Andrej Babis Tschechischer Trump steht vor dem Wahlsieg

Andrej Babis dürfte mit seiner Partei ANO trotz eines Finanzskandals aus der Wahl in Tschechien als stärkste politische Kraft hervorgehen. Doch eine Regierungsbildung könnte für den Multimilliardär schwierig werden.

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Der Chef der liberal-populistischen ANO hat die Partei erst 2012 gegründet. Quelle: Reuters

Prag Das große Finale des tschechischen Wahlkampfs am Donnerstagabend wäre um ein Haar ausgefallen. Die kleine Piraten-Partei versuchte mit einer einstweiligen Verfügung das Fernsehduell von Andrej Babis, Chef der populistischen Partei „Aktion unzufriedener Bürger“ (ANO), mit Außenminister Lubomir Zaoralek, dem Spitzenkandidaten der sozialdemokratischen CSSD, zu verhindern. Doch am Donnerstagvormittag lehnte ein Gericht in Prag das Ansinnen ab.

Der Schlagabtausch auf dem Gelände des berühmten Prager Filmstudios Barrandov ist der Höhepunkt einer eher müden Propagandashow der Parteien. Denn die Tschechen zeigen der Politik zunehmend den Rücken. Schließlich läuft die Wirtschaft des Landes. „Die Wirtschaft in Tschechien brummt, und das auch zu einem Gutteil unabhängig von der Politik“, sagt Bernd Bauer, Geschäftsführer der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer in Prag. Tschechien besitzt mittlerweile die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU. Ohnehin ist der Unmut über die politische Kaste traditionell groß. Das drückt sich in der niedrigen Wahlbeteiligung aus.

Die Tschechen wählen am heutigen Freitag und Samstag ein neues Parlament. Nach einer letzten Umfrage liegt Babis mit seiner erst 2012 gegründeten liberal-populistischen Partei ANO bei 25 Prozent. Dabei hat die Partei im ganzen Land nicht einmal 3000 Mitglieder. Die sozialdemokratische CSSD, die mit dem nüchtern wirkenden Premier Bohuslav Sobotka bislang den Regierungschef stellte, kommt hingegen nur noch auf 12,5 Prozent. Sobotka, der seit 2013 die Koalition der CSSD mit der christdemokratischen KDU-CSL und ANO anführte, steht nicht mehr als Regierungschef zur Verfügung. Im Wahlkampf versuchte der sozialdemokratische Spitzenkandidat Zaoralek mit der Forderung nach höheren Löhnen bei den Tschechen zu punkten.

Doch alles deutet auf einen Wahlsieg des 63-jährigen Populisten Babis hin. „Babis redet in einer einfachen Sprache. In seiner Art ist er unkonventionell und das kommt bei den Bürgern an“, sagte der deutsche Wirtschaftsvertreter Bauer in Prag. „Er versteht die Sorgen der Unternehmer. Schließlich ist er einer von ihnen.“ Den Staat will er am liebsten wie ein Unternehmen führen – auch wenn dies in einer parlamentarische Demokratie gar nicht geht. Auch deshalb ist Babis sehr umstritten.

Zudem haben ein Skandal um einen angeblichen Subventionsbetrug in Zusammenhang mit einer Wellnessanlage in der Nähe von Prag namens Storchennest („Capi hnizdo“) das Ansehen des früheren Finanzministers und Vize-Premiers beschädigt. Der frühere Kommunist soll zwei Millionen Euro an EU-Subvention illegal erhalten haben. Im Mai verlor Babis das Amt des Finanzministers wegen zweifelhafter Steuerpraktiken. Später hat das Parlament die Immunität des Milliardärs aufgehoben. „Nach der Aufhebung der Immunität hat er sich als Opfer stilisiert“, sagt Anne Seyfferth, Chefin der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Prag. Doch das Problem der fehlenden Immunität kann sich für Babis am Wochenende von ganz allein erledigen. Denn nach der Wahl wird er als gewählter Abgeordneter wieder die Immunität erhalten. Die Ermittlungen gehen allerdings weiter. Dennoch hat das Thema Korruption – im Gegensatz zu den Wahlen 2013 – keine zentrale Rolle mehr im tschechischen Wahlkampf gespielt.

