Handelskrieg Seltene Erden - Chinas mächtige Geheimwaffe

Bisher geht es um Zölle. Doch Peking könnte im Streit mit den USA auf anderen Ebenen Druck machen - etwa mit einem Exportstopp für Seltene Erden oder Zugangsbeschränkungen.

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U.S. Präsident Donald Trump (r) und der chinesische Präsident Xi Jinping bei einem G20 Dinner in Buenos Aires Ende 2018. Die Fronten im aktuellen Handelskrieg sind verhärtet wie nie. Quelle: Reuters

Peking Die Botschaft war klar: Seltene Erden seien „eine wichtige strategische Ressource“, sagte Präsident Xi Jinping bei einem Fabrik-Besuch. Die exotischen Mineralien werden etwa zur Herstellung von Smartphones und Elektroautos benötigt. Und auf die Verarbeitung des Rohstoffs hat China quasi ein Monopol. Auch als „Werkbank der Welt“ verfügt das Land über einen Hebel, der für viele US-Unternehmen schnell gefährlich werden könnte.

Bisher gibt sich Peking im Handelsstreit mit Washington zumindest nach außen hin eher zurückhaltend. Auf Strafzölle von US-Präsident Donald Trump wird zwar stets mit Gegenzöllen reagiert, meist aber in geringerem Umfang. Die von der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zitierten Aussagen zu den Seltenen Erden deuten nun aber darauf hin, dass Xi nach neuen Wegen sucht, um ein Einlenken des Weißen Hauses zu erzwingen.

Die zweite „offene Flanke“ der Amerikaner macht derzeit vor allem Apple zu schaffen. Viele Investoren befürchten, dass die zu großen Teilen nach China verlagerte Herstellung von iPhones und anderen Produkten in den Strudel der Streitigkeiten hineingerissen werden könnte. „Es gibt die verbreitete Sorge, dass Apple eine Zielscheibe auf dem Rücken hat und China sich zum Abfeuern bereit macht“, sagt Daniel Ives vom Finanzdienstleister Wedbush Securities.

Mit den ersten Gegenzöllen nahm China die von der Agrarwirtschaft geprägten US-Staaten ins Visier, deren Bürger bei der Wahl 2016 mehrheitlich für Trump gestimmt hatten. In der folgenden Runde galten die Reaktionen Pekings unter anderem der amerikanischen Industrie. Doch Trump gibt sich bis heute unbeeindruckt. Xi hat noch etliche weitere Optionen in der Hinterhand. Bei den meisten drohen allerdings wirtschaftliche wie politische Kollateralschäden.

Wenn die kommunistische Führung wirklich etwas erreichen wolle, müsse sie Trump dort treffen, wo es wirklich wehtue - mit Druck auf die US-Aktienkurse, sagt Derek Scissors, China-Experte am American Enterprise Institute in Washington. Wie genau das vonstattengehen könne, sei unklar, „aber der Präsident reagiert empfindlich auf anhaltende Marktschwäche“. Und wie sehr gerade Apple für Kursschwankungen anfällig zu sein scheint, dürfte auch in Peking registriert worden sein.

Mit seinen Worten beim Besuch des Unternehmens JL Mag Rare-Earth in der südlichen Provinz Jiangxi am Montag bezog sich Xi den amtlichen Berichten zufolge zwar nicht direkt auf den Handelskrieg. Aber chinesische Nationalisten haben die Marktdominanz bei den Seltenen Erden schon in der Vergangenheit als potenzielle Waffe ins Spiel gebracht. Etwa 30 Prozent der globalen Lagerstätten und fast die gesamte Verarbeitungsindustrie befinden sich in China. Technologie-Konzerne aus aller Welt sind damit stark von Peking abhängig.

Als Japan 2010 im Streit um eine Inselgruppe einen chinesischen Kapitän festnahm, der Schiffe der japanischen Küstenwache gerammt hatte, hieß es aus Branchenkreisen, Peking habe den Export von Seltenen Erden ausgesetzt. China wies die Behauptung zurück. Der Kapitän und seine Crew wurden später ohne Anklage freigelassen. Unabhängig von den wahren Hintergründen wird das Monopol der Chinesen auf den Rohstoff spätestens seit diesem Vorfall als potenzielles Druckmittel erkannt. Klar ist aber auch, dass China mit Ausfuhrbeschränkungen wichtige Abnehmer verprellen würde und bald konkurrierende Verarbeitungsanlagen in den USA oder anderen Ländern entstünden.

Apple ist nicht nur wegen der Seltenen Erden auf China angewiesen, sondern auch wegen der chinesischen Fabriken, in denen Produkte wie das iPhone hergestellt werden. Darüber hinaus wird China auch als Absatzmarkt immer wichtiger. Im zurückliegenden Geschäftsjahr stand das Land für 20 Prozent der weltweiten Verkäufe. Entsprechend ist Apple-Chef Tim Cook sehr an einer Lösung des Konflikts gelegen. Er unternahm in den vergangenen 18 Monaten viele China-Reisen und traf bereits im Oktober 2017 Xi. Er sprach mehrfach mit Trump.

Bislang ist das iPhone nicht von Strafzöllen betroffen. Angesichts der von Trump verhängten Sanktionen gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei sehen viele Experten nun aber auch Apple im Fadenkreuz stehen. In einem Extrem-Szenario könnte Peking gegen Zulieferer im eigenen Land vorgehen und damit die Produktion weitgehend blockieren. Damit wären allerdings auch mindestens 1,4 Millionen chinesische Arbeitsplätze in Gefahr.

Ein direkter Angriff auf Apple würde außerdem wohl viele andere US-Unternehmen und Investoren von weiteren Engagements in China abschrecken, sagt Michael Hirson vom Beratungsunternehmen Eurasia Group. Wahrscheinlicher wären daher subtilere Maßnahmen wie Boykottaufrufe zugunsten von heimischen Marken wie eben Huawei oder Xiaomi.

Gegenzölle auf US-Importe sind ohnehin nicht das einzige Mittel, mit dem sich die chinesischen Behörden zur Wehr setzen können. Schon jetzt werden die Aktivitäten einiger US-Unternehmen im Land etwa durch verlangsamte Zollabfertigung oder durch Verweigerung von Lizenzen behindert. Ermittlungen zu Steuern, Sicherheit oder Kartell- und Umweltfragen können Manager monatelang außer Gefecht setzen und zu empfindlichen Strafen führen.

Nach Angaben von Wirtschaftsverbänden betonen zwar regionale chinesische Funktionäre, die auf Investitionen hoffen, dass amerikanische Unternehmen noch immer willkommen seien. Zugleich warnen die Verbände ihre Mitglieder aber, dass in dem Land mit zunehmendem Druck von Seiten der Behörden zu rechnen sei.

Mehr: Der kalte Krieg der Technolgie-Giganten USA und China könnte Jahre anhalten, warnen Experten. Die Börsen spüren die Folgen.

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