Analyse Die Gesetzesentwürfe zur Digitalsteuer werden im Papierkorb landen

Die EU will Google und Co. mit einer Digitalsteuer zur Kasse bitten. Der Plan bringt nichts außer Ärger – sowohl in Europa als auch mit den USA.

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Das Unternehmen erzielt in Europa Umsätze in Milliardenhöhe, doch der europäische Fiskus geht leer aus. Quelle: AP

Brüssel Dass sich die Europäische Union vorab bei den Amerikanern für ein Gesetzesvorhaben rechtfertigt, kommt zum Glück nicht oft vor. Doch vergangene Woche sah sich die EU-Kommission dazu genötigt. Er wolle Missverständnissen vorbeugen, schrieb EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici an den amerikanischen Finanzminister Steven Mnuchin.

Es treffe überhaupt nicht zu, dass die EU gezielt bei amerikanischen Tech-Unternehmen abkassieren wolle. Die Europäer wollten lediglich eine „faire Besteuerung“ digitaler Unternehmen sicherstellen.

Ob der Brief etwas gebracht hat, ist stark zu bezweifeln. Das Gesetzesvorhaben, das der Kommissar heute auf den Tisch legte, ärgert die Amerikaner nach wie vor gewaltig. Die EU will eine Steuer auf digitale Umsätze jener globalen Internet-Giganten erheben, die ihre Geschäfte mit der Verwertung von Kundendaten machen.

Niemand wird bestreiten, dass es sich dabei ganz überwiegend um amerikanische Unternehmen handelt: Google und Facebook, Amazon und Uber. Man fragt sich, ob Moscovici den US-Finanzminister für dumm verkaufen wollte.

Dass die US-Internetgiganten in Europa steuerlich gut weg kommen, lässt sich im Prinzip nicht bestreiten. Google und Facebook haben in der EU fast eine Monopolstellung erreicht. Mit den europäischen Kundendaten erzielen sie Umsätze in Milliardenhöhe, doch der europäische Fiskus geht leer aus. Weil die US-Konzerne in Europa keine Betriebsstätten haben, können die Finanzämter nicht auf ihre Gewinne zugreifen.

Der Zustand ist höchst unbefriedigend. Die von der EU nun vorgeschlagene Lösung wird daran aber nichts ändern. Bereits jetzt lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die beiden EU-Gesetzentwürfe zur Digitalsteuer erst auf der langen Bank und dann im Papierkorb landen werden. Denn nur zehn EU-Staaten sind dafür. Den notwendigen einstimmigen Beschluss aller – demnächst noch 27 -  Mitgliedstaaten wird die EU niemals erreichen.

Irland oder Luxemburg werden niemals zustimmen. Sie wollen ihre großen digitalen Steuerzahler – Apple in Irland, Amazon in Luxemburg, nicht mit den europäischen Partnern teilen. Die EU-Digitalsteuer diene bloß dazu, Steuereinnahmen von kleinen in große EU-Staaten zu verlagern, heißt es in Irland.

Der Vorwurf richtet sich vor allem gegen Frankreich. Staatspräsident Emmanuel Macron ist die treibende Kraft hinter der Digitalsteuer. Er sorgte dafür, dass die EU-Kommission die Gesetzentwürfe dazu diese Woche vorgelegt hat und dass die EU-Regierungschefs bei ihrem Gipfel am Freitag darüber sprechen.

Auch Deutschland ist von der EU-Digitalsteuer nicht begeistert – zumal der Zeitpunkt denkbar ungünstig gewählt ist. An diesem Freitag sollen die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium-Importe in Kraft treten. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ringen heftig darum, dass die EU in letzter Minute doch noch von den Strafzöllen ausgenommen wird.

Beide reisten deshalb nach Washington. Genau zum selben Zeitpunkt provoziert die EU die Amerikaner mit ihrer Digitalsteuer. Das Timing halten selbst in der EU-Kommission viele für unglücklich – und geben dem französischen Präsidenten die Schuld dafür.

Die EU verärgert nicht nur die Amerikaner, sondern auch ihre eigene Wirtschaft. Die Digitalsteuer können unerwünschte „Nebenwirkungen“ auf die eigenen Unternehmen haben, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Bei der Digitalisierung befindet sich Europa im Vergleich zu den USA deutlich im Rückstand. Deshalb predigen die Politiker unablässig, dass die EU auf diesem Gebiet aufholen müsse. Ob ausgerechnet eine Digitalsteuer dabei hilft, ist doch sehr zu bezweifeln.

So kommt der Verdacht auf, dass das Vorhaben vor allem dazu dient, antiamerikanische Ressentiments und Globalisierungskritiker zu bedienen –und zwar vor allem in Frankreich. Wirklich lösen kann die EU die durch die Digitalisierung entstehenden Lücken bei der Besteuerung nur, indem sie bei der OECD Druck macht, damit die großen Länder global gemeinsam vorgehen.

Das dauert zugegebenermaßen lange. Doch europäische Alleingänge mit unausgegorenen Steuergesetzen, deren Rechtsgrundlage obendrein zweifelhaft ist, führen zu nichts außer Ärger.

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