US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag den Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran verkündet. Die europäischen Mitglieder des Vertrags hatten bis zuletzt versucht, den Erhalt des Abkommens zu bewirken und weitere Zugeständnisse an Trump gemacht, jedoch wie befürchtet ohne Erfolg. Die Börsen reagierten schon vor der Entscheidung unruhig, auch für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen des Irans bedeutet Trumps Politik-Stil eine massive Verunsicherung.
Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) will dabei ihre Bemühungen fortsetzen, den Ölmarkt stabil zu halten. Man sei zuversichtlich, den seit Jahren verfolgten Kurs beibehalten zu können. Unternehmen, die mit dem Iran weiterhin Geschäfte machen, drohen in spätestens sechs Monaten Sanktionen durch die USA. Auch deutsche Unternehmen setzten laut DIHK 2017 im Iran Waren im Wert von drei Milliarden Euro ab. Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Dieter Kempf, zeigte sich enttäuscht: „Unsere Unternehmen haben sich große Hoffnungen auf die Marktöffnung durch Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gemacht. Diese Aussichten sind nun eindeutig getrübt.“
Erste Turbulenzen waren schon vor dem Ende des Abkommens zu spüren: Anleger im Iran deckten sich stärker als sonst mit Dollar ein, weil sie eine Belastung für die iranische Wirtschaft fürchten. Ein Dollar kostete im freien Handel zuletzt 65.000 iranische Rial. Ende April mussten Investoren noch nur 57.500 Rial auf den Tisch legen.
Trump sagte bei der Pressekonferenz des Weißen Hauses, dass der Iran mit seinem Atomprogramm nach wie vor die atomare Bewaffnung anstrebe und dadurch die internationale Gemeinschaft bedrohe. Er bezog sich dabei auf die in der Vorwoche von der israelischen Regierung veröffentlichten Dokumente zum iranischen Atomprogramm. Daher müssten die Sanktionen wieder in Kraft treten.
Die Atom-Vereinbarung war 2015 von den USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, China und Deutschland mit dem Iran geschlossen worden. Sie beendete die meisten amerikanischen und internationalen Sanktionen gegen den Iran. Dafür willigte der Iran ein, dass sein Atomprogramm beschränkt wurde und er dadurch keine Atomwaffen herstellen konnte. Zudem musste er strenge Inspektionen hinnehmen. Das Scheitern des Abkommens könnte es es dem Iran erleichtern, verbotene Aktivitäten zur Urananreicherung wiederaufzunehmen. Auch die Gefahr einer atomaren Aufrüstungsspirale im Nahen Osten sprach Trump an, weswegen die USA bereit seien, über einen neuen Deal zu verhandeln.
Die Kernpunkte des Atomabkommens mit dem Iran
Nach jahrelangem Ringen einigten sich die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran am 14. Juli 2015 in Wien auf ein Abkommen, das Teheran vom Aufbau einer Atomstreitmacht abbringen sollte. Dabei wurde eine kontrollierte Reduzierung der iranischen Uranbestände gegen eine Lockerung westlicher Sanktionen vereinbart.
Die Unterzeichner vermieden bei der Vereinbarung den Begriff Vertrag. Ein internationaler Vertrag hätte nach US-Recht mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit vom US-Senat ratifiziert werden müssen. Das wollte der damalige US-Präsident Barack Obama umgehen, weil er eine Abstimmungsniederlage befürchtete.
Der Iran unterwirft seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde.
In den ersten zehn Jahren müssen mehr als zwei Drittel der bestehenden Kapazitäten zur Urananreicherung stillgelegt werden. Die Zahl installierter Zentrifugen soll von 19 000 auf rund 6000 sinken. Uran darf nur noch auf 3,67 Prozent angereichert werden - dieser Anreicherungsgrad reicht für die Nutzung in Kraftwerken aus. Für eine Atombombe wäre auf 90 Prozent angereichertes Uran nötig.
Die Menge von bereits angereichertem Uran wird für 15 Jahre von mehr als 10 000 auf 300 Kilogramm reduziert. Iran hatte einen Anreicherungsgrad von bis zu 20 Prozent erreicht.
