E-Commerce für Luxusuhren „Wir können zeigen, wie die Uhr auf dem Mond war“

E-Commerce für Luxusuhren: Interview mit Chrono24-Gründer Quelle: PR

Der E-Commerce für mechanische Luxusuhren hinkt der Handelsbranche weiter hinterher. Der Gründer der Plattform Chrono24, Tim Stracke, erklärt, warum sich Rolex, Omega & Co. besser über das Internet verkaufen lassen.

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Wenn sich nun zur Baselworld Juweliere aus aller Welt in Basel einfinden, dann schwingt bei Gesprächen auch die Zukunft des Handels mit. Die Hersteller mechanischer Luxusuhren tun sich nach wie vor schwer mit dem E-Commerce und machen lediglich zarte Fortschritte. Die Handelsplattform Chrono24 aus Karlsruhe ist da bereits weiter, indem sie Händler und Kunden zusammenführt. Nicht immer zum Gefallen aller Hersteller – das soll sich jedoch ändern, erzählt Gründer und CEO Tim Stracke.

Herr Stracke, Anfang des Jahres kündigte die deutsche Uhrenmarke Nomos an, künftig über Ihre Plattform gebrauchte Uhren zu verkaufen. Das störte viele klassische Juweliere. Nun hat die Marke einen Rückzieher gemacht und die Verbindung mit Chrono24 wieder beendet. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Wir haben gerne mit Nomos zusammengearbeitet und finden es auch schade, dass sie uns verlassen. Uns hat die Zusammenarbeit viel Freude bereitet.

Warum? 
Es werden ja auch weiterhin Nomos-Uhren bei uns verkauft. Auf unserem globalen Marktplatz gibt es ein großes Angebot von Nomos-Uhren von Privatleuten oder Händlern. Nomos geht jetzt wieder zurück zum Juwelier Wempe, weil auch der künftig E-Commerce betreiben will.

Beunruhigt Sie das?
Nein, denn es belegt, dass E-Commerce langfristig in der Uhrenbranche eine große Zukunft haben wird. Und das ist für uns die entscheidende Nachricht. Wir arbeiten bereits seit Längerem mit verschiedenen Marken zusammen und es werden weitere dazukommen.

Wie wichtig ist für die Plattform Chrono24 die Zusammenarbeit mit Marken?
Sie ist für das Image unseres Unternehmens natürlich spannend. Wir glauben, dass wir mit Kooperationen mit Marken einen Blick in die Zukunft werfen können, wie E-Commerce für Luxusuhren in Zukunft aussehen kann und langfristig funktionieren wird. Kurzfristig betrachtet finden Kunden auf Chrono24 derzeit rund 430.000 Angebote aus mehr als 100 Ländern. Da spielen die Angebote, die direkt von Herstellern dazukommen, in der Zahl keine große Rolle. Aber es ist für die Nutzer ein guter Kanal, direkten Zugang zum Hersteller zu bekommen, weil er so eine Beziehung zur Marke aufbauen kann.

Der E-Commerce ist für Marken inzwischen so interessant, dass Marken wie Audemars Piguet nicht nur für neue Uhren ihr Vertriebsnetz umkrempeln, sondern auch selber gebrauchte Uhren der Marke anbieten wollen. Das ist ein Vorstoß, dem sicher andere Unternehmen folgen werden. Was bedeutet das für unabhängige Portale wie Chrono24?
Wir finden das spannend, dass so ein Umbruch in der Branche zu beobachten ist. Für uns eröffnen sich neue Möglichkeiten für Kooperationen. Wir sind mit vielen Marken im engen Dialog. Das wäre sicher nicht passiert, wenn die Uhrenindustrie vor ein paar Jahren entschieden hätte, so weiter zu machen wie bisher. Wir sehen die Uhrenhersteller als Partner und nicht jemanden, mit dem man sich den Markt teilen muss. Er ist riesig und wächst rasant – wir schätzen den jährlichen Markt mit „pre-loved“, also gebrauchten, Uhren auf circa 15 Milliarden Euro.

