
Wenn Jacob Kirkegaard mal so richtig besorgt ist, dann merken die Besucher das nicht sofort. Der schlaksige Däne mit der jungenhaften Strubbelfrisur kann seine Empörung meist gut hinter einem Lächeln verbergen. Doch als er an diesem regnerischen Wintertag in Washington, D.C. empfängt, in der zweiten Etage eines dieser langweiligen, modernen Glas-und-Stahl-Bürohäuser, da ist ihm nicht zum Lachen zumute.
Kirkegaard ist empört, verunsichert – auch tief besorgt. Seit fünfzehn Jahren lebt er in der US-Hauptstadt, um die Handelsbeziehungen auf der Welt zu studieren. Bisher war es dabei ja immer so: die US-Präsidenten, gleich welchen Lagers, hielten es in Sachen Handel mit Kurt Tucholsky: Was die Wirtschaft angeht, so ist sie verflochten. Und das fanden eigentlich auch immer alle mehr oder weniger in Ordnung so.
Nun aber ist Trump der neue Chef im Weißen Haus. Und Kirkegaard befürchtet schlimmes: "Uns war doch allen eigentlich bislang klar, wie es läuft: Globalisierung kostet Jobs in den Industrieländern. Dafür aber sinken dort die Preise.
Deshalb lohnt es sich am Ende für alle." Die US-Regierungen der letzten Jahrzehnte hätten es allerdings – anders als viele europäische Länder - konsequent versäumt, die Vorteile der Globalisierung vom oberen Ende der Gesellschaft ans untere zu verteilen. Deshalb sei dort eine handels- und globalisierungskritische Masse entstanden. Eben jene Wählerschaft, die Donald Trump und seine "America First" Ideen ins Weiße Haus gebracht hätten.
Diese Leute, glaubt Kirkegaard, wollten nun Resultate sehen: Eine Neuverhandlung oder Abschaffung der Freihandelsabkommen Nafta und TPP, den angekündigten 35-Prozent-Einfuhrzoll für Firmen, die außerhalb der USA mehr produzieren als in den Staaten. Oder seine 20 Prozent „border adjustment tax“, ein Kernbestandteil der angekündigten Unternehmenssteuerreform, mit der Trump Unternehmen angeht, die es wagen, etwa Produktionsstätten in Mexiko zu bauen. Sollte all das kommen, glaubt Kirkegaard, sei ein Handelskrieg mit China und Europa „nicht unwahrscheinlich.“
Die Konsequenzen wären gewaltig. Allein die Dimensionen des deutschen Engagements in den Vereinigten Staaten verdeutlichen das: knapp zehn Prozent unserer Exporte gehen jedes Jahr in die USA. Amerika ist der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik, Waren im Wert von 173 Milliarden Euro wurden 2015 zwischen beiden Ländern ausgetauscht – vor allem aus dem Maschinenbau und der Autoindustrie. Bei Daimler, VW und BMW gehen 200.000 der zwei Millionen Jobs auf Ausfuhren in die USA zurück.
Die scheinen mit Trumps Politik in Gefahr. „Unter Präsident Trump droht uns ein Handels- und Wirtschaftskrieg mit Amerika“, gab DIW-Chef Marcel Fratzscher neulich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu Protokoll. Dennis Snower, Präses des Kieler Instituts für Weltwirtschaft sieht durch Trump gar die „liberale Weltordnung in Frage gestellt“. Und Ifo-Kollege Clemens Fuest warnt: eine Million Arbeitsplätze in der deutschen Exportindustrie und 600.000 Jobs von US-Firmen in Deutschland seien gefährdet. Um elf Milliarden Euro, so hat es sein Institut neulich für die ARD berechnet, würde die deutsche Wirtschaftsleistung abnehmen – und das nur aufgrund von Trumps angekündigten Schutzzöllen.
Wissenswertes zum internationalen Handel
Die Frage, ob Handel gut oder schlecht ist, gilt in der Volkswirtschaftslehre längst als geklärt. Eine weit überwiegende Mehrheit von Ökonomen vertritt die Meinung, dass internationale Arbeitsteilung nützlich ist und den Wohlstand steigert. Indes unter einer wichtigen Voraussetzung: Die Regeln müssen fair sein, damit das Kräfteverhältnis zwischen den Handelspartnern nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden - nachfolgend eine Übersicht.