Die Urananreicherung soll in der bestehenden Anlage Natans stattfinden. Der Schwerwasserreaktor Arak soll so umgebaut werden, dass er kein atomwaffentaugliches Plutonium produzieren kann. Die Anreicherungsanlage Fordo wird ein Atom-Forschungszentrum.
Das UN-Verbot zur Ein- und Ausfuhr von Waffen wird um fünf Jahre verlängert. Auch Lieferungen, die dem Raketenprogramm des Irans dienen könnten, bleiben für acht Jahre verboten.
Im Gegenzug hebt der Westen Wirtschaftssanktionen auf. Sollte der Iran gegen die vereinbarten Regeln verstoßen, können die Strafmaßnahmen aber umgehend wieder in Kraft treten.
2002: Erste Hinweise tauchen auf, dass der Iran unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms auch geheim an Atomwaffen arbeitet. Die Rede ist unter anderem vom Bau einer unterirdischen Uran-Anreicherungsanlage in Natans.
2003/2004: Für größte Bedenken sorgen neue Erkenntnisse, dass Teheran schon seit den 1980er Jahren nicht-deklariertes Uran für Tests und Experimente verwendet hat.
2003-2008: Der Iran räumt ein, dass er in früheren Jahren Kontakt zu einem geheimen Netzwerk mit besten Kenntnissen atomarer Technologie hatte. Nach erfolglosen Verhandlungen werden Ende 2006 Sanktionen gegen den Iran verhängt. 2008 weist das Land den Verdacht zurück, es arbeite am Bau einer Atomwaffe.
2007-2010: Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA klagt über mangelnde Kooperationsbereitschaft. Der Iran hatte unter anderem nicht über den Bau des Forschungsreaktors Fordo informiert.
2013: Der neue Präsident Hassan Ruhani will ein Ende der Wirtschaftssanktionen und geht auf Forderungen der internationalen Gemeinschaft ein, das Atomprogramm drastisch zu reduzieren.
14. Juli 2015: In Wien wird das Atomabkommen mit Teheran abgeschlossen. Der Iran muss sein Atomprogramm nun drastisch begrenzen. Im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen aufgehoben.
2016-2018: Der zukünftige und später amtierende US-Präsident Donald Trump macht immer wieder deutlich, dass er das Abkommen aufkündigen will. Die IAEA bestätigt derweil regelmäßig, dass der Iran die Bedingungen einhält.
12. Januar 2018: Trump setzt die Atomsanktionen gegen den Iran für weitere 120 Tage aus, fordert für die Zeit nach dem 12. Mai aber eine Anschlussregelung. Die EU will am bestehenden Abkommen festhalten.
Trump ist seit langem Gegner der Vereinbarung. Bereits im Oktober hatte er eine Überarbeitung gefordert. Kritiker des Atomabkommens, darunter Israel, die arabischen Golfstaaten und viele US-Republikaner, betrachten es als Geschenk an Teheran, das den Weg für einen künftigen Atomwaffenstaat Iran ebne.
Die europäischen Verbündeten der USA hatten Trump wiederholt gedrängt, die Vereinbarung nicht aufzukündigen. Diese Woche hatte der britische Außenminister Boris Johnson bei einem Besuch in Washington noch einen letzten Versuch unternommen, die USA von einer Beibehaltung der Vereinbarung zu überzeugen. Europäische Spitzenpolitiker hatten erklärt, sie seien offen dafür, mit dem Iran ein Nebenabkommen auszuhandeln, doch der bestehende Rahmen müsse unangetastet bleiben, damit das passiert. Das ist nun hinfällig.
Ranghohe Vertreter Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens hatten sich noch am Dienstag in Brüssel mit dem stellvertretenden iranischen Außenminister für politische Angelegenheiten, Abbas Araghchi. Die Europäer teilten in einer Stellungnahme mit, dass sie bei der Gelegenheit „ihre Unterstützung für die andauernde vollständige und effektive Umsetzung des (Abkommens) durch alle Seiten“ bekräftigt hätten. Ohne die USA dürfte die weitere Umsetzung des Abkommens jedoch zumindest schwierig werden. Der iranische Präsident Hassan Ruhani hatte der Europäischen Union angeboten, das Abkommen auch ohne die USA aufrechtzuerhalten. Voraussetzung sei, dass die EU dem Iran garantiere, weiter von der Vereinbarung – der Aufhebung von Sanktionen – zu profitieren.