Atomprogramm US-Diplomaten stehen vor Herkulesaufgabe im Iran-Streit

Der US-Präsident fordert Nachverhandlungen am Nuklearabkommen mit dem Iran. Doch selbst wenn diese zustande kommen, ist ungewiss, ob er an dem Vertrag festhalten wird.

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Der US-Präsident will die Nachverhandlungen zum Atomabkommen mit dem Iran bis Mitte Mai abschließen. Quelle: Reuters

Washington Die Unterhändler der Regierung von US-Präsident Donald Trump stehen vor einer Herkulesaufgabe: Sie sollen europäische Verbündete für Nachverhandlungen am Atomabkommen mit dem Iran gewinnen. Doch Trump könnte den Deal selbst dann aufkündigen, wenn seine Diplomaten Erfolg haben und die Europäer zustimmen.

Trump hat eine Frist bis Mitte Mai gesetzt, um eine Lösung in drei Punkten zu finden, die ihn an dem bisherigen Abkommen stören: Der Präsident fordert Strafen für einen iranischen Einsatz von ballistischen Raketen, was im Atomvertrag nicht vorgesehen ist. Außerdem will er den Zugang für internationale Atominspekteure ausweiten und Beschränkungen für das iranische Atomprogramm verlängern, die nach aktuellem Stand in einigen Jahren auslaufen würden.

Die US-Verhandler arbeiten dazu zusammen mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien an einem Folgevertrag. Doch über seine groben Linien hinaus hält Trump sich bedeckt. Weder den Europäern noch seinen eigenen Unterhändlern hat er einen klaren Lackmustest an die Hand gegeben, unter welchen Bedingungen er an dem historischen Abkommen von 2015 festhalten würde.

US-Verhandlungsführer Brian Hook, Politikchef im Außenministerium, kündigte an, falls es bis Mai keine Einigung gebe, werde sich Trump sicher aus dem Vertrag zurückziehen. Sofern es zu einer Vereinbarung komme, würden Trumps Berater diese dem Präsidenten vorlegen. „Dann wird er eine Entscheidung treffen, ob er den Deal beibehalten möchte“, sagt Hook.

Das ungewöhnliche Ultimatum bringt die engsten Verbündeten der USA in Europa in eine unbequeme Lage: Sie haben ohnehin nur zögernd in Nachverhandlungen eingewilligt weil eine Beschwichtigung des US-Präsidenten wohl der einzige Weg ist, das von seinem Vorgänger Barack Obama, den übrigen UN-Vetomächten und Deutschland mit dem Iran ausgehandelte Abkommen zu retten. Jetzt müssen die Europäer versuchen vorauszuahnen, was Trump zufriedenstellen könnte, obwohl sie ihm schon seine Forderung einer Nachverhandlung des Deals übelnehmen.

„Die Europäer lehnen sich womöglich weit aus dem Fenster und dann wendet sich der Präsident trotzdem ab“, sagt Heather Conley, Europa-Direktorin der Washingtoner Denkfabrik Center for Strategic and International Studies. „Die Europäer haben es versucht, aber sie wissen nicht, wie er sich am Ende entscheidet.“

Dabei ist es ohnehin alles andere als sicher, ob sich die USA und die Europäer überhaupt einigen werden. In Gesprächen in europäischen Hauptstädten feilschten Hooks Team und die europäischen Vertreter über komplexe Knackpunkte. Unter anderem geht es um die Reichweite iranischer Raketen, deren Einsatz mit Sanktionen belegt werden soll, und darum wie diese Bestrafung ablaufen soll.


Sorge vor iranischen Raketen

Hook sprach mehrfach davon, dass Trump Langstreckenraketen mit die größten Sorgen bereiten. Republikanische Gegner der Abkommens im US-Kongress sowie einige Demokraten und Nachbarstaaten des Irans riefen den US-Präsidenten auf, auch Mittelstreckenraketen einzubeziehen.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen erwägen die Unterhändler derzeit, die iranischen Raketen in zwei Kategorien zu unterteilen: Atomwaffenfähige, interkontinentale Langstreckenraketen, die Europa erreichen können, und Projektile mit geringerer Reichweite, die US-Verbündete und -Freunde wie Israel, Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie amerikanische Militäranlagen treffen könnten.

Für beide Kategorien könnten Sanktionen verhängt werden. Die Strafmaßnahmen für die Langstreckenraketen wären allerdings vermutlich schärfer und würden rascher in Kraft treten, falls der Iran solche Geschosse testet oder weitergibt. Diese Sanktionen könnten sich auch gegen iranische Einrichtungen richten, die im Atomabkommen noch von Strafen ausgenommen waren.

Kritiker des Abkommens fordern jedoch, dass eine solche Regelung auch für Mittelstreckenraketen gelten soll. Beide Formen von Verstößen müssten gleichermaßen drastisch geahndet werden. Sie verlangen zudem, dass alle atomwaffenfähigen Raketen als Teil des verbotenen iranischen Atomprogramms behandelt werden anstatt getrennt davon.

Richard Goldberg, ein Gegner des Iran-Deals und ehemaliger republikanische Berater im Kongress, sagt, es sei schwer vorstellbar, dass Trump mehr Milde walten lassen könnte gegenüber Raketen mit geringerer Reichweite, die „US-Stützpunkte und Verbündete wie Israel auslöschen können“. „Das ist eine Sache, die sein Vorgänger in Verhandlungen getan hätte“, sagte Goldberg mit Blick auf Obama.

Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben grundsätzlich zugestimmt, Teheran für einen Einsatz von Langstreckenraketen zu bestrafen. Doch sie zeigten sich nach Angaben europäischer Diplomaten zugleich offen für das Argument, dass der Iran, der über keine starke Luftwaffe verfügt, Raketen mit kürzerer Reichweite für eine legitime Selbstverteidigung braucht.

Ob die Europäer einen zweigleisigen Ansatz im Umgang mit Raketen akzeptieren werden, war zunächst unklar – ebenso wie die Frage, ob Trump eine solche Klausel unterzeichnen würde.

Doch selbst wenn sich die USA mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland einigen – der Iran und seine verbündeten Abkommenspartner Russland und China würden Änderungen wohl kaum zustimmen. Das ist auch der Grund weshalb die USA als erstes mit den europäischen Staaten verhandelt, die Teheran als wichtige Handels- und Investmentpartner braucht.

Die Idee dahinter: Selbst wenn der Iran sich einem nachverhandelten Deal formal nicht anschließt, wäre eine Vermeidung von Sanktionen für Teheran womöglich Anreiz genug, sich freiwillig an die neuen Vereinbarungen zu halten.

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