Frankreichs Präsident Hollande In den Ruinen der sozialistischen Partei

Frankreichs Präsident François Hollande wollte seine Amtszeit mit der Arbeitsmarktreform krönen. Stattdessen steht er nun vor den Trümmern seiner Partei und zunehmendem Widerstand der Gewerkschaften.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Hollande steht vor den Trümmern der eigenen Partei, in der sich Reformer und Radikale, Linkssozialisten, Sozialdemokraten und Sozialliberale einen Guerillakrieg liefern. Quelle: Reuters

Die Verlierer im Konflikt um die französische Arbeitsmarktreform wollen sich nicht geschlagen geben. Die radikalen Gewerkschaften, vor allem die den Kommunisten nahestehende CGT, rufen zu weiteren Streiks und Blockaden in der kommenden Woche auf. Am Dienstag und Donnerstag soll es zu Arbeitsniederlegungen und Protesten in ganz Frankreich kommen. Die CGT will versuchen, den Transport lahm zu legen.

Die linken Sozialisten bereiten sich auf ein weiteres Misstrauensvotum gegen ihren eigenen Parteifreund, Premier Manuel Valls, vor. Staatspräsident François Hollande wollte seine Amtszeit mit einer wichtigen, im sozialen Dialog vereinbarten Reform krönen, die mehr Jobs schaffen soll.

Stattdessen steht er nun vor den Trümmern der eigenen Partei, in der sich Reformer und radikale, Linkssozialisten, Sozialdemokraten und Sozialliberale einen Guerillakrieg liefern. Der Präsident steht nur noch, weil er zu schwach zum Fallen ist, verhöhnen ihn seine Gegner. Etwas höflicher drückt es Jérôme Sainte-Marie vom Meinungsforschungsinstitut PollingVox aus: „Hollande ist ein Präsident ohne Land, alle Verbindungen zum Volk und zur eigenen Partei sind gekappt.“

Am Donnerstag hatte Valls angesichts der zahlreichen Gegner in den eigenen Reihen das Reformgesetz mit der Brechstange durchgesetzt: Es wurde ohne Abstimmung in der Nationalversammlung angenommen. Das geht, wenn es anschließend kein erfolgreiches Misstrauensvotum gegen den Premier gibt.

Der Artikel 49,3 der Verfassung sieht das vor. Das Verfahren ist ungewöhnlich, aber entspricht den Regeln der französischen Demokratie. Ein Misstrauensantrag der Konservativen scheiterte am Donnerstag. Die linken Sozialisten bekamen nicht genügend Unterschriften für eine eigenen Antrag zusammen.

Valls reagierte in seiner Rede auf die Verschwörung der Parteifreunde gegen. Der Premier ist leicht erregbar, wenn er auf Widerstand stößt, bekommt er schnell einen hochroten Kopf und wird dann schon mal laut. Doch in seiner Ansprache in der Nationalversammlung blieb er ruhig, sagte mit schneidender Kälte: „Ich nehme diesen gescheiterten Anlauf als das, was er darstellt: den Versuch, den eigenen Premier zu stürzen. Aber ich sage euch meine Überzeugung: Ich werde nicht zulassen, dass ihr die Linke an der Regierung, dass ihr die französische Sozialdemokratie zerstört.“

Doch ist fraglich, ob die Zerstörung nicht schon viel zu weit fortgeschritten ist. Christian Paul, der Anführer der Linken bei den Sozialisten, kündigte einen weiteren Anlauf für einen Misstrauensantrag an. Das parlamentarische Verfahren erlaubt das: Das Arbeitsgesetz geht nun zunächst in den Senat, der es verändern kann. Anschließend müssen Senat und Nationalversammlung sich um einen Kompromiss bemühen. Am Ende steht die Schlussabstimmung in der Assemblée, voraussichtlich im Juni. Muss die Regierung wieder zum Artikel 49,3 greifen, kann es weitere Misstrauensanträge geben.

Proteste radikalisieren sich

Am Donnerstag bekamen die Linken nur 56 Unterschriften zusammen, nötig wären 58 gewesen, damit der Antrag abgestimmt wird. Paul und seine Freunde sind zuversichtlich, dass sie im Juni auf diese Zahl kommen. Für Hollande bedeutet das: Seine Partei wird sich in den kommenden Wochen weiter in aller Öffentlichkeit zerreißen.

Gäbe es eine Urwahl des Präsidentschaftskandidaten der Linken wie 2011, bekäme Hollande wohl nicht die Mehrheit. Bessere Chancen hat sein junger Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Auch Valls würde besser abschneiden.

Der Widerstand der Gewerkschaften wird bereits in den kommenden Tagen akut. Während die Zahl der Streikenden und der Demonstranten von Woche zu Woche abgenommen hat, radikalisieren sich die Proteste. In Paris, Nantes und Rennes kam es am Donnerstag zu Straßenschlachten mit der Polizei. Kleine Gruppen gut organisierter Schläger zertrümmern Busstationen und Schaufensterscheiben und greifen die Polizisten an.

Die Gewerkschaften distanzieren sich von diesen „Casseurs“, Randalierern, wollen ihre Aktionen aber selbst verschärfen: Da die Streiks kaum Wirkung zeigen, will die CGT nun verstärkt auf Blockaden der Lkw-Fahrer und der Eisenbahner setzen. Sie hofft, neuralgische Punkte der Logistik treffen zu können und so die mangelnde eigene Anhängerschaft wettmachen zu können.

Dem Arbeitsgesetz werden dagegen von vielen Ökonomen gute Noten ausgestellt. Der Arbeitgeberverband Medef kritisiert es als völlig unzureichend, doch das Wirtschaftsforschungsinstitut CEO Rexecode, das den Arbeitgebern nahesteht, dementiert diese Kritik.

Bis zu 50.000 Jobs könnten geschaffen werden, erwarten die Ökonomen. Als positiv sehen sie vor allem die Möglichkeit von Verhandlungen innerhalb der Unternehmen an, die zu Abweichungen von der 35-Stunden-Woche führen können. Die Klärung der Kriterien für Entlassungen werde dazu führen, dass vermehrt befristete in unbefristete Verträge umgewandelt werden.

Die Gegner auf der Linken wie auf der Rechten schert das wenig. Valls Bemerkung während der Parlamentsdebatte trifft ins Schwarze: „Ihr diffamiert ein Gesetz, dessen Inhalt ihr noch nicht mal kennt!“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%