Einfache Handelsverträge etwa zwischen zwei Ländern sind die unkomplizierteste Form von Handelsabkommen. Im Gegensatz etwa zu multilateralen Vereinbarungen sind nur zwei Parteien an den Verhandlungen beteiligt, was eine Einigung deutlich vereinfacht. Zudem geht es bei solchen Verträgen meistens nur um Handelsströme, insbesondere die Höhe von Zöllen. Andere Fragen wie Umweltstandards werden meist ausgeklammert. Das führt jedoch zum größten Nachteil solcher Abkommen: Von ihnen kann nicht erwartet werden, dass sie zwei Wirtschaftsräume umfassend miteinander verbinden, weil viele Fragen ungeklärt bleiben.
Wollen zwei oder mehr Länder über den Tausch von Waren und Dienstleistungen hinausgehen und ihre wirtschaftlichen Beziehungen umfassend regeln, werden die benötigten Abkommen umfangreicher und komplexer. Beispiele sind das zwischen der EU und den USA angedachte TTIP, das asiatisch-pazifische Abkommen TPP oder das asiatische Freihandelsprojekt RCEP. Derartige Abkommen regeln nicht nur Handelsfragen oder Zölle. Vielmehr geht es auch um Fragen des Verbraucherschutzes, der Umweltverträglichkeit von Waren und Diensten, den Schutz von Unternehmensinvestitionen oder die Angleichung von Produktstandards. Die Länder versprechen sich davon einen noch reibungsloseren Handel und mehr Wohlstand.
Eine Steigerung zu TTIP & Co. sind feste Verbünde aus mehreren souveränen Staaten. Als Paradebeispiel gilt die Europäische Union (EU), die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine - wenn auch unvollendete - politische Union ist. Die Beziehungen der Länder sind über den EU-Vertrag geregelt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU verfügt über weitgehende Bewegungsfreiheit von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitnehmern und Kapital. Auch sind viele rechtliche Fragen stark angeglichen, was Kritikern mitunter zu weit geht. Großbritannien bemängelte die Vereinheitlichung schon lange, beschloss den Austritt aber vor allem wegen des Zustroms ausländischer Arbeitskräfte. Wie kompliziert ein Abschied aus einem Wirtschaftsverbund ist, wird der Brexit zeigen.
Die WTO ist quasi eine Dachorganisation für den Welthandel. Ihr gehören 164 Mitgliedsländer an, darunter die Staaten der Europäischen Union, die USA und China. Die WTO als Handelsverbund zu bezeichnen, ginge viel zu weit. Vielmehr soll die Organisation die allgemeinen Regeln für den Handel überwachen und weiterentwickeln. Der Einfluss der WTO auf ihre Mitglieder ist indes begrenzt und basiert vor allem auf Kooperation. Eigene Sanktionsmittel im Falle des Regelbruchs hat die WTO im Grunde nicht.
Mit der Globalisierung galt der Protektionismus eigentlich als überwunden. Er ist das Gegenteil von Freihandel, weil dabei versucht wird, sich nach außen abzuschotten. Dazu dienen hohe Einfuhrzölle und -verbote, verbunden mit der Subventionierung eigener Exporte. Protektionismus kennt nach ökonomischer Lehre keine Gewinner, weil meist Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden. Ergebnis ist ein kleineres und teureres Güterangebot, das den Wohlstand verringert. Dennoch will US-Präsident Donald Trump der amerikanischen Industrie zu neuem Glanz verhelfen, indem er sie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Kritiker wenden ein, dass nicht nur die Globalisierung, sondern auch die fortschreitende Technisierung für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich sei.
Vor allem zwei Entwicklungen machen den Forschern Sorgen: Zum einen die unglaublichen Befugnisse des US-Präsidenten beim Thema Handel, wo er so gut wie alles mit sogenannten „Executive Orders“ auf den Kopf stellen kann. Zum anderen seine lange angekündigte Unternehmenssteuerreform, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine „border adjustment tax“ beinhalten wird – also einen Steueraufschlag für in die USA importiere Produkte. Von ihr wären vor allem deutsche Konzerne betroffen und befürchten Nachteile gegenüber der US-Konkurrenz.