Portale für gebrauchte Luxusuhren haben einen Ruf als Graumarkt-Portal, auf dem Händler versuchen, ihre Ware zu verkaufen, die sie nicht über den klassischen Handel loswerden. Dafür mussten Handelsplattformen reichlich Kritik einstecken. Ist die verstummt? 
Ich glaube, dass die Marken sehr genau erkannt haben, dass das Graumarkt-Problem keines von Chrono24 ist, sondern wir nur der Spiegel dieses Marktes sind. Wir entscheiden nicht, ob zu viel Uhren in den Markt gegeben werden oder nicht. Das entscheiden die Marken. Wenn sie Juwelieren nahelegen, bestimmte Modelle abzunehmen, um andere zu bekommen, dann tauchen diese Uhren im Markt auf. Wir begrüßen es aber sehr, dass viele Marken sehr konsequent sind und den Graumarkt einschränken wollen, weil so die Nachfrage steigt. Man sieht sehr deutlich, dass die drei großen Marken, die das am besten beherrschen – Rolex, Patek Philippe und Audemars Piguet – genau die Marken mit der besten historischen Preisentwicklung sind. Das spricht Bände. Kunden wollen nicht die Uhren kaufen, die man günstig hinterhergeworfen bekommt, Kunden wollen die Uhren kaufen, die man nicht so leicht bekommt. Gerade die großen familiengeführten Marken haben auch bei Chrono24 eine große Nachfrage und der Graumarkt sieht bei diesen Marken nun so aus, dass Sie für eine Uhr substantiell höhere Preise auf den Marktplätzen bezahlen müssen als sie im Geschäft kosten würden.

Eine Uhr im Internet zu bestellen, ist nicht zuletzt wegen der Werte ein etwas anspruchsvollerer Vorgang für beide Seiten als etwa der Kauf einer Jeans. Was sind die wichtigsten Hürden, die der E-Commerce überwinden muss, um hochwertige Produkte in Preisregionen von mehreren tausend Euro erfolgreich an den Kunden zu bringen? 
Bei einem Produkt wie einer Uhr spielt das Vertrauen noch einmal eine ganz andere Rolle als bei günstigeren Gütern, was wir natürlich mit unserem Service genau adressieren. Ansonsten gelten die gleichen Regeln, die sowohl Händler und Kunden in der Vergangenheit über die Regeln des Shoppings im Internet über die vergangenen Jahre gelernt haben. Wir sind sehr froh darüber, dass unsere Rücksenderaten im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen. Das hat mit den Rücksenderaten im Fashion-Bereich nichts zu tun.

Wer braucht hier eigentlich mehr Vertrauen – der Kunde in den Händler, dass die Ware korrekt ist oder der Händler in den Kunden, dass er die Uhr nicht nur für zwei Tage trägt und dann wieder zurückschickt?
Wir sind als Vermittler zwischen Händler und Kunde tätig. Wir bieten deswegen einen kostenlosen Treuhandservice an: der Kaufbetrag des Kunden wird erst dann an den Händler von uns überwiesen, wenn der Kunde die Uhr in einwandfreiem Zustand erhalten hat. Bei Problemen vermittelt unser Customer Service in 15 Sprachen die seltene Rückabwicklung – der Händler erhält seine Uhr zurück, der Kunde sein Geld.

Der entscheidende Unterschied für Kunden im E-Commerce ist, dass sie die Uhr nicht anprobieren können im Gegensatz zum stationären Handel. Wie können E-Commerce-Unternehmen das kompensieren?
Ein ganz großes Thema ist ja neben dem optischen und haptischen Eindruck die Geschichte hinter der Uhr. Warum kaufe ich mir eine Omega Speedmaster? Ich kaufe mir eine Geschichte über ein feinmechanisches Handwerkstück, das in einer Form mal auf dem Mond war und eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen, die das mögen. Das sind tolle Geschichten und Emotionen. Und wir glauben, dass das im Internet besser transportiert werden kann als im Geschäft. Wir können Filme und Bilder zeigen, wie die Uhr auf dem Mond war oder wie die Apollo Crews die Uhr genutzt haben, das löst Emotionen aus. Ich gebe ja nicht so viel Geld für eine Uhr aus, weil ich eine sehr genaue Uhrzeit haben möchte, sondern weil mich die Uhr emotional berührt.

E-Commerce ist zunehmend ein mobiles Thema. Gilt das das auch für hochpreisige mechanische Uhren?
Je nachdem, was sie dazu zählen, liegt die mobile Nutzung bei uns bei 70 Prozent, dazu zählen dann aber auch Tablets. Wenn es um den Bestellprozess geht, dann gibt es viele Menschen, die sich doch noch mal an den Schreibtisch setzen, dort ist der Anteil niedriger.

Viele erfolgreiche Onlinehändler setzen vermeintlich paradoxerweise auf eine stationäre Präsenz. Ist das ein Szenario für Chrono24?
Wir denken immer über vieles nach, aber aktuell sehen wir noch viel Potenzial im Internet – hier haben wir unsere Expertise und noch sehr viele Ideen.

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