Huawei-Ausschluß Bundesregierung sieht „Anhaltspunkte für Sicherheits-beeinträchtigung“

Quelle: AP

Die Regierung äußert sich so deutlich wie bislang noch nie zu ihrer Prüfung der Huawei-Komponenten in Deutschlands 5G-Netzen. Doch vielleicht kommt die EU ihr mit einem Komplett-Verbot zuvor.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) liegen „Anhaltspunkte für eine mögliche voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Komponenten der Hersteller Huawei und ZTE vor.“ Dies antwortete die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion.

Dieser Satz ist hochbrisant, denn diese Anhaltspunkte könnten für einen Ausschluss und Ausbau der Huawei-Antennen aus dem deutschen Mobilfunknetz bedeuten. Das BMI hatte die drei deutschen Mobilfunknetzbetreiber Anfang März aufgefordert, alle in den jeweiligen Netzen befindlichen kritischen Komponenten der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE zu melden. Aktuell prüfe sie noch, ob der „weitere Einsatz bereits im Einsatz befindlicher kritischer Komponenten in den 5G-Mobilfunknetzen im Einzelfall die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigt“. Im Sommer solle die Prüfung abgeschlossen sein.

Allerdings steigt auch der Druck aus der EU: Laut eines Zeitungsberichts der „Financial Times“ denkt die Staatengemeinschaft inzwischen darüber nach, verbindliche Vorgaben für Mitgliedsstaaten beim Ausbau von 5G-Netzen einzuführen. Demnach sollten Unternehmen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, von den EU-Staaten nicht mehr zum Ausbau herangezogen werden. Dazu gehöre auch Huawei. Grund sei die zögerliche Anwendung des sogenannten „EU-5G-Sicherheits Tool-Box“, der erst in einem Drittel der EU-Länder zu einem verpflichtenden Ausschluss geführt hat.

Anfällig für Boykotts

Die Anhaltspunkte gegen Huawei hätten sich „nicht aus Einzelerkenntnissen einer einzelnen Behörde ergeben“, konkretisiert die Regierung ihre Stellungnahme, „sondern insbesondere aus den vorangegangenen Prüfverfahren und einer Gesamtschau der Erkenntnisse weiterer an der Prüfung beteiligter Sicherheitsbehörden und Ressorts“. Grundlage ist das BSI-Gesetz zur Sicherung der deutschen Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur.

Nach der ersten Prüfung vor drei Jahren hatten sich die Mobilfunknetzbetreiber freiwillig bereit erklärt, alle chinesischen Komponenten aus den Kernnetzen auszubauen – gemeint sind damit die Rechenzentren, in denen die Anrufe verarbeitet werden. Hier hatte man Sorge vor sogenannten „Back Doors“, über die unbemerkt Daten abgezapft werden könnten. Auch haben chinesische Anbieter seitdem keine Ausschreibungen für 5G-Kernnetze gewonnen.

Doch hat sich die Bedrohungslage seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine verschärft. Die Auswirkungen des Stopps der Gaslieferungen haben veranschaulicht, wie dramatisch ein Boykott wirken kann.

Für einen möglichen Boykott  gilt auch das Antennennetz als anfällig. Bei 4G mussten noch Techniker Updates händisch auf jede Station aufspielen. Beim neuen 5G-Standard wird es virtuell versorgt – „over-the-air“ werden regelmäßig kleine Software-Pakete ausgespielt, die Fehler beheben und den Betrieb optimieren. Sollte das 5G-Mobilfunknetz, keine kritischen Updates mehr erhalten, würde es zunächst weniger rund laufen und könnte später schließlich komplett ausfallen.

Das wäre eine sehr ernst zu nehmende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit in Deutschland: Das Mobilfunknetz nutzt dasselbe Backbone wie das Internet – die komplette elektronische Kommunikation könnte zusammenbrechen. Dann könnten Bürger nicht mehr ohne Weiteres die Polizei oder die Feuerwehr rufen. Auch der Wirtschaftsbetrieb wäre infrage gestellt.

Nach dem BSI-Gesetz kann die Regierung den Gebrauch von Komponenten nicht vertrauenswürdiger Hersteller untersagen, wenn sie die öffentliche Ordnung hierzulande voraussichtlich beeinträchtigt und der Hersteller von der Regierung eines autokratischen Drittstaates mittelbar oder unmittelbar kontrolliert wird.




Schon bei der Prüfung vor drei Jahren waren diese Sicherheitsbedenken bekannt. Der Abbruch der Gasversorgung gab einem zuvor sehr theoretisch wirkenden Worst-Case-Szenario eine gewisse Plakativität. Damals hatte das Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier interveniert – er sorgte sich um die guten Wirtschaftsbeziehungen zu China, die viele Unternehmen pflegen.

Lukrative Geschäftsbeziehungen in Gefahr?

Viele deutsche Unternehmen pflegen enge Geschäftsbeziehungen mit China, insbesondere Volkswagen macht einen bedeutenden Teil seines Umsatzes in der Volksrepublik. Zugleich ist Deutschland die größte Wirtschaftsnation Europas und besonders bevölkerungsstark. Macht Deutschland bei dem Ausschluss nicht mit, bleibt Europa erpressbar, auch wenn kleinere Länder mutig voranschreiten.

Als Portugal sich zum Ausschluss von Huawei entschloss, drohte China mit Vergeltungsmaßnahmen und nannte gegenüber der portugiesischen Wochenzeitung „Journal de Negocios“ konkret vier Großunternehmen, an denen chinesische Unternehmen zu 20 Prozent und mehr beteiligt sind: Es sei bereit, „politisch gegen Portugal vorzugehen und seinen Einfluss in Unternehmen wie EPD, REN, Mota-Engil und BCP zu nutzen.“ Peking sei von Portugals Entscheidung, die sie als härter interpretieren als die anderer Länder, überrascht worden, hatten chinesische Regierungskreise der Zeitung gesagt. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager twitterte daraufhin umgehend, Drohungen hätten „keinen Platz“ und würden „Europa nicht davon abhalten, legitime Maßnahmen zum Schutz ihrer kritischen Infrastruktur zu ergreifen“.

Rezept zum Reichwerden? Das steckt hinter dem System von Deven Schuller

Ein selbsternannter Finanzexperte will seinen Kunden laut eigener Aussage dabei helfen, finanzielle Freiheit zu erreichen, und pflastert das Internet mit Werbung. Was steckt dahinter? Ein Selbstversuch.

Freiberufler-Report So viel verdienen Selbstständige in Deutschland

Zwei Euro mehr pro Stunde – und kaum noch ein Gender Pay Gap: Selbstständigen geht es auch in der aktuell schwierigen Lage recht gut. In welchen Bereichen sie am meisten verdienen.

Leistung Warum Manager es ihren Mitarbeitern nicht zu gemütlich machen sollten

Wenn sich Mitarbeiter sicher fühlen, bringen sie bessere Leistung. Das zumindest ist die Hoffnung. Tatsächlich ist oft das Gegenteil der Fall.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Weder die EU noch Huawei kommentierten den FT-Bericht gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Sollte aber von der EU-Ebene ohnehin ein verbindliches Huawei-Verbot kommen, würde der deutschen Regierung die Qual der Wahl abgenommen.

Lesen Sie auch: Bei diesen Aktien gibt es ein China-Risiko.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%