosato, ein gebürtiger Italiener und seit 2016 Deoleos CEO, sprach vor allem einen seit Jahren bekannten Widerspruch an. Italien produziere weit weniger Olivenöl als italienisches Olivenöl weltweit verkauft würde. Die Autorin Cecilia Rodriguez fragte 2016 in der Zeitschrift Forbes: "Der Olivenöl-Betrug: Wenn 80 Prozent gefälscht sind - warum kaufen Sie es noch?"

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