Von seinen Kritikern wird Babis gerne mit US-Präsident Donald Trump verglichen. „Babis ist ein Trump-Typ. Wie dieser hat er sich zum Milliardär emporgearbeitet. Das politische Programm ist er selbst. In seinem Auftritt allerdings unterscheidet sich Babis von Trump und wirkt trotz seines Reichtums eher asketisch“, sagt die politische Analystin Seyfferth. Der Multimilliardär hat über seine Medienbeteiligung großen Einfluss auf die Meinungsbildung in Tschechien. Er besitzt die auflagenstarken Blätter „MF Dnes“ und „Lidove noviny“. „Babis setzt die in seinem Besitz befindlichen  Medien geschickt ein. Sie berichten besonders gerne über seine Erfolge“, berichtet Seyfferth.

Babis, der fließend Englisch, Französisch und Deutsch spricht, gilt als Freund Deutschlands. Mit seiner Holding Agrofert erzielt der Sohn eines hochrangigen Kommunisten in der Bundesrepublik einen Großteil seines Umsatzes. Mit dem von ihm bewunderten Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) pflegt er gute Beziehungen, ähnlich wie zum bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer.


An den EU-Geldtöpfen interessiert

Im Wahlkampf hat sich Babis allerdings gegen den Euro ausgesprochen – zumindest in den nächsten vier Jahren. Die EU sieht der gebürtige Slowake ohnehin nutzenorientiert: „Er betrachtet die EU sehr pragmatisch und sieht sie vor allem als Geldquelle“, resümiert Anne Seyfferth. Mit welchen Überraschungen Babis nach seinen Wahlsieg aufwartet, ist noch offen. „Im Wahlkampf hat er sich programmatisch nicht klar positioniert“, sagt ein Diplomat in Prag, der ungenannt bleiben möchte.

Der liberale Politiker mit „ausgeprägtem Instinkt für das Populäre“ will Tschechien offenbar von Grund auf verändern. Zu seinen Vorschlägen zählten die Abschaffung des Senats und die Verkleinerung des Parlaments. Geschickt hat er sich als Gegner der bisherigen politischen Kultur in Tschechien inszeniert.

Doch es gibt auch Übereinstimmungen mit dem Programm der anderen Parteien. Beispielsweise gibt es einen Konsens zwischen ANO und den anderen Parteien wie der sozialdemokratischen CSSD in der Abschottungspolitik gegenüber Migranten: „Wie fast alle Parteien betreibt Babis eine Anti-Migrations-Politik. Der Stimmenverlust für Kanzlerin Angela Merkel und der Wahlsieg von Sebastian Kurz in Österreich haben ihn in seiner Haltung bestärkt“, sagt Handelskammer-Geschäftsführer Bauer. Im gesamten Parteienspektrum wird die EU-Flüchtlingsquote – ähnlich wie in den Nachbarländern Polen und der Slowakei – rundweg abgelehnt.

Doch der Wirtschaftsboom mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von zuletzt 4,7 Prozent macht eine gesteuerte Einwanderung immer notwendiger. Denn der Arbeitsmarkt ist in dem fast elf Millionen Einwohner zählenden EU-Land, insbesondere in Großstädten wie Prag, Brünn oder Pilsen, leergefegt. Die Arbeitslosenquote liegt bei drei Prozent.

Das spüren auch die deutschen Unternehmen, die wegen der niedrigen Löhne und der geografischen Lage gerne in Tschechien investieren und händeringend nach Mitarbeitern suchen. „Tschechien braucht eine qualifizierte Zuwanderung. Die Unternehmen brauchen in den nächsten Jahren dringend 200.000 Arbeitskräfte“, berichtet Handelskammer-Chef Bauer in Prag. Deutschland ist der größte ausländische Investor in dem EU-Land. Bislang kommen die Gastarbeiter vorwiegend aus dem osteuropäischen Armenhaus Ukraine und dem Nachbarland Slowakei. „Unsere Firmen wollen Ukrainer und Slowaken, aber nicht die Migranten, die uns Europa aufnötigt“, sagt Babis.

Verlässliche Wahlergebnisse in Tschechien werden für Samstagabend erwartet. Diplomaten und Experten gehen allerdings von einer schwierigen Regierungsbildung in Prag aus. „Möglicherweise steht uns eine Zeit mit langwierigen Sondierungsgesprächen bevor“, sagt Wirtschaftsvertreter Bauer. Denn das Parteiensystem hat sich in den vergangenen Jahren weiter zersplittert. Diplomaten in Prag fürchten bereits eine Kooperation von Babis‘ ANO mit den Kommunisten oder der ausländerfeindlichen Partei „Freiheit und direkte Demokratie (SPD). Babis wird auf alle Fälle mehrere Parteien für ein Bündnis gewinnen müssen. Das ist keine leichte Aufgabe für jemanden, der gerne polarisiert